Im letzten Beitrag haben wir die erste in Deutschland zugelassene Zweier-Wirkstoffkombination für Patienten mit einer HIV-Infektion diskutiert. Im Vergleich zu der bisher angewandten Dreier-Wirkstoffkombination zeigte sich hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit Nicht-Unterlegenheit. Eine Forschungsgruppe aus Frankreich hat eine weitere bahnbrechende Entdeckung gemacht.
Die Immuncheckpointblockade kennen wir ja bereits aus einem Beitrag vom letzten Monat, doch dass der Immuncheckpointinhibitor Nivolumab eine essenzielle Rolle bei der Therapie von HIV-Infizierten einnehmen könnte, ist relativ neu. Interessanterweise konnten die mit dem Virus infizierten Zellen durch den Antikörper vernichtet werden. Was wie ein Zufallsbefund scheint, könnte zukünftig die Therapie von HIV-Patienten entscheidend beeinflussen.1
Nivolumab ist ein PD-1-(Programmed death)-Inhibitor und wird zur Therapie des nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms eingesetzt. Die T-Zellen von HIV-Patienten exprimieren vermehrt das Oberflächenprotein PD-1 auf ihrer Zelloberfläche. PD-1 besitzt eine immunmodulative Wirkung. Sobald der PD-1-Ligand an PD-1 bindet, werden Prozesse ausgelöst, welche die Immunantwort hemmen. In Monozyten führt die PD-1-Ligand/PD-1-Interaktion zu einer vermehrten Produktion von Interleukin-10.1
Die französische Forschungsgruppe hat bei einem stabilen HIV-positiven Patienten mit nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom eine Krebstherapie mit Nivolumab eingeleitet. Das Virus reagierte auf die Krebstherapie mit dem Immucheckpointinhibitor mit einem Rückgang der Viruslast bis unter die Nachweisgrenze. Es gibt einen ähnlichen Fall eines HIV-Patienten mit Melanom und PD-L1-Inhibitortherapie.2
Tumorzellen regulieren den PD-1-Liganden und dessen Bindung an PD-1-exprimierende CD8-positive T-Zellen hoch, um der Zerstörung durch das Immunsystem zu entkommen. Dies wird auch als adaptive Immunresistenz betitelt. Will man einen Immuncheckpointinhibitor einsetzen, so spielt der PD-1-Status von CD8-positiven T-Zellen für die optimale Therapieplanung und den Therapierfolg eine wichtige Rolle. Auch bei Patienten mit Humanem Papillomavirus konnte ein positiver PD-1-Status der Tumor-infiltrierenden Abwehrzellen beobachtet werden.Vor allem bei erschöpften T-Zellen findet man die Expression des PD-1-Rezeptors.3,4
PD-1 ist im Mittelpunkt inhibitorischer Prozesse bei chronischen Virusinfektion und diversen Krebserkrankungen. Eine im April veröffentlichte Studie konnte zeigen, dass PD-1 eine inhibierende Funktion während der Frühphase der T-Zellaktivierung besitzt. Eine PD-1-Blockade ging einher mit einer Stärkung der Effektorzellen und eine schnelleren Eliminierung der Infektion.5
Im Rahmen einer akuten Virusinfektion exprimieren aktivierte CD8-positive T-Zellen transient PD-1. Wie genau die modulierenden Effekte von PD-1 auf die T-Zelldifferenzierung aussehen, wollte eine Forschungsgruppe aus Atlanta herausfinden. Hierfür verwendeten sie Mäuse, die an einer akuten lymphozytischen Choriomeningitis (LCMV) erkrankt waren. Bereits 24 Stunden nach LCMV-Infektion konnte in vivo eine PD-1-Hochregulierung aktivierter, naiver, virusspezifischer CD8-positiver T-Zellen beobachtet werden. Mithilfe der Antikörper anti-PD L1 und anti-PD-1 konnte in der Frühphase der Erkrankung positiv Einfluss auf den weiteren Krankheitsverlauf genommen werden.5
Durch Blockade der PD-1-Ligand/PD-1-Interaktion wurde die mTOR-Signalkaskade sowie die Granzyme B-Expression angeheizt. Granzyme B ist eine Serinprotease, die in den intrazellulären Granula von natürlichen Killerzellen und zytotoxischen T-Zellen lokalisiert ist. Bei der Virusabwehr kämpft sie an der vordersten Front. Sie führt zur Apoptose ihrer Gegner durch indirekte Beteiligung am Abbau des Genmaterials der Angreifer.5
Der Einsatz von Immuncheckpointinhibitoren bietet HIV-Patienten gleich zwei Vorteile: Die Bekämpfung des Virus sowie die Vermeidung der Entstehung von Krebsgeschwüren. Die Eradikation der Viruslast ist das Ziel dieser Therapie. Das HIV-Reservoir soll ein für alle Mal bereinigt werden. Ein weiterer Casereport eines HIV-Patienten, der eine Krebstherapie mit anti-CTLA-4 (anti-Cytotoxic T-lymphocyte Associated Protein 4) erhalten hat, ist vielversprechend. Der Einsatz von monoklonalen Antikörpern zeigt ein adäquates Sicherheitsprofil und gibt Hoffnung.6
Referenzen:
1. McCullar B. et al. (2017). Durable complete response to nivolumab in a patient with HIV and metastatic non-small cell lung cancer. J Thorac Dis. 2017 Jun; 9(6): E540–E542.
2. Macatangay B.J. et al. (2009).PD-1 blockade: A promising immunotherapy for HIV? Cellscience 2009;5:61-5.
3. Tumeh P. C. et al. (2014).PD-1 blockade induces responses by inhibiting adaptive immune resistance. Nature. 2014 Nov 27; 515(7528): 568–571.
4. Kansy B.A. et al. (2017). PD-1 Status in CD8+ T Cells Associates with Survival and Anti-PD-1 Therapeutic Outcomes in Head and Neck Cancer. Cancer Res. 2017 Nov 15;77(22):6353-6364.
5. Ahn E. et al. (2018). Role of PD-1 during effector CD8 T cell differentiation. PNAS April 13, 2018. 201718217; published ahead of print April 13, 2018.
6. Guihot A. et al. (2017). Drastic decrease of the HIV reservoir in a patient treated with nivolumab for lung cancer. Annals of Oncology, Volume 29, Issue 2, 1 February 2018, Pages 517-518.