Auch heute stehen Immunzellen und ihr Einfluss auf die Entstehung bzw. Vermeidung von Krankheiten im Mittelpunkt. Wir setzen uns mit den γδ T-Lymphozyten und ihrer Rolle bei chronischen Entzündungsreaktionen und der Entstehung des kolorektalen Karzinoms auseinander.
Unser wissenschaftlicher Fokus konzentriert sich seit Ende 2018 auf die Bauchregion des menschlichen Körpers. Die Interaktionen zwischen dem hier anzutreffenden viszeralen Fettgewebe und dem Immunsystem haben uns im vorletzten Beitrag beschäftigt. Ein hochkomplexes System hält bei einem gesunden Lebensstil (Normalgewicht und Ausdauersport) Entzündungsreaktionen in Schach. Nimmt die Körperfettmenge jedoch überhand, so kippt das System und es kommt zur Bildung proinflammatorischer Faktoren. Dies begünstigt die Entstehung verschiedener Krankheiten, wie Diabetes mellitus aber auch Krebserkrankungen.
Das kolorektale Karzinom ist die zweithäufigste Tumorerkrankung in Deutschland und macht über 95% der bösartigen Krebserkrankungen des Darms aus. Könnte man einen Weg finden, die γδ T-Lymphozyten nach Belieben zu steuern, so würden sich hier ganz neue therapeutischen Möglichkeiten zur primären Prävention des kolorektalen Karzinoms bieten. Hierfür müssen wir jedoch erst einmal Einblick in das Wesen und das Verhalten der γδ T-Lymphozyten erhalten. 1
Innerhalb des intestinalen Epithels machen die γδ T-Lymphozyten den Großteil der Immunzellen des angeborenen Immunsystems aus. Sie sind verantwortlich für das immunologische Gleichgewicht des Darms und sind involviert in Prozesse der Karzinogenese. Es verwundert daher nicht, dass die Forschungswelt wachsendes Interesse an den γδ T-Lymphozyten zeigt. Es gilt, diese Immunzellen bis ins kleinste Detail zu verstehen, um die Entstehung von intestinalen Tumoren rechtzeitig im Keim ersticken zu können. Bisher kratzen wir jedoch nur an der Oberfläche und es bedarf weiterer motivierter Wissenschaftler, um ihr Geheimnis zu lüften. Bisher wissen wir das Folgende.1
Verschiedene Forschungsstudien weisen darauf hin, dass eine Dysbiose des intestinalen Mikrobioms gemeinsam mit chronischen Entzündungsreaktionen mit der Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms (KRK) vergesellschaftet sein kann.2-4 Ein Vergleich des intestinalen Mikrobioms von gesunden Individuen und KRK-Patienten konnte immense Unterschiede in der Bakteriengemeinschaft aufweisen. Im Tierversuch ging die Transplantation eines karzinomassoziierten intestinalen Mikrobioms mit der Entwicklung eines KRK in Mäusen einher.5-8 Die vom Mikrobiom produzierten Onkometabolite können die Polarisation der Immunzellen verändern und so zu abnormen Entzündungsprozessen führen.9-11
Die normale Entwicklung von Vδ1 T-Lymphozytensubpopulation hängt entscheidend von der Interaktion mit dem intestinalen Mikrobiom ab. Kommt es zu einer Dysbiose, so lösen ortsständige Vδ1 T-Zellen frühe, protektive inflammatorische Reaktionsmechanismen aus und unterstützen damit die Wundheilung. Persistiert die Entzündungsreaktion jedoch, so schaffen die Vδ1 T-Zellen optimale präkanzeröse Bedingungen. Sie sorgen dafür, dass die Angiogenese fortbesteht, die Überlebenssignale am Laufen gehalten werden und myeloide Suppressorzellen rekrutiert werden. Die myeloiden Suppressorzellen sind in der Lage, die T-Zell-vermittelten Entzündungsreaktionen zu unterdrücken. Bei adipösen Patienten konnte eine erhöhte Anzahl an myeloiden Suppressorzellen gemessen werden. Eine Umpolung dieser Zellen durch den Darmkrebs scheint eine entscheidende Rolle bei dessen Ausbreitung und als Immun-Escape-Mechanismus zu spielen.1
Butyrat-bildende Darmbakterien scheinen ebenfalls eine wesentliche Rolle beim KRK zu spielen. Nimmt ihre Anzahl im Darm ab, so kann eine Beeinträchtigung der Barrierefunktion sowie der Regulierung der T-Zellen beobachtet werden.12 Dass das alles miteinander zusammenhängt, spiegelt sich auch in der Korrelation zwischen einem Mangel an Butyrat-bildenden Darmbakterien und der Entstehung anderer Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Leberzirrhose und Adipositas wider.
Im nächsten Beitrag lernen wir die diversen Zytokine und Signalwege kennen, die zu einer Umpolung der γδ T-Lymphozyten führen können. Im Detail wird die Rolle der γδ T-Lymphozyten bei chronischen Entzündungsreaktionen diskutiert.
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