Norwegen hat bei den Winterolympiade in Südkorea nicht nur die meisten Medaillen gewonnen, sondern auch die meisten Asthma-Sprays dabei gehabt.
Noch ein kleiner Nachtrag zum letzten Beitrag, in dem wir einen Blick auf das Programm vom DGP-Kongress warfen, der in dieser Woche in Dresden stattfindet. Zu den interessantesten Symposien-Titel gehört neben den "Mitteldeutschen Perlen der Pneumologie: Fall und Kommentar" sicher dieser: "Drogen für Pneumologen". Das kann man so oder so verstehen.
Und wie kann man verstehen, dass die 121 norwegischen Athleten 6.000 Einheiten Asthma-Spray zur Winterolympiade nach Südkorea mitnahmen? Das sind rechnerisch 50 Dosen pro Athlet und – soweit bekannt – zehnmal mehr als bei den anderen Wettkampfnationen. Das Gros der Asthma-Fälle scheint dabei auf die norwegischen Langläufer zu entfallen.
Gelohnt hat es sich jedenfalls, denn Norwegen hat Medaillen abgeräumt wie keine andere Nation. War das jetzt trotz Asthma oder wegen Asthma (-mitteln)?
Asthma ist tatsächlich die häufigste chronische Erkrankung unter Spitzensportlern, mit einer höheren Prävalenz als in der Normalbevölkerung. Bei Triathleten beträgt die Asthma-Prävalenz fast 25%, bei Skilangläufern über 17%1. Studien belegen, dass die oft extremen klimatischen Bedingungen und das lange, harte Training bei Ausdauersportlern Atemwegserkrankungen provozieren können. Belastungsasthma ist für Wintersportler nichts Ungewöhnliches, ein sehr erfolgreiches Abschneiden trotz dieses Handicaps auch nicht.
Salbutamol, Formoterol und Salmeterol sind, ebenso wie Glukokortikoide, bei inhalativer Anwendung und in therapeutischen Dosen im Spitzensport erlaubt. Eine Ausnahmegenehmigung wie früher braucht es seit 2012 nicht mehr. Es reicht die Erklärung, auf diese Inhalativa angewiesen zu sein. Anders etwa als bei Fenoterol, für das eine sogenannte Therapeutic Use Exemption (TUE) weiterhin benötigt wird. In Pyeongchang wurde der slowenische Eishockeyspieler Ziga Jeglic mit diesem verbotenen Wirkstoff erwischt.
Auch zu hohe Salbutamol-Werte haben schon für Schlagzeilen gesorgt. Prominentes Beispiel war in jüngster Zeit etwa der britische Tour-de-France-Sieger Chris Froome. Dem norwegischen Langläufer Martin Johnsrud Sundby wurden 2016 ein Weltcupsieg und der Gesamtsieg bei der Tour de Ski 2015 aberkannt – wegen Überdosierung des Betamimetikums bzw. weil er dessen Gebrauch "nicht gemäß den Dopingbestimmungen angemeldet hatte", wie es auf Wikipedia heißt.
In Pyeongchang lief anscheinend alles korrekt mit der Anmeldung. Sundby hat zweimal Gold sowie einmal Silber gewonnen und das norwegische Team insgesamt 39 Medaillen. Die Leiterin der sportärztlichen Delegation verkündete angesichts der flächendeckenden Asthma-Medikation: "Wir stehen zu diesen Mengen."
Ein Problem scheint damit kaum jemand zu haben, am ehesten noch der ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt, der sich im Sportschau-Interview äußerte. "Es ist ein schmaler Grat zwischen medizinischer Notwendigkeit und dem Ausnutzen von Schlupflöchern", wird in einem eingespielten Beitrag resümiert.
Ein spannendes Thema, das in den ärztlichen Medien offenbar nicht stattfand. Vielleicht gibt’s dazu ja etwas beim DGP-Kongress-Symposium "Pneumologie meets Spitzensport" zu hören. Alle erwähnten Vortragsangebote sind übrigens auf Samstag (17. März) um 11:00 Uhr terminiert.
Und welche Themen ventiliert die pneumologische Fachgesellschaft über ihre Pressekonferenzen im Kontext der Jahrestagung so in die Öffentlichkeit? Auf der Agenda stehen: resistente Keime, Feinstaub & Co, Tuberkulose, Lungenheilkunde im Nationalsozialismus, Schlafapnoe und das Sparproblem bei Atemmasken, E-Zigarette, personalisierte (Lungen-) Krebsmedizin, Lungensport und die neuen deutschen Leitlinien zu Asthma und COPD.
Eine breite Palette also, die natürlich auch mit dem Kongressprogramm für die Profis korreliert. Wir werden sehen, was es Berichtenswertes dazu in Dresden gibt.
Referenz:
1. Fitch KD. An overview of asthma and airway hyper-responsiveness in Olympic athletes. Br J Sports Med 2012;46(6):413-6