Ein “Pneumo-Update“ beim DGP-Kongress ließ keinen Zweifel daran, dass 2016 ein “erfolgreiches Asthma-Jahr“ war. Die neuen Biologika sorgen für eine Erweiterung des Therapiespektrums und der pathophysiologischen Erkenntnisse.
Auf die Rednerprominenz und den Praxisbezug als Erfolgsfaktoren für Industriesymposien haben wir in einem der vorigen Beiträge zum diesjährigen DGP-Kongress schon hingewiesen. Dass es wirklich nicht primär an den Lunch-Tüten liegt, wenn der Saal voll ist, zeigte sich auch bei einem Mundipharma-Symposium, das am späten Nachmittag stattfand. Den Vorsitz führte Prof. Tobias Welte von der Medizinischen Hochschule Hannover, der auch gleich mit einem “Pneumo Update 2017“ zu Asthma und COPD startete.
In seinem 25-minütigen Vortrag referierte Welte wie zu erwarten in recht komprimierter Form über neue Aspekte der Pathogenese-Forschung, relevante Medikamenten-Studien sowie die GINA- und GOLD-Empfehlungen. Vieles davon dürfte bereits mehr oder weniger bekannt sein, über wesentliche Punkte wurde auch in diesem Blog schon berichtet.
Besonders interessant sind bei solchen Referaten vor allem die Einordung der “Neuigkeiten“, die Zwischentöne und die klaren Worte, die zur Freude des Publikums hie und da rausgehauen werden. Etwa der Hinweis, dass es sich bei GINA und GOLD nicht um Leitlinien handelt, sondern um Experten-Meinungen, gegen die es auch teilweise Widerstände gibt: “Viele Männer sitzen an einem Tisch herum und schreiben auf, was sie für das Beste halten.“
Ob sich Welte diesen Seitenhieb verkniffen hätte, wenn er selbst mit am Tisch gesessen hätte? Egal. Wertvoll als Orientierungshilfe sind diese internationalen Empfehlungen allemal, wenn man ihren politischen bzw. globalen Hintergrund einzuschätzen weiß (etwa bezüglich der Gepflogenheiten im lockeren Umgang mit Makrolid-Antibiotika in den USA oder der Bedeutung von Theophylin als erschwingliches Medikament in ärmeren Ländern).
Vor allem haben sie gegenüber den nationalen Leitlinien einen großen Vorteil: Sie sind aktuell. Die Gültigkeit der deutschen Asthma-Leitlinie ist längst abgelaufen, ihre Neufassung wird “nach 10 Jahren endlich demnächst publiziert“, so Welte. Wir werden hier natürlich darüber berichten.
Aus Update-Sicht des Experten war das Jahr 2016 Asthma-lastig. Mit Mepolizumab wurde ein zweites Biologikum in die GINA-Empfehlung aufgenommen – das erste gegen Interleukin 5 gerichtete. Der zugewiesene Platz befindet sich auf Stufe 5, bei schwerem Asthma. Davon ist ein einstelliger Prozentsatz der Patienten betroffen, wovon wiederum die Hälfte wegen mangelnder Adhärenz die Erkrankung nicht in den Griff bekommt.
Anders als der G-BA bezeichnete Welte den Zusatznutzen, den Mepolizumab für Patienten mit hohen Eosinophilen-Werten bietet, als “erheblich“ – und dosisabhängig: “0“ bei 150, “gut“ bei 300 und “sehr gut“ bei 1.000 Zellen/µl.
Ein weiterer Anti-IL-5-Antikörper, Reslizumab, wird intravenös und gewichtsdosiert appliziert. Ob er wirkt, “können die Patienten nach drei Wochen sagen“, so Welte. Bei richtiger Patienten-Wahl kann die Exazerbationsrate um 50% gesenkt werden.
Anders als Mepolizumab und Reslizumab wirkt Benralizumab direkt am Il-5-Rezeptor. (Einer politischen Analogie des MHH-Professors zufolge entspricht das dem “Erdogan-System“, die direkte Interleukin-Blockade dagegen dem Abfangen von Mails durch die NSA.) Ein möglicher Vorteil unter dem Compliance-Aspekt ist laut Welte die häusliche Applikation alle acht Wochen, die den Arztbesuch erspart.
Eine weitere Strategie ist die IL-13-Blockade. Sie richtet sich gegen die Fibroblasten-Aktivität und damit gegen die als Remodeling bezeichneten fibrotischen Umbauprozesse in den Atemwegen. Als Marker für die Fibroblasten-Aktivität dient Periostin: Ist die Periostin-Konzentration niedrig, gilt das auch für die Anti-IL-13-Wirkung, und umgekehrt. Dieser Ansatz wirkt also vor allem gegen die Atemwegsobstruktion und weniger gegen die Inflammation. Damit stellt sich die Frage nach dem möglichen Nutzen einer entsprechenden Biologika-Kombination – die erstmal offenbleibt …
Von den weiteren Biologika, die noch im Rennen sind, erwähnte Welte den monoklonalen Antikörper Dupilumab. Dieser bindet an die identische α-Untereinheit der IL-4- sowie IL-13-Rezeptoren und blockiert damit beide Zytokine (IL4 und IL 13) in der Aktivierung von B-Zellen. Sowohl auf die Lungenfunktion als auch auf die Exazerbationsrate wirkt sich das positiv aus. Die Zulassung für Neurodermitis, Polyposis nasi und Asthma sei zu erwarten. Ergänzung: Ende März ist Dupilumab für die Behandlung von Erwachsenen mit mittelschwerer atopischer Dermatitis von der FDA zugelassen worden.
Neben den therapeutischen Erfolgen haben die Biologika auch zu Fortschritten im pathophysiologischen Verständnis beigetragen. Noch sind diese innovativen Medikamente recht teuer. Mit zunehmendem Wettbewerb und fortschreitender Zeit werden die Preise aber wohl fallen. Welte rechnet dann mit einer Diskussion über den Stellenwert der Biologika gegenüber der LABA/ICS-Kombination auch bei weniger schweren Asthma-Formen.
Viel Neues beim Asthma also. Und was gibt es zum COPD-Update zu berichten? Dazu mehr im Folgebeitrag.
Abkürzungen:
DGP: Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.
G-BA: Gemeinsamer Bundesausschuss
GINA: Global Initiative for Asthma
GOLD: Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
Referenzen:
Pneumologie Real World: Alles (nicht) einfach? Symposium Industriesymposium der Mundipharma GmbH beim 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Stuttgart, 23. März 2017.