COPD-Therapie mit Bronchodilatation: Gefahr fürs Herz?

Die COPD-Erstlinientherapie mit langwirksamen Betamimetika (LABA) und/oder Anticholinerigika (LAMA) ist offenbar zu Beginn mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Bei der Erstverordnung der bronchienerweiternden Inhalativa heißt es also aufpassen.

Im letzten Beitrag ging es um den positiven Effekt der dualen Bronchodilatation auf die Herzleistung. Eine Schattenseite gibt es aber auch, eine aktuelle Publikation erinnert daran: Die COPD-Erstlinientherapie mit langwirksamen Betamimetika (LABA) und/oder Anticholinerigika (LAMA) ist offenbar zu Beginn mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko verbunden. Bei der Erstverordnung der bronchienerweiternden Inhalativa heißt es also aufpassen.

Dauerdiskussion um kardiovaskuläre Sicherheit der Bronchospasmolytika

Neu ist die Diskussion über die kardiovaskuläre Sicherheit der langwirksamen Bronchodilatatoren nicht. Nachvollziehbar ist, dass die Substanzen über eine vermehrte Sympathikus- bzw. verminderte Parasympathikus-Aktivität das Risiko für Tachykardien, Myokardischämien und Schlaganfall erhöhen könnten.

Was sagt die Evidenz? Das kommt darauf … Und zwar kommt es darauf an, welche Evidenz man sich anschaut: randomisierte kontrollierten Studien (RCTs) oder Beobachtungsstudien.

Kennen Sie das COPD-Studien-Paradox? Es besteht darin, dass Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen im Allgemeinen von RCTs ausgeschlossen werden – obwohl es sich, wie im letzten Beitrag dargestellt, um die häufigste Komorbidität der COPD handelt, die gut die Hälfte der Patientenpopulation betrifft.

RCTs bilden eher nicht die Alltagsbedingungen ab

Insofern ist es nicht unbedingt sehr verwunderlich, wenn prospektive Untersuchungen dort Entwarnung geben, wo sich in der Retrospektive ein Problem abzeichnet: bei der Assoziation zwischen neu verschriebenen langwirksamen Bronchodialatatoren und einer erhöhten Gefahr für kardiovaskuläre Ereignisse bei älteren COPD-Patienten.  

Einen solchen Zusammenhang beschrieben die Autoren einer kanadischen Datenbank-Analyse1 (über 191.000 Patienten; Mindestalter: 66 Jahre) schon vor einigen Jahren und forderten ein "engmaschiges Monitoring" der Patienten, unabhängig von der Substanzklasse.

In die gleiche Kerbe schlägt nun – mit dem gleichen Design einer eingebetteten Fall-Kontroll-Studie – eine taiwanesische Untersuchung, die in JAMA Internal Medicine veröffentlicht wurde. Ausgewertet wurden Daten der Jahre 2007 bis 2011 aus der staatlichen Gesundheitsversicherung, in die fast die komplette Bevölkerung einbezogen ist. Das Studienkollektiv umfasste über 284.000 LAMA-LABA-naive COPD-Patienten (Mindestalter: 40 Jahre; Durchschnittsalter: 71 Jahre; 69% Männer).

Fall-Kontroll-Studien finden erhöhtes Risiko zu Therapiebeginn

Mit Blick auf Hospitalisationen oder Notaufnahmefälle wegen koronarer Herz­krankheit, Herzinsuffizienz, ischämischem Schlaganfall oder Arrhythmien stellten die Wissenschaftler Folgendes fest:

Im ersten Monat nach der Erstverschreibung einer LAMA/LABA-Kombination war das relative Risiko für ein einweisungspflichtiges kardiovaskuläres Ereignis also doppelt so hoch wie bei den COPD-Patienten ohne inhalative Bronchodilatation. Die Risiko-Erhöhung war unabhängig von kardiovaskulären Vorerkrankungen oder früheren Exazerbationen der Patienten. Gleichwohl ist anzunehmen, dass bei Patienten mit problematischer Herz-Gefäß-Vorgeschichte ein gesteigertes Risikopotenzial am ehesten gegeben ist.

EKG vor Verordnung von langwirksamen Bronchodilatatoren?

Sollte man vor der LAMA- bzw. LABA-Verordnung also ein EKG machen, wie es die Autorengruppe um den Pharmazeuten Meng-Ting Wang vom National Defense Medical Center in Taipeh empfiehlt? In absoluten Zahlen erscheint die Gefahr mit einer "Number needed to harm" von 406 für die LABA- bzw. 391 für die LAMA-Anwendung zwar nicht besonders hoch. Eine gewisse Vorsicht walten zu lassen und der Herz-Kreislauf-Situation Aufmerksamkeit zu schenken, ist aber sicher nicht verkehrt. Schließlich besteht auch der COPD-Patient nicht nur aus Lunge.

Referenzen:
1. Gershon A et al. Cardiovascular safety of inhaled long-acting bronchodilators in individuals with chronic obstructive pulmonary disease. JAMA Intern Med 2013;173(13):1175-85
2. Wang MT et al. Association of Cardiovascular Risk With Inhaled Long-Acting Bronchodilators in Patients With Chronic Obstructive Pulmonary Disease: A Nested Case-Control Study. JAMA Intern Med 2018. doi: 10.1001/jamainternmed.2017.7720