Der Procalcitonin-Test hilft bei der Unterscheidung zwischen viraler und bakterieller Atemwegsinfektion. Ab dem 1. Juli wird er als Kassenleistung erstattet. Eine gute Sache?
Im letzten Beitrag ging es um Antibiotika und RESIST und am Rande auch um die Fußball-WM in Russland Heute sind wir eine Woche weiter und glücklicherweise am Rande des Abgrunds (in Form des vorzeitigen Ausscheidens der deutschen Nationalmannschaft bei der WM) vorbeigeschrammt, vorerst zumindest. Während die Angelegenheit mit dem Weiterkommen ins Achtelfinale im letzten Gruppenspiel geregelt werden muss, wenden wir uns nochmal dem Mega-Thema Antibiotika zu. Diesmal u.a. in Verbindung mit DART 2020.
Da geht es jetzt nicht um die nächste Weltmeisterschaft im Darts vulgo Spickern oder Pfeilewerfen, die World Professional Darts Championship wird jährlich ausgetragen, das nächste Mal also schon 2019. Es handelt sich vielmehr um die Deutsche Antibiotika-Resistenzstrategie. Die ist Ihnen ja vermutlich geläufig. Sie wurde von drei Ministerien (Gesundheit, Ernährung/Landwirtschaft, Bildung/Forschung) erarbeitet und 2015 vom Bundeskabinett verabschiedet.
O-Ton: "Die DART 2020 bündelt Maßnahmen, die zur Reduzierung von Antibiotika-Resistenzen erforderlich sind. Dabei steht die sektorübergreifende Zusammenarbeit (One-Health-Ansatz) im Vordergrund. Um diesem One-Health-Ansatz gerecht zu werden, adressieren alle Ziele der DART 2020 Human- und Veterinärmedizin gleichermaßen." Die Ziele der DART 2020 im Einzelnen können Sie hier nachlesen, das bisher Erreichte im Dritten Zwischenbericht 2018 (PDF-Link).
Aus Sicht des praktisch tätigen Arztes nehmen wir mal mit: Die Inanspruchnahme verfügbarer Impfoptionen (z.B. Pneumokokken, Influenza) sollte gesteigert werden und vom Fortbildungsangebot zur rationalen Antibiotika-Therapie und zum Thema Antibiotika-Resistenzen könnte man durchaus Gebrauch machen. Für Kliniker ist möglicherweise die kürzlich installierte Strukturierte curriculare Fortbildung "Antibiotic Stewardship (ABS)" der Bundesärztekammer interessant. Darüber kann die Qualifikation als ABS-Beauftragter bzw. ABS-Experte erworben werden.
Last not least: der Procalcitonin(PCT)-Test. Setzen Sie ihn als Hilfsinstrument ein, wenn es um die Entscheidung für oder wider eine Antibiotika-Therapie bei Patienten mit infektiöser Atemwegserkrankung geht? Oder setzen Sie lieber auf den Schnelltest auf das C-reaktive Protein (CRP)? Für beide Tests liegen positive Studiendaten für einen reduzierten Antibiotika-Verbrauch und bessere Behandlungsergebnisse (Überlebensrate, Nebenwirkungen) vor1. Der um ein Mehrfaches teurere PCT-Test ist jetzt als Kassenleistung abrechenbar – ab dem 1. Juli, also ab kommender Woche.
Unter der GOP 32459 gibt es dafür 9,60 Euro. Da die PCT-Messung unter die ebenfalls neu in den EBM integrierte Ausnahmeziffer 32004 fällt, wird das Laborbudget durch diese Maßnahme – anders als durch die wesentlich günstigere CRP-Messung – nicht belastet.
Diese Neuerung ist ein Ausfluss der DART 2020. In § 87 Abs. 2a SGB V beauftragt der Gesetzgeber den Bewertungsausschuss mit der Prüfung der Frage "in welchem Umfang Diagnostika zur schnellen und zur qualitätsgesicherten Antibiotikatherapie eingesetzt werden können" und mit der entsprechenden Anpassung des EBM. Also alles prima?
Kann man so nicht sagen. Für Hausärzte ist der – zur bakteriellen Diagnostik im Vergleich zur CRP-Bestimmung genauere – PCT-Test nicht sehr praktikabel, wenn man erst zwei Tage nach Einsenden der Blutprobe ins Labor weiß, ob eine bakterielle Infektion vorliegt oder nicht. Es gibt durchaus einen brauchbaren Schnelltest und die Möglichkeit zur quantitativen Auswertung, sofern ein Auslesegerät in der Praxis vorhanden ist. Die Preisvorstellungen des Herstellers in Höhe von etwa 35 Euro werden mit dem EBM-Tarif allerdings nicht abgedeckt. Da ist dann Draufzahlen angesagt.
Die Kollegen der Labormedizin sind auch nicht zufrieden. Berufsverbandsseitig hat man sich – offenbar vergeblich – um Änderungen bei den Änderungen bemüht. Denn angesichts der wenigen eingeschlossenen Untersuchungsziffern ist ein medizinisch vernünftiger Umfang ohne Laborbudgetbelastung leider nicht zu bewerkstelligen.
Alles in allem handelt es sich möglicherweise um ein typisches Beispiel für einen (ordnungs- und standes-) politischen Lösungsansatz, der im besten Fall gut gemeint war. Vielleicht aber auch nur einer wie auch immer gearteten lobbyistischen Logik folgt.
Ein um mehr als 40 % reduzierter Antibiotika-Verbrauch ist laut früher publizierten Daten beim konsequenten PCT-Einsatz drin. In einer aktuellen Studie2 war dieser wünschenswerte Effekt bei Patienten mit Verdacht auf Infektion der unteren Atemwege allerdings nicht festzustellen. Im klinischen Setting in Studienzentren mit bekannt hoher Qualität der Antibiotika-Therapie, wie die Autoren nach Erklärungen ringend schreiben. Der PCT-Test wäre hier als Hilfsinstrument quasi entbehrlich. Im ambulanten Terrain mag das anders sein und vorhandene Testmöglichkeiten sollten genutzt und bezahlt werden.
Referenzen:
1. Schuetz P et al. Procalcitonin to initiate or discontinue antibiotics in acute respiratory tract infections. Cochrane Database Syst Rev 2017;10:CD007498. doi:10.1002/14651858.CD007498.pub3
2. Huang DT et al. Procalcitonin-Guided Use of Antibiotics for Lower Respiratory Tract Infection. N Engl J Med 2018. doi:10.1056/NEJMoa1802670
Abkürzungen:
EBM = einheitlicher Bewertungsmaßstab
GOP = Gebührenordnungsposition
SGB V = Sozialgesetzbuch V