Der diesjährige DGP-Kongress ist nun schon wieder ein Weilchen her und kann abgehakt werden. Wer es noch nicht getan haben sollte, der mag sich unsere letzten Beiträge durchlesen, die als Ergebnis des persönlichen Kongressbesuchs in Stuttgart entstanden sind.
Dabei geht es um die Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Pneumologie, womit nicht nur der Kongress, sondern auch ein existenziell spannendes Symposium betitelt war; um Biologika bei schwerem Asthma; um die Quadrupel-Therapie bei schwerer COPD; um das noch unausgeschöpfte Potenzial der Pneumo-Reha, bei der Sport und Rauchstopp zwar für nachhaltige, also nicht gleich wieder verpuffende Effekte sorgen, die Beteiligten aber offenbar zu ihrem Glück gezwungen werden müss(t)en; um die kluge Entscheidung zur Lufu für jeden Raucher; und schließlich um ein "Pneumo-Update".
Schon eine Menge Holz also, aber natürlich gab es noch viel mehr, worüber zu berichten sich auch gelohnt hätte. Es gibt hier und da "Best of"-Zusammenstellungen mit kompakter Informationsvermittlung, dank finanzieller Unterstützung durch die Industrie kostenfrei zum Online-Anschauen, z.B. unter pneumowissen.de.
Sicher wichtig ist der Hinweis des Kongresspräsidenten Prof. Martin Hetzel (Stuttgart) auf die Situation im Heimbeatmungsbereich: Jeder zweite Patient könnte durch ein qualifiziertes Weaning von den Trachealkanülen und dem daran hängenden Gerät befreit werden, das zudem die Anwesenheit von Beatmungspflegepersonal rund um die Uhr erfordert. Durch die bessere Medizin könnten gleichzeitig die Kosten halbiert werden, die sich gegenwärtig auf 2-4 Milliarden Euro belaufen sollen.
"Es ist höchste Zeit, dass das Beatmungsentwöhnungs-Angebot der DGP und ihrer Weaning-Zentren ausgeschöpft wird", so Hetzel. Auf der Website der DGP findet sich übrigens eine Karte der Weaning-Zentren.
Die esanum-Interviews zum 58. DGP-Kongress 2017 widmen sich u.a. auch so wichtigen Themen wie psychischen Komorbiditäten bei COPD-Patienten, denen mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte (und vice versa!), und neuen Therapiemöglichkeiten beim Lungenkarzinom.
Kongresse sind immer ein gern genutzter Anlass, um neue Daten zu präsentieren oder immerhin Neues anzukündigen: Das gilt sowohl für die deutsche Leitlinie zur COPD als auch für ihr Pendant zum Asthma. Mit beiden werden wir uns in diesem Blog noch befassen und verzichten an dieser Stelle darauf.
Aber ein auf dem Kongress gehörtes Zitat wollen wir Ihnen nicht vorenthalten. Es lautet: "Ich frage meine neuen COPD-Patienten jetzt immer nach dem Geburtsgewicht."
Wer hat’s gesagt? Prof. Klaus Rabe, Pneumologe und Ärztlicher Direktor der LungenClinic Grosshansdorf. Zur Begründung erläuterte der Experte: Viele seiner COPD-Patienten geben tatsächlich an, ein "mickriges" Kind gewesen zu sein. In diesem Fall liegt die Vermutung nahe, dass die Patienten möglicherweise schon mit einer beeinträchtigten Lungenfunktion ins Leben gestartet sind und dieses Manko dann häufig nicht mehr aufgeholt werden kann.
Das deckt sich mit neuen Erkenntnissen zur COPD-Pathogenese, denen zufolge diese Erkrankung nicht immer auf beschleunigten, durch Nikotinabusus begünstigten Abbauprozessen beruhen muss. Vielmehr kann bei manchen, auch nichtrauchenden Patienten eine – wie im natürlichen Verlauf – langsame, aber stetige Abnahme der Lungenfunktion zum Problem werden. Nämlich dann, wenn die Lungenfunktion schon zu Beginn des Lebens deutlich unter dem Durchschnitt lag und in der Folge das normale Maximum, das sich bis zum 20. Lebensjahr ausbildet, nicht erreicht wird.
Da zeichnet sich eine für die COPD ganz neue Präventionsperspektive ab, die – wie beim Asthma – schon in der Kindheit ansetzen könnte. Rabe warb deshalb für eine engere Zusammenarbeit von Kinderärzten und Pneumologen: "Es scheint sehr sinnvoll zu sein, bei jungen Patienten eine gute Lungenfunktion zu erhalten." Bei infektanfälligen Kindern mit auffälligen Entzündungsparametern ist demnach ggf. eine probatorische Anti-IgE-Therapie zu erwägen. Der tatsächliche Nutzen im weiteren Verlauf ist aber natürlich noch unklar.
Evidenz für mögliche neue Präventionsstrategien gibt es noch nicht, große Kohortenstudien werden dafür nötig sein. Aber logische Ansätze dürfen gedacht werden. Rabe nannte dazu die Verhinderung von Frühgeburten als bekannte Ursache für eine schlechtere Lungenfunktion von klein auf.
Der frühere Präsident der European Respiratory Society (ERS) ist übrigens frisch inthronisiertes Oberhaupt der DGP. Die Übergabe der Präsidentschaft erfolgte beim Kongress in Stuttgart.
… ist natürlich vor dem DGP-Kongress. Wissen Sie, wo er beim nächsten und damit 60. Mal tanzt? In München, vom 13-16. März 2019. Mit einem netten Titel und fast schon "Illuminati"-verdächtigen Logo: "Pneumologie – Prisma der Inneren Medizin". Als Kongresspräsidenten zeichnen der Kliniker Prof. Winfried Randerath (Solingen) und der Niedergelassene Dr. Peter Kardos (Frankfurt) verantwortlich. Aus ihrem Grußwort: "Ein Ziel des Kongresses kann es also sein, dem Trend zum Auseinanderdriften der Disziplinen entgegenzuwirken, Kooperationen auszuloten und zu vertiefen, voneinander und miteinander zu lernen." Da wünschen wir jetzt schon gutes Gelingen!
Hier die erwähnten Blog-Beiträge zum bzw. vom DGP-Kongress mit Direkt-Link:
Referenz: 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. (DGP). Stuttgart, 22.-25. März 2017.