Vom 7.–9. September fand der diesjährige Kongress der European Respiratory Society (ERS) statt.
Der Jubiläumskongress der ERS, nämlich der 30., war zugleich der erste vollständig Virtuelle. Mit 33.000 Teilnehmern und mehr als 450 wissenschaftlichen Präsentationen fällt es schwer, eine Auswahl zu treffen. Einige im Nachgang von Kollegen besonders häufig angeklickte Präsentationen und ePoster finden Sie hier zusammengefasst.1
Anlässlich der Konferenz vorgestellte Ergebnisse der 'ALPACA'-Studie (66,5 Tsd. Patienten) zeigen, dass langwirksame Anticholinergika (LAMA) bei Asthma nicht immer optimal eingesetzt werden. Wurden LAMA verordnet, geschah dies häufig in Form einer Monotherapie (39%) ohne inhalative Kortikosteroide (ICS). Eine Monotherapie mit LAMA ist mit einem 1,6-fach höheren Risiko für schwere Exazerbationen assoziiert als eine Therapie mit LAMA + ICS. Unter Ausschluss von Patienten mit Triple-Therapie (LAMA + LABA + ICS) ergab sich sogar eine Risikoerhöhung um den Faktor 5,7.2
Die neue Nationale Versorgungsleitlinie Asthma benennt diese Problematik ebenfalls, siehe hierzu unseren Beitrag von vorletzter Woche.
Eine weitere mit Interesse verfolgte Arbeit demonstrierte eine gute Sensitivität und Spezifität der IOS zur Einschätzung der Asthmakontrolle.3
Bei allen Studienteilnehmern (46 mit schlecht kontrolliertem Asthma, 96 mit gut kontrolliertem Asthma, 30 gesunde Kontrollen) wurden Spirometrie und IOS durchgeführt und ROC-Kurven berechnet. Als Grenze zwischen gut und schlecht kontrolliertem Asthma galt eine Punktzahl ≤ 19 im ACT (Asthmakontrolltest).
Die meisten IOS-Parameter zeigten hierbei eine gute Genauigkeit für die Detektion eines schlecht kontrollierten Asthmas. Die Differenz R5–R20 (ein Maß für den peripheren Atemwegswiderstand) stellte sich als bester Anhaltspunkt für die Erkennung eines nicht gut kontrollierten Asthmas bei Erwachsenen mit unauffälliger Spirometrie heraus. Ein Cut-off-Wert bei ≥ 1 cmH20/l/s erbrachte die höchste AUC (0,86) mit einer Sensitivität von 89% und einer Spezifität von 82%.
Bei Patienten mit stabiler COPD waren in einer Studie eine beträchtliche Anzahl von Gerinnungsfaktoren erhöht, Protein S sowie Antithrombin III dagegen erniedrigt. Die Vergleichskohorte waren Raucher ohne COPD. Insbesondere die Spiegel von FII, FV und FX unterschieden sich deutlich zwischen verschiedenen GOLD-Stadien und waren zudem bei COPD‑Patienten mit Exazerbationen in der Vorgeschichte erhöht.4
Neben physischen Komorbiditäten, wie kardialen Erkrankungen, Diabetes und Osteoporose, gehen chronische Atemwegserkrankungen oft mit psychischen Komorbiditäten einher, wie Depression, Einsamkeit und Ängsten. Ängste gehören (mit bspw. 10–55% bei COPD-Patienten) zu den am häufigsten berichteten psychischen Problemen.5
Psychischer Stress wirkt sich signifikant negativ auf Lebensqualität, Therapieadhärenz, Mortalität und Morbidität aus. Daher kommt der Einbeziehung psychischer Bedürfnisse eine wichtige Rolle zu. Eine Veranstaltung thematisierte Ängste, psychisches Wohlbefinden und Prävention von Disstress bei chronischen Atemwegserkrankungen. Die Sprecher betonten, dass Sorgen und Stress in der Behandlung der Patienten zuweilen hinten runterfallen. Sie lenkten den Fokus auf krankheitsspezifische Ängste bei COPD- und IPF-Patienten und auf den Stellenwert von Empathie, kognitiver Therapie und Palliativversorgung. Auch ein Patient schilderte seine Perspektive, als er im Alter von 53 Jahren die Diagnose IPF erhielt: "Wir fühlten uns beraubt, als wir die Nachricht [von einer Lebenserwartung] von 3 bis 5 Jahren hörten."
Aktuelle Studien, von denen einige anlässlich dieser Session präsentiert wurden, zeigen einmal mehr, dass gesteigerte Angst vor körperlicher Belastung mit schlechteren Ergebnissen in der pulmonalen Rehabilitation, kürzerer 6-Minuten-Gehstrecke und herabgesetzter Lebensqualität einhergeht.
Insbesondere bei COPD‑Kranken mit einem hohen Angstpegel vor Atemnot war eine gesteigerte Aufmerksamkeit auf respiratorische Empfindungen vorhanden, was mit verminderter körperlicher Aktivität im Alltag assoziiert war. Es ist bekannt, dass die Wahrnehmung von Dyspnoe zu einem Vermeidungsverhalten durch Reduzieren von körperlicher Anstrengung führt. Dies resultiert in sowohl körperlichen als auch psychischen Komorbiditäten.
Wir hoffen, dass diese kurze Auswahl für Sie interessant war.
Die Mitschnitte der Präsentationen sind für registrierte Teilnehmer noch bis zum Jahresende (30. Dezember) verfügbar. Der nächste internationale ERS‑Kongress wird vom 4.–8. September 2021 in Barcelona stattfinden.
Referenzen:
1. ERS International Congress 2020: facts, figures and achievements | European Respiratory Society. https://www.ersnet.org/the-society/news/ers-international-congress-2020-facts-figures-achievements.
2. (in)Appropriate LAMA Prescribing in Asthma patients: a Cohort Analysis (the ALPACA study) E-POSTER Nr 2644. Presented at ERS Virtual Congress. https://ers.conference2web.com/#!resources/in-appropriate-lama-prescribing-in-asthma-patients-a-cohort-analysis-the-alpaca-study.
3. Late Breaking Abstract - The roles of impulse oscillometry in detection of asthma control level. E-POSTER Nr 2193. Presented at ERS Virtual Congress. https://ers.conference2web.com/#!resources/late-breaking-abstract-the-roles-of-impulse-oscillometry-in-detection-of-asthma-control-level.
4. Hypercoagulability in patients with stable COPD assessed by coagulation factor levels E-POSTER Nr 3578. Presented at ERS Virtual Congress. https://ers.conference2web.com/#!resources/hypercoagulability-in-patients-with-stable-copd-assessed-by-coagulation-factor-levels.
5. Physiological Comorbidity Care: The Unmet Need in Patients with Chronic Lung Diseases. European Medical Journal https://www.emjreviews.com/respiratory/congress-review/physiological-comorbidity-care-the-unmet-need-in-patients-with-chronic-lung-diseases/ (2020).