Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir hoffen, Sie hatten schöne Pfingsttage. Im Idealfall konnten Sie sie mit schönen Unternehmungen, reichlich Schlaf und gutem Essen genießen.
Apropos gutes bzw. gesundes Essen: Können Obst und Gemüse das Risiko einer Lungenerkrankung reduzieren? Was denken Sie? Und was sagen Sie diesbezüglich Ihren Patienten, z.B. denen mit COPD oder Asthma? Ein interessantes Studienergebnis, über das vor kurzem auch hier auf esanum berichtet wurde, liefert Munition für das Beratungs- bzw. Motivationsgespräch.
Eine populationsbasierte prospektive Kohortenstudie1 mit über 44.000 schwedischen Männern wollte herausfinden, ob zwischen dem Obst- und Gemüseverzehr und dem COPD-Risiko in Abhängigkeit vom Raucherstatus ein Zusammenhang besteht. Nach einem durchschnittlichen Follow-up von gut 13 Jahren errechneten die Wissenschaftler folgende Ergebnisse:
Bei Männern mit Raucheranamnese wurde eine starke inverse Assoziation zwischen Obst- und Gemüsezufuhr und Entwicklung einer COPD beobachtet, bei Nie-Rauchern dagegen nicht.
Ganz überraschend sind diese Daten nicht. Viele Querschnitts- und einige wenige Langzeitstudien haben schon vorher über günstige Beziehungen zwischen erhöhtem Obst- und Gemüse-Konsum und einer langsameren Abnahme der Lungenfunktion sowie niedrigeren COPD-Inzidenzen berichtet.
Ein kausaler Nachweis ist das natürlich nicht. Die Qualität der Beobachtungsstudie, ihrer Datengrundlage und ihrer statistischen Methodik ist aber beachtlich. Darauf weisen auch die Autoren eines Editorials2 zu dieser Arbeit hin, die immerhin im renommierten Pneumologie-Journal Thorax erschienen ist.
Der mögliche Erklärungsansatz ist auch relativ naheliegend: Die an sekundären Pflanzenstoffen und Antioxidantien reichen Nahrungsmittel können COPD-relevante Entzündungsprozesse dämpfen und so das Erkrankungsrisiko senken.
Warum beschränken sich die beobachteten positiven Effekte auf Raucher und Ex-Raucher? Die Autoren der Kohortenstudie vermuten, dass das an unterschiedlichen Pathomechanismen der COPD- Entstehung bei Rauchern und Nicht-Rauchern liegen könnte – angesichts unterschiedlicher Level an oxidativem Stress.
Die Verfasser des Editorials wiederum weisen zurecht darauf hin, dass es interessant gewesen wäre, wenn die Epidemiologen auch "die andere Seite der Medaille" präsentiert hätten: nämlich, ob die Effekte des Rauchens auf das COPD-Risiko unter geringer Zufuhr von Früchten und Grünzeug größer und bei hohem Konsum niedriger ausfielen. Bisher ist nur wenig darüber bekannt, was die Anfälligkeit gegenüber der Schadwirkung des Rauchens beeinflusst.
Einer der beiden Editorialisten hat übrigens vor kurzem selbst für eine prospektive Beobachtungsstudie3 verantwortlich gezeichnet, die sich mit Ernährung und obstruktiver Atemwegserkrankung beschäftigte und herausfand: Der Verzehr von Schinken und Wurstwaren mindestens viermal wöchentlich erhöht bei Asthma-Patienten das Risiko für eine Verschlechterung der Symptome um 76%.
Die Forscher betrachteten in ihrer statistischen Analyse einen erhöhten BMI nicht als Stör-, sondern als Vermittlungsfaktor für die Schadwirkung. Der indirekte Effekt durch den BMI machte nur den kleineren Teil des erhöhten Risikos aus. Für die Forscher wirkt sich deshalb der Nitratgehalt der Dauerwurstwaren unabhängig vom BMI gesundheitsschädlich aus.
Rauchverzicht und Rauchentwöhnung sind und bleiben die wichtigsten Lebensstil-Maßnahmen in der Prävention der COPD und ihrer Progression. Die Ernährung spielt aber –auch ohne RCT-Beweis – eine so wichtige Rolle, dass eine fachlich kompetente Beratung und Motivierung auch bei obstruktiven Atemwegserkrankungen angezeigt ist. Die erste Botschaft der Empfehlung von Wissenschaftlern der Harvard Chan School of Public Health lautet: Obst und Gemüse sollten unseren Teller zur Hälfte ausfüllen.
Wie sagte schon Hippokrates? "Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung!"
Referenzen:
Abkürzungen:
BMI: Body-Mass-Index
RCT: randomisierte kontrollierte Studie (randomized controlled trial)