Wir bleiben nochmal kurz bei der Ernährung und wenden uns an Pneumologen, Gynäkologen sowie Haus- und Kinderärzte als potenziell interessierten Leserkreis. Es geht ums Fischöl. Ja, genau: Omega-3-Fettsäuren, speziell Eicosapentaensäure (EPA) und Docosahexaensäure (DHA). Taugt das Zeug was in der Schwangerschaft als Asthma-Prophylaxe fürs Kind?
Nehmen wir an, Frau Frei kommt zu Ihnen in die Praxis. Die 30-Jährige ist gesund und in der 21. Woche schwanger. In ihrer Vorgeschichte findet sich ein gut kontrolliertes Asthma. Sie ist gegenwärtig symptomfrei, nimmt keine Asthma-Medikamente und nahm auch in ihrer vorherigen Schwangerschaft keine. Sie hat keine Allergien, ernährt sich ausgewogenen mit magerem Fleisch und gelegentlich Fisch und substituiert täglich ein pränatales Vitamin.
Mit ihrem vierjährigen Sohn Karli muss sie häufiger die Notfallambulanz wegen episodenhaftem Giemen und Infektionen der unteren Atemwege aufsuchen. Wie steht es um die Risiken für ihr ungeborenes Kind, an ähnlichen Symptomen zu leiden? Frau Frei hat von einer neuen Studie gelesen, der zufolge die Supplementierung von Omega-3-Fettsäuren im dritten Schwangerschaftsdrittel das Risiko für dauerhafte Kurzatmigkeit oder Asthma beim Kind signifikant mindert. Die besorgte Mutter möchte nun von Ihnen wissen: Soll sie mit der Einnahme von Fischölkapseln beginnen?
Was würden Sie der Ratsuchenden antworten?
Hier können Sie sich eine Pro- und eine Contra-Antwort aussuchen. Jedenfalls als Leser des hoch renommierten New England Journal of Medicine, in dem nicht nur die neue Fischöl-Studie erschienen ist, sondern zugleich auch die oben skizzierte Fragestellung im Praxismodus samt Pro- und Contra-Antworten.
Kurz zur Studie, die randomisiert, doppelbind und monozentrisch im Umfeld der Universität Kopenhagen durchgeführt wurde. Im Interventionsarm erhielten die teilnehmenden Schwangeren 2,4 g/Tag Omega-3-Fettsäuren (55% EPA und 37% DHA) in Form von Fischöl, in der Kontrollgruppe Olivenöl. Die Gabe erfolgte etwa ab der 24. Schwangerschaftswoche bis eine Woche nach Entbindung.
Aus den knapp 700 neugeborenen Kindern wurde eine Kohorte gebildet. Die nachverfolgte Doppelblindphase erstreckte sich über 3 Jahre. Die Kinder wurden mehrfach zu vorher festgelegten Terminen untersucht, ferner bei akut auftretenden Atemwegs- oder Allergiesymptomen.
Das Ergebnis: In den ersten Lebensjahren litten insgesamt fast 20% der Kinder an keuchender Atmung ("Wheezing") oder Asthma, mit einem statistisch signifikanten Unterschied zwischen beiden Gruppen. Im Fischöl-Arm waren es knapp 17%, im Olivenöl-Arm fast 24%. Die relative Risikoreduktion liegt damit bei deutlichen 31%, das Signifikanzniveau ist mit p = 0,035 allerdings nicht umwerfend hoch.
Unter den sekundären Endpunkten fand sich eine ebenfalls signifikante Minderung des Risikos für Infektionen der unteren Atemwege bei den Kindern, deren Mütter die Fischölkapseln geschluckt hatten. Auf die Entstehung von Asthma-Exazerbationen, Ekzemen und Allergien hatte die Supplementierung aber keinen statistisch relevanten Einfluss.
Soweit die dänischen Daten. Und was würden Sie nun Frau Frei antworten? Fischöl ja oder nein?
Ja, sagen Charles Serhan und Bruce Levy vom Brigham and Women’s Hospital und der Harvard Medical School in Boston (USA), das ist eine potenzielle therapeutische Option. Die Omega-3-Fettsäuren, allen voran EHA und DHA, sind Vorstufen potenter antiinflammatorischer und antiinfektiöser Mediatoren, die sich in Plazenta und Muttermilch finden. Deren Derivate Resolvin und Protectin sind in der Lage, Entzündungen, Metaplasien und Hyperreaktivität der Atemwege zu reduzieren und die Infektionsabwehr zu fördern. Asthma-Patienten weisen niedrigere Spiegel an Omega-3-Fettsäuren in der Atemwegsschleimhaut auf, Patienten mit schwerem und unkontrolliertem Asthma eine Mangelproduktion an antiinflammatorischen Mediatoren.
Dass die Interventionsstudien zum Fischöl bisher nicht so überzeugend ausfielen wie die epidemiologische Studien, könnte eventuell an mangelnder statistischer Power und methodischen Schwächen liegen. Die vorhandene Evidenz deutet auf Nutzeffekte der Fischöl-Supplementation in der Schwangerschaft hin:
Omega-3-Fettsäuren müssen als essenzielle Nährstoffe mit der Nahrung zugeführt werden. Die amerikanische Empfehlung für Schwangere lautet: Zwei bis drei Fischmahlzeiten pro Woche, entsprechend 200-300 g, wobei auf geringen Bleigehalt geachtet werden sollte.
Serhan und Levy konkludieren: Ein Nutzen für das Kind von Frau ist wahrscheinlich gegeben, gleichzeitig sind Risiko, Kosten und Aufwand gering.
Nein, sagt Maria Makrides vom South Australian Health and Medical Research Institute in North Adelaide (Australien). Solch eine Entscheidung sollte auf der Basis von Leitlinienempfehlungen erfolgen und nicht aufgrund der Ergebnisse einer monozentrischen Studie. Zudem sind die bisherigen Daten bezüglich der erhofften Effekte der Omega-3-Fettsäuren-Supplementierung von Schwangeren auf die Atemwegsgesundheit des Nachwuchses widersprüchlich. Ein Grund dafür könnte die Schwierigkeit der Asthma-Diagnose in der frühen Kindheit sein, in der bis zu zehn Atemwegsinfektionen jährlich keine Seltenheit sind.
Abgesehen von Allergie und Asthma kann es eine Prophylaxe-Indikation für die Supplementierung aus geburtshilflicher Sicht geben. Denn die Omega-3-Fettsäuren verlängern die Schwangerschaftsdauer. Damit ist einerseits eine Reduktion der Frühgeburtsrate assoziiert, andererseits aber auch eine Erhöhung der Rate an geburtshilflichen Interventionen wegen Übertragung.
Der Rat von Makrides lautet deshalb: Die besorgte Mutter sollte nach der Geburt die Angebote der Regelversorgung nutzen, um eventuelle Hinweise auf persistierende Kurzatmigkeit oder Asthma bei ihrem Kind zu erfassen.
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