Vom Karneval über die grippale Herzgefährdung zum Impfappell …
In Berlin kann es passieren, dass man erst über die Medien oder mit Blick auf das tagesaktuelle Google Doodle erfährt, dass der Karneval gerade seinem finalen Höhepunkt zustrebt. In rheinischen Gefilden ist so etwas völlig undenkbar. Dort endet die fünfte Jahreszeit in einer wirklich beeindruckenden kollektiven Massensause, der man sich praktisch nicht entziehen kann (außer durch Flucht). Bemerkbar macht sich das auch bei den Öffnungs- oder besser gesagt Schließungszeiten der örtlichen Lungenarztpraxen, wie zwei willkürlich gegoogelte Beispiele und ein Kontroll-Befund zeigen:
Beispiel Köln (1):
Urlaub Karneval
Liebe Patienten,
Die Praxis bleibt von Donnerstag, den 8.2.18 bis einschließlich Dienstag, 13.2.18 geschlossen. In dringenden Fällen wenden Sie sich bitte an Ihren Hausarzt oder den ärztlichen Notdienst im Krankenhaus Köln Kalk, Telefon: 82895100.
Ihr Praxisteam
Wir wünschen Ihnen schöne Karnevalstage
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Beispiel Köln (2):
Öffnungszeiten über Karneval 2018:
Weiberfastnacht: 8.00 bis 11.00 Uhr
Rosenmontag: geschlossen
Veilchendienstag: 8.00 bis 11.00 Uhr
Aschermittwoch: 8.00 bis 11.00 Uhr
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Beispiel Berlin:
Sprechstunde:
Mo: 09 - 13 und 14 - 18 Uhr
Di: 09 - 13 und 14 - 18 Uhr
Mi: 09 - 13 Uhr
Do: 09 - 13 und 14 - 18 Uhr
Fr: 09 - 13 Uhr
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Wir grüßen unsere links- und rechtsrheinischen Kolleginnen und Kollegen – und natürlich auch alle anderen landauf landab – mit einem herzlichen Alaaf und Helau!
Apropos gute Stimmung: Die kann als Maßnahme zur betrieblichen Gesundheitsförderung – beispielsweise in der Arztpraxis oder im Krankenhaus – gar nicht überbewertet werden. Und sie wird zudem noch von den Patienten sehr geschätzt! Darauf wies schon vor zwei Jahren ein Beitrag in der Ärzte Zeitung hin. Zitiert wurde eine (nicht-repräsentative) Internet-Umfrage des Arztbewertungsportals jameda, an der nach eigenen Angaben 1.391 Menschen teilnahmen. Unter anderem wurde nach der Bedeutung eines freundlichen Umgangs innerhalb des Praxisteams gefragt. Diesen fanden wichtig:
Bei der Einschätzung der (kurzen) Wartezeiten als Wohlfühlfaktor sah die Verteilung mit 87%, 81% und 63% übrigens ähnlich aus.
Die gute Stimmung kann gerade nach dem Faschingsfinale in der Arztpraxis besonders wichtig werden, wenn ein erhöhter Arbeitsanfall bewältigt werden muss. Denn das lockere bis wilde Treiben mit viel Alkohol, wenig Schlaf und leichter Bekleidung bei niedrigen Temperaturen erhöht nicht nur die Gefahr für banale Atemwegsinfekte, sondern vor allem auch für die echte Grippe.
Und damit sind wir wieder, wie bei unserem letzten Beitrag, beim Herz und dessen Gefährdung angelangt. Eine gerade im New England Journal of Medicine publizierte Arbeit1 bestätigt das bei einer Grippe deutlich erhöhte Herzinfarkt-Risiko. Das Besondere an der Studie im weniger verzerrungsanfälligen SCCS-Design (Self Controlled Case Series: jeder Proband dient als seine eigene Kontrolle): Erstmals wurde der Zusammenhang im Kontext einer labordiagnostisch gesicherten Influenza-Diagnose nachgewiesen. Die kanadischen Wissenschaftler analysierten dafür die – im Gegensatz zu Deutschland – flächendeckende Datenlage der staatlichen Krankenversicherung, in diesem Fall für die Provinz Ontario.
Zwischen 2009 und 2014 fanden sich 364 Patienten mit laborbestätigter Influenza, die im Jahr vor oder nach dem positiven Virustest wegen eines akuten Myokardinfarkts hospitalisiert wurden. Als "Risikointervall" definierten die Forscher die ersten 7 Tage nach der Probenentnahme, als "Kontrollintervall" jeweils 1 Jahr vor und nach dem Risikointervall.
Der Rest ist in erster Linie Zähl- und Rechenarbeit: 20 Einweisungen erfolgten in der vulnerablen ersten Post-Diagnose-Woche, 344 im 103-wöchigen Kontrollzeitraum. Zusammengefasst lauten die Ergebnisse:
Zwar erwies sich das Herzinfarkt-Risiko bei Personen, die trotz Influenza-Impfung an der Grippe erkrankten (etwa ein Drittel), als ebenso hoch wie bei den Nichtgeimpften. Die Studie war aber nicht auf eine Evaluation der Impfstoff-Effektivität in dieser Hinsicht ausgelegt und dafür zu klein, wie die Studienautoren betonen. Sie verbinden ihren Evidenzbeitrag zur Influenza-bedingten Auslösung kardiovaskulärer Ereignisse vielmehr mit einem Appell zur Verbesserung der gegenwärtig suboptimalen Durchimpfungsraten in den gefährdeten Patientenpopulationen (zu denen bekanntlich u.a. Asthma- und COPD-Patienten zählen).
Ins gleiche Horn stößt Prof. Andreas Zeiher (Frankfurt am Main), künftiger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) auf Medscape. Er lobt die kanadische Studie, die "hierzulande so gar nicht möglich" sei und geht "fest davon aus, dass die Ergebnisse von Kwong und seinen Kollegen auch für Deutschland gelten". Der Kardiologe propagiert "die Grippe-Impfung vor allem bei älteren Menschen". Zeiher weist darauf hin, dass 40-60% der geimpften Menschen zumindest keine Influenza-Pneumonie entwickeln. "Und diese Personen haben dann auch ein niedrigeres Infarktrisiko."
Teil 2 des Beitrags folgt.
Referenzen:
1. Kwong JC et al. Acute Myocardial Infarction after Laboratory-Confirmed Influenza Infection. N Engl J Med 2018; 378:345-53