Auch ein halbes Jahrhundert nach Einführung der ersten Inhalatoren schafft es nur ein Teil der Patienten, die verordneten Sprays richtig anzuwenden. Welche Fehler sind am häufigsten?
Aus der Praxis kennt man das: Die beste Medikationsplan nützt nichts, wenn die verordneten Medikamente nicht richtig angewendet werden. Dabei geht es nicht nur ums Wollen oder "Daran denken", sondern häufig auch ums Können. Das gilt besonders in der Inhalationstherapie bei Asthma- und COPD-Patienten. Schon kurz nach der Einführung der ersten Dosier-Aerosole in den 1960er Jahren zeigte sich, dass Anwendungsfehler den Therapieerfolg beeinträchtigen. Hat sich die Situation in den letzen 40 Jahren verbessert?
Ein systematischer Review1 des europäischen Aerosol Drug Management Improvement Teams (ADMIT) gibt darauf eine klare Antwort: Nein. Trotz der Entwicklung moderner Geräte und diverser Schulungsmaßnahmen ist demnach eine falsche Inhalationstechnik "inakzeptabel häufig" anzutreffen. Die Autoren sehen deshalb "einen dringenden Bedarf an neuen Ansätzen in der Schulung und der Wirkstoffapplikation".
Die Experten wühlten sich durch die internationale Literatur von 1975 bis 2014 und identifizierten schließlich 144 Publikationen, die konkrete Angaben zur Inhalationstechnik und den direkten Beobachtungen durch geschultes Personal enthielten. In Summe waren das fast 60.000 Inhalationen bei über 54.000 Patienten.
Beim Umgang mit Dosier-Aerosolen (MDI) waren die häufigsten Fehler:
Beim Umgang mit Trockenpulver-Inhalatoren (DPI) waren die häufigsten Fehler:
Alles in allem wendeten nur 31% der Patienten ihre Inhalativa tatsächlich korrekt an, ebenso viele dagegen schlecht. In 41% der Fälle wurde die Technik als akzeptabel beurteilt, was bedeutet: annähernd 80% der Inhalationsschritte richtig ausgeführt, kein kritischer Fehler.
Die Review-Autoren teilten den überblickten Literaturzeitraum in zwei 20-Jahres-Blöcke ein und schauten nach Unterschieden zwischen beiden hinsichtlich Fehlerhäufigkeit und Inhalationsqualität. Sie fanden aber keine, die statistisch signifikant gewesen wären. In der entsprechenden Abbildung sieht es allerdings so aus, als habe der Anteil der korrekten Anwendungen im vergangenen Jahrzehnt sogar deutlich abgenommen.
Jedenfalls spricht einiges dafür, dass es tatsächlich am fehlerhaften Gebrauch der Inhalatoren liegen könnte, wenn im Praxisalltag nicht die dieselben Wirksamkeitsquoten wie in klinischen Studien erzielt werden. Für die Teams in der pneumologischen und in der hausärztlichen Praxis sowie in der Apotheke bedeutet das: Auf eine gründliche Schulung und regelmäßige Kontrollen der Inhalationstechnik kann gar nicht genug Wert gelegt werden. Das setzt natürlich die genaue Kenntnis nicht nur der verfügbaren Wirkstoffe, sondern auch der verfügbaren Applikatoren und ihrer speziellen Eigenschaften voraus.
Eine Beobachtungsstudie2 mit 312 Patienten bestätigte am Beispiel Turbohaler kürzlich die Fortschritte, die mit wiederholtem Techniktraining erreicht werden können. Die Patienten kamen dazu an drei Terminen monatlich in die Praxis. Nach dem dritten Besuch hatten sich die Punktwerte zur Beurteilung des siebenstufigen Inhalationsmanövers gegenüber dem ersten Schulungstermin signifikant erhöht (von 5,9 auf 6,8). Die Krankheitskontrolle war beim zweiten Termin schon um mehr als 20% gestiegen (von 54% auf 75%) und nahm im Folgemonat nochmal leicht zu (auf 77%). Das subjektive Beschwerdebild und die Lebensqualität der Patienten verbesserte sich innerhalb der drei Monate ebenfalls signifikant.
Schließlich zeigt noch eine dritte, ganz aktuelle Kohortenstudie3, wie Sie mit Ihrem Verordnungsverhalten die Adhärenz Ihrer Inhalations-Patienten fördern oder eben auch erschweren können. Es geht um die Verschreibung mehrerer Inhalatoren, die in der Anwendung eine gleichartige oder unterschiedliche Inhalationstechnik erfordern. Dafür wurden zwei gematchte Kohorten mit jeweils 8.225 COPD-Patienten gebildet. Die Patienten waren durchschnittlich 67 Jahre alt, zu 57% männlich und zu 37% aktive Raucher.
In der Kohorte, in der die Patienten nur ähnliche Inhalatortypen verordnet bekommen hatten, lag die Inzidenz an Exazerbationen im Follow-up-Jahr um 18% niedriger als in der anderen Kohorte mit gemischter Gerätschaft. Außerdem war im ersteren Fall die Wahrscheinlichkeit für den täglichen Gebrauch an höher dosierter Bedarfsmedikation in Form von kurzwirksamen Betamimetika (SABA) deutlich geringer (um 46%).
Und noch ein Wort zur Verordnung: Mit dem Aut-idem-Kreuz kann der Austausch des verordneten Inhalators durch ein anderes, etwa billigeres Gerät in der Apotheke verhindert werden. Das machen die Spezialisten in Deutschland offenbar auch. Jedenfalls gaben es mehr als 97% von über 300 Pneumologen in einer Befragung4 an. Dies könnte den Hausärzten als Beispiel dienen, die sich nach Meinung eines Verbandsexperten mit der Aut-idem-Option schwerer tun.
Allerdings wäre es falsch, der Apotheke hier nur die Rolle des verlängerten Arms der GKV-Kostendämpfung zuzuschreiben. Denn auch ein gutes Apotheken-Team weiß um die Problematik und kann einerseits Verordnungsfehler ausgleichen sowie andererseits zur Vermittlung und Kontrolle der korrekten Inhalationstechnik beitragen. Nach 40 Jahren ist es jedenfalls an der Zeit, die Situation mit vereinten Kräften deutlich zu verbessern.
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