Ist der Diabetes im Röntgen-Thorax zu erkennen?

Epidemiologische Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jeder zehnte Bürger in den westlichen Industrieländern von einem Diabetes mellitus – vorrangig Typ 2 – betroffen ist. Eine entsprechende Dunkelziffer kommt hinzu und die ohnehin schon erschreckend hohe Prävalenz steigt offenbar auch noch rapide an.

Epidemiologische Schätzungen gehen davon aus, dass etwa jeder zehnte Bürger in den westlichen Industrieländern von einem Diabetes mellitus – vorrangig Typ 2 – betroffen ist. Eine entsprechende Dunkelziffer kommt hinzu und die ohnehin schon erschreckend hohe Prävalenz steigt offenbar auch noch rapide an.

Den pathophysiologischen Wechselbeziehungen zwischen Stoffwechsel und Lunge wird zunehmend Beachtung geschenkt, auch auf den großen Kongressen der diabetologischen und pneumologischen Fachgesellschaften. In der Juli-Ausgabe des Pneumologen ist soeben ein Übersichtsbeitrag zum Thema "Diabetes und Lunge" erschienen, aus dem wir einige Multiple-Choice-Fragen für Sie generiert haben. Die erste Tranche gab es im letzten Beitrag, hier folgt nun Teil 2.

Mehrfachantworten sind möglich, die Lösungen finden Sie unten.

1. Welche Aussage zur Bildgebung ist falsch?

  1. Im Röntgen-Thorax können Verkalkungen der Aorta oder multiple Spondylophyten Anzeichen für eine diabetische Stoffwechsellage sein.
  2. COPD-Patienten ohne relevantes Emphysem sind häufiger von Diabetes und metabolischem Syndrom betroffen als COPD-Patienten mit Emphysem.
  3. Bei Diabetes-Patienten ist mit einer atypischen Manifestation von Infektionen zu rechnen, auch in der Bildgebung.
  4. Die Erkrankungsschwere einer Infektion mit Influenza, Pilzen oder atypischen Erregern wird bei Diabetes-Patienten – wie bei anderen Formen einer Immunschwäche – im Röntgen-Thorax möglicherweise initial unterschätzt.
  5. Bei Hyperglykämie (> 150-200 mg/dl) ist im Rahmen einer FDG-PET/CT-Untersuchung die FDG-Aufnahme in den Tumor erhöht. Dies kann zu falsch-positiven Ergebnissen führen.
     

2. Welche Aussagen zum Schlaf sind richtig?

  1. Schlafentzug beeinflusst sogar bei gesunden Erwachsenen den Zuckerstoffwechsel und kann eine Insulinresistenz verursachen.
  2. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes ist recht häufig eine obstruktive Schlafapnoe (OSA) anzutreffen. Umgekehrt liegt das Diabetes-Risiko für OSA-Patienten bei bis zu 29%.
  3. Auf die mittels HbA1c-Wert gemessene Blutzuckereinstellung hat der Schweregrad einer OSA keinen Einfluss.
  4. Bei unbehandelten OSA-Patienten ist der Diabetes deutlich schlechter einstellbar als bei Patienten ohne OSA.
  5. Die Frequenz nächtlicher Sauerstoffentsättigungen lässt sich bei Patienten mit Typ-2-Diabetes durch eine bessere Blutzuckerkontrolle deutlich senken.
  6. Die Gefahr der Verschlechterung einer OSA aufgrund gewichtssteigernder Effekte einer Insulin-Therapie ist dank moderner Präparate vernachlässigbar.
  7. Die Überweisung eines Diabetes-Patienten ins Schlaflabor und eines OSA-Patienten zum Diabetologen ist jeweils nur in Ausnahmefällen zu erwägen.
     

3. Ist eine der folgenden Aussagen zu obstruktiven Lungenerkrankungen nicht richtig?

  1. Kinder mit Typ-1-Diabetes haben überraschenderweise signifikant seltener Symptome eines Asthma bronchiale oder einer allergischen Rhinitis. Umgekehrt ist das Diabetes-Risiko für Asthma-Patienten doppelt so hoch wie für Menschen ohne Asthma.
  2. Adipositas ist kein unabhängiger Risikofaktor für Diabetes und Asthma.
  3. Asthma und metabolisches Syndrom verschlechtern die Lungenfunktion synergistisch, ebenso wie Insulinresistenz und Adipositas.
  4. Fast alle Diabetes-Patienten sind bei einer akuten COPD- oder Asthma-Exazerbation hyperglykämisch. Auch unabhängig von einem klinisch manifesten Diabetes ist der Blutzucker bei Exazerbationen in bis zu 80% der Fälle erhöht. Eine solche Hyperglykämie kann therapeutisch durch Glukokortikoide oder hochdosierte β‑2-Sympathomimetika sowie stressbedingt verursacht sein.
  5. Im Fall einer akuten Exazerbation spielt eine alleinige Hyperglykämie prognostisch offenbar keine Rolle. Für Diabetes-Patienten ist das Sterblichkeitsrisiko allerdings deutlich erhöht, was vermutlich der kardiovaskulären Komorbidität zuzuschreiben ist.
     

4. Welche Aussagen zum Bronchialkarzinom sind korrekt?

  1. Diabetes mellitus gilt insbesondere bei Frauen als ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Bronchialkarzinoms.
  2. Alter, Ernährung und Rauchen zählen zu den gemeinsamen Risikofaktoren für die Entstehung von Bronchialkarzinomen und Diabetes-Erkrankungen. Die Rolle der Hyperglykämie als eigenständiger Risikofaktor ist nicht geklärt.
  3. Eine Hyperinsulinämie aktiviert möglicherweise Stoffwechselwege, die in die Karzinogenese involviert sind.
  4. Gründe für eine erhöhte Mortalität von Patienten mit Bronchialkarzinom und Diabetes sind: eine höhere kardiovaskuläre Komorbidität, vermehrte postoperative Komplikationen und ein häufigeres Auftreten von Pneumonien.
  5. Der Nutzen einer Metformin-Therapie zur Verbesserung des progressionsfreien Überlebens bei Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom im Stadium I oder II nach Resektion ist klar belegt.
     

5. Diabetes und Lungengefäße: Was stimmt?

  1. Die Insulinresistenz ist als Risikofaktor für die Entwicklung einer pulmonalarteriellen Hypertonie beschrieben und der HbA1c-Wert als Prognoseparameter bei pulmonaler Hypertonie diskutiert worden.
  2. Der Diabetes hat keinen Einfluss auf das Risiko, eine pulmonale Hypertonie zu entwickeln.
  3. Bei Diabetes-Patienten sind die Hyperkoagulabilität und das häufigere Auftreten von Lungenembolien zu beachten.
  4. Bisher gibt es keine Evidenz für einen positiven Effekt der Diabetes-Einstellung im Hinblick auf pulmonale Hypertonie oder Lungenembolie.
  5. Klar belegt ist dagegen, dass die Behandlung der pulmonalen Hypertonie die Diabetes-Einstellung erleichtert.
     

6. Ambulant erworbene Pneumonie und Hyperglykämie: Was ist falsch?

  1. Diabetes-Patienten tragen ein erhöhtes Pneumonie-Risiko und sind stärker durch pulmonale Infektionen mit seltenen Erregern gefährdet.
  2. Begünstigende Faktoren sind: eine verminderte Immunantwort, ein erhöhtes Aspirationsrisiko, eine pulmonale Mikroangiopathie und möglicherweise die leicht eingeschränkte Lungenfunktion.
  3. In einer prospektiven Kohortenstudie (CAPNETZ) wurde bei 38% der stationär eingewiesenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie eine Hyperglykämie festgestellt.
  4. Bereits eine leichte bis moderate Hyperglykämie von 6-11 mmol/l bei Aufnahme war mit einer erhöhten Mortalität assoziiert. Besonders ungünstig war die Prognose für Patienten mit einem Blutzucker von über 14 mmol/l.
  5. Die Sterblichkeitsrate war unabhängig davon, ob bei den Patienten bereits vorher die Diabetes-Diagnose gestellt worden war oder nicht.
  6. Bei Patienten mit ventilatorassoziierter Pneumonie hat der Diabetes, unter Berücksichtigung der Komorbiditäten, keinen Einfluss auf die Mortalität.
     

7. Welche Aussagen zu Tuberkulose und Diabetes sind richtig?

  1. Der Diabetes verdreifacht das Risiko einer aktiven Tuberkulose (Tbc), wobei Schätzungen zufolge die Hälfte aller Diabetiker und ein Drittel der Patienten mit Tbc nicht diagnostiziert sind.
  2. Eine nichtdiagnostizierte Tbc kann eine Insulinresistenz oder eine schwere Einstellbarkeit des Zuckerstoffwechsels bedingen.
  3. Klinische Symptomatik, Therapieansprechen und Prognose unterscheiden sich bei Tbc-Patienten mit und ohne Diabetes nicht voneinander.
  4. Nach abgeschlossener Therapie ist das Risiko einer Reaktivierung bei Tbc-Patienten mit Diabetes deutlich erhöht. Deshalb wird in einigen Ländern eine verlängerte Therapiedauer von mindestens neun Monaten diskutiert.
  5. Nicht untypisch bei Patienten mit Tbc und Diabetes sind eine nichtsegmental begrenzte Verteilung und der Befall basaler Lungensegmente. Ausgeprägte Läsionen im CT-Befund mit mottenfraßähnlichen Kavernen und bronchialer Beteiligung legen den Verdacht einer multiresistenten Tbc nahe.

Referenz: Wilkens H, Leser D. Diabetes und Lunge. Was der Pneumologe wissen sollte. Pneumologe 2017;14(4):219-27.

Abkürzungen: FDG-PET = Fluorodeoxyglukose-Positronenemissionstomographie

Antworten: 1e; 2a-e; Ja: 3b; 4a-d; 5a,c,d; 6a-d; 7a-e