Wir bleiben beim Thema Verordnung und Adhärenz. Hier bricht mit dem neuen Jahr weiteres Ungemach herein, und zwar von ganz oben. Es geht um den Medikationskatalog der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der seit dem 1. Januar 2017 in manchen KV-Regionen bereits verbindlich ist. Die Deutsche Atemwegsliga betitelt ihre diesbezügliche Stellungnahme, die gerade auch im Fachjournal Pneumologie veröffentlicht wurde, von einem „Anschlag auf die personalisierte Medizin“. Ist die Wortwahl übertrieben?
Um es gleich vorwegzunehmen: Nein, wir halten die drastische Formulierung für berechtigt und wundern uns eher, dass das Thema in der fachöffentlichen Diskussion keine große Rolle (mehr) zu spielen scheint. Gut, es gab schon vor Jahren Widerstand seitens des Deutschen Hausärzteverbandes, auf dessen Fachgruppe diese Maßnahme zur Steuerung der Arzneimittelversorgung vorrangig zielt. Und es gibt aktuell hier und da ein paar Kommentare von Kollegen, die ihren Unmut im digitalen Forumskreis äußern. Aber sonst?
Es wird halt hingenommen, offenbar. Der Hinweis, dass es sich um keine Positivliste handele und "die freie Therapieentscheidung im Einzelfall" davon unberührt bleibe, scheint zur Beruhigung auszureichen.
Richtig: Wirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz sollten und müssen auch im Gesundheitswesen berücksichtigt werden, keine Frage. Aber wenn die sogenannte Wirtschaftlichkeit, genauer gesagt, das schiere Geldsparen, an die erste (und vielleicht sogar einzige) Stelle der Steuerungsmaßnahmen rückt, dann läuft etwas grundlegend falsch. Wo bleibt die Fokussierung auf die primär wichtigen Ziele Präventions- und Therapieerfolge, verlängertes Überleben, verbesserte Lebensqualität, mehr Gesundheit für die zu versorgenden Menschen?
Der Medikationskatalog ist einer der drei Bestandteile des Zukunftskonzepts zur Arzneimittelversorgung der KBV und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Die anderen beiden sind die Wirkstoffverordnung und das Medikationsmanagement.
Das "Rationale" der KBV für die Entwicklung des Medikationsplans2 gründet auf folgenden vier Punkten:
Neben der Antibiotikatherapie der oberen und unteren Atemwege zählen auch Asthma und COPD zu den bisher 14 Indikationen, bei denen der Medikationskatalog den Verschreibern "Hilfestellung" bieten soll. Und zwar durch die Einordung in drei Kategorien:
Haben Sie sich den Medikationskatalog schon mal angeschaut? Im "Standard" finden sich Altsubstanzen und Monopräparate, unter "Reserve" Fenoterol, Fluticason und alle ICS/LABA-Fixkombinationen und unter "nachrangig" Mepolizumab. "Nachrangig" wird hier offenbar als quantitativer Begriff interpretiert. Es stimmt, nur für einen kleinen Teil der Asthma-Patienten kommt der IL-5-Antikörper in Frage. Für die Betroffenen ist seine therapeutische Wirksamkeit aber alles andere als "nachrangig."
Wird hier der therapeutische Fortschritt zurückgedreht? Mehr dazu im zweiten Teil des Beitrags.
Referenz:
Worth H et al.: Medikationskatalog zur Behandlung von Asthma und COPD - ein Anschlag auf die personalisierte Medizin? Stellungnahme der Deutschen Atemwegsliga. Pneumologie 2017;71(01):15-6.