Wir befinden uns in einer kritischen Phase des Jahres. Das ist zwar Ende Januar eigentlich noch recht jung. Beim Blick auf die guten Vorsätze fürs neue Jahr und deren praktische Umsetzung sieht so mancher aber schon wieder ganz schön alt aus. Nehmen wir zum Beispiel die körperliche Bewegung: Sind Ihre COPD-Patienten mit mehr Lungensport ins Jahr 2018 gestartet? Für diesen ärztlichen Vorsatz hatten wir hier im Blog vor einem Jahr geworben. Nicht nur der Körper, auch die Seele profitiert davon.
Klar: Zwingen können Sie Ihre lungenkranken Patienten zur gesundheitsfördernden Bewegung nicht. Aber informieren, beraten, ermuntern, motivieren, überzeugen, anleiten, verordnen oder auch beim Reha-Antrag helfen. Schließlich lautet das siebte der zehn COPD-Gebote: "Unterstütze körperliches Training!" Davon wird allerdings immer noch zu wenig Gebrauch gemacht.
Schön und gut – aber wie sieht es, mal abgesehen vom inneren Schweinehund des Patienten, mit den Komorbiditäten aus? Die sind häufig und ein weiterer Grund für konsequente therapeutische Bewegung. Wissen Sie, welche Begleiterkrankungen die Liste auf den Plätzen eins bis drei anführen?
Diese Angaben (hier gerundet) sind ein Ergebnis der DACCORD-Registerstudie1, für die ambulante "Real-life"-Daten, überwiegend aus pneumologischen Praxen, von knapp 6.000 COPD-Patienten ausgewertet wurden. Die prospektive, longitudinale Beobachtungsstudie hat der Hersteller Novartis unter dem Titel "DACCORD – Die ambulante Versorgung mit langwirksamen Bronchodilatatoren: COPD-Register in Deutschland" aufgelegt.
Falls Sie die Daten noch nicht kennen sollten: Merkmale des "typischen" deutschen COPD-Patienten sind demnach
Fast 97% der Studienteilnehmer wiesen Symptome auf und über 78% berichteten von mindestens einer Begleiterkrankung, am häufigsten von einer kardiovaskulären (siehe oben). Probleme mit Herz und Kreislauf gibt es – wenig verwunderlich – mit zunehmendem Alter immer häufiger (< 65 Jahre: 39%; 65-75 Jahre: 59%; > 75 Jahre: 72%).
Mit dem Sprung vom Bewegungsbedarf über die Komorbiditäten sind wir nun beim Herz des COPD-Patienten gelandet. Es kann durch die duale Bronchodilatation offenbar gestärkt werden. Das ist das Ergebnis der CLAIM-Studie2 mit 62 Patienten, die eine moderate bis schwere COPD mit Lungenüberblähung (Residualvolumen > 135% Soll) aufwiesen. Im Webinar bezeichnet Prof. Michael Dreher (Uniklinik RWTH Aachen) die randomisierte, doppelblinde, plazebokontrollierte, monozentrische Cross-over-Studie als "extrem gut durchgeführt". Und als "ganz wichtige mechanistische Studie".
Nach zweiwöchiger Behandlung mit Indacaterol/Glycopyrronium zeigte sich in der Kardio-MRT im Vergleich zu Plazebo eine signifikante Zunahme des linksventrikulären enddiastolischen Volumens um 10,3 ml. Die Herzleistung nahm ebenfalls zu. Die mechanistische Erklärung für diesen Erfolg liefert die deutliche Lungenentblähung, die neben der Atemwegserweiterung erzielt werden konnte: Das Residualvolumen verminderte sich im Schnitt um 750 ml.
Wie sich angesichts der untersuchten Bronchodilatator-Kombi vermuten lässt, wurde diese (noch nicht publizierte) Studie ebenfalls von Novartis gesponsert, das Webinar übrigens auch. Aber das tut in diesem Fall der Relevanz der er- bzw. vermittelten Fakten keinen Abbruch. "Diese Studie wird Geschichte schreiben", wurde Prof. Marek Lommatzsch (Uniklinikum Rostock) kürzlich in der Ärzte Zeitung zitiert. Die Äußerung des Pneumologen fiel während einer Veranstaltung des Pharmaunternehmens Berlin-Chemie, das ebenfalls mit einem dualen Bronchodilatator auf dem Markt unterwegs ist (siehe unten).
Lommatzsch weiter: "Vor 15 Jahren war der Therapiestandard noch ICS/LABA – zu Recht. Aber, die Zeit ist vorbei. Heute ist es die Kombination LAMA/LABA. Wir leben im Zeitalter der dualen Bronchodilatation."
So sieht das auch das internationale GOLD-Expertengremium unter dem wissenschaftlichen Vorsitz von Prof. Claus Vogelmeier (Uniklinikum Marburg): Im GOLD Report 2017 wurde die Rolle der dualen Bronchodilatation gestärkt und wird nun offiziell als mögliche Option bei einem Großteil der COPD-Patienten empfohlen (Gruppen B-D nach GOLD-Schema).
Dank der starken Entblähung können die Patienten wieder tiefer durchatmen und sich besser belasten. So schließt sich der Kreis: Die inhalative Therapie übt einen positiven kardialen Effekt aus und eine verbesserte Herzleistung geht häufig Hand in Hand mit einer gesteigerten Aktivität. Das hat unter anderem die ACTIVATE-Studie3 mit der LAMA/LABA-Kombination Aclidinium/Formoterol (Sponsor: Berlin-Chemie) bestätigt. Der Patient muss sich allerdings auch tatsächlich bewegen, nur die Medikamente einnehmen reicht leider nicht …
Die funktionelle Residualkapazität morgens vor der Inhalation (Trough-FRC) hatte nach vier Wochen gegenüber Plazebo um 200 ml abgenommen. Auch andere Lungenfunktionswerte besserten sich deutlich, ebenso wie das Durchhaltevermögen und die körperliche Aktivität. Nach acht Wochen legten die Teilnehmer im Verum-Arm im Vergleich zur Plazebo-Gruppe über 500 Schritte mehr am Tag zurück. Weitere Details zu dem interessanten Studiendesign und den Ergebnissen finden Sie hier.
Die Bronchodilatation, zumal die duale mit ihrer kombinierten Power, scheint also gut fürs Herz der COPD-Patienten zu sein. Aber ist das die ganze Wahrheit? War das nicht noch was, was es zu beachten gilt? Dieser Frage widmen wir uns im nächsten Beitrag.
Referenzen:
1. Worth H et al. The 'real-life' COPD patient in Germany: The DACCORD study. Respir Med 2016;111:64-71
2. Hohlfeld et al. Lung deflation with Indacaterol/Glycopyrronium improves cardiac function in COPD patients: The CLAIM Study. ERS Congress, 2017; Abstract: 5465
3. Watz H et al. ACTIVATE: the effect of aclidinium/formoterol on hyperinflation, exercise capacity, and physical activity in patients with COPD. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2017;12:2545-58
Abkürzungen:
DGP = Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.
ERS = European Respiratory Society (International Congress)
GOLD = Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
ICS = inhalative Kortikosteroide
LABA = langwirksame Betamimetika
LAMA = langwirksame Anticholinergika
MRT = Magnetresonanztomographie