Wohl dem, der selbst atmen kann. Wohl dem aber auch, der bei Bedarf eine häusliche Beatmung in suffizienter Form erhält. Selbstverständlich ist das leider nicht.
Mit der planmäßigen Erfassung und Auswertung von Versorgungsdaten haben es die Deutschen nicht so. Das gilt auch für die Zahl außerklinisch beatmeter Patienten, die erheblich im Steigen begriffen ist, worauf verschiedene Publikationen hinweisen. Eine davon ist die Revision 2017 der S2k-Leitlinie "Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz"1 (PDF-Link). Darin hält es die DGP für "durchaus wünschenswert, wenn auch aus Deutschland epidemiologische Zahlen veröffentlicht werden, was unter Zuhilfenahme des DRG-Systems durchaus machbar wäre."
Für diejenigen, die es nicht wissen: "S2k" bedeutet mittlere Entwicklungsstufe (Stufe 2 von drei) und konsensbasiert ("e" wäre evidenzbasiert). Im Rahmen der Leitlinienrevision wurde die Gestaltung der Kapitel erneuert, das Spektrum der beteiligten Fachgesellschaften verändert und natürlich aktuelle Literatur integriert.
Zur häuslichen Therapie mit nicht-invasiver Beatmung (NIV) bei COPD, einer der Hauptursachen der häufig multifaktoriell bedingten ventilatorischen Insuffizienz, findet sich darin folgender Algorithmus:
Kennen Sie diesen Algorithmus und berücksichtigen Sie diese nicht-medikamentöse Therapieoption bei Ihren Patienten mit persistierender Hyperkapnie nach einer akuten Exazerbation?
Falls (noch) nicht, sind Sie wohl nicht allein. Die Deutsche Atemwegsliga vemutete jedenfalls in einer Pressemitteilung im Mai letzten Jahres, dass die nicht-invasive, häusliche Beatmung "bislang noch wenig im Zentrum der Aufmerksamkeit von Lungenfachärzten und Patienten gestanden hat". Anlass für die Mitteilung war die Veröffentlichung einer britischen Studie2, deren Autoren zu folgendem Schluss kamen:
In die randomisierte kontrollierte Studie wurden 116 solcher Patienten aus 13 britischen Behandlungszentren aufgenommen. Alle erhielten zuhause eine Langzeit-Sauerstofftherapie, die im Interventionsarm mit einer nächtlichen Maskenbeatmung kombiniert wurde. 82 Patienten beendeten die 12-monatige Studie. Die Kaplan-Meier-Kurven zeigten einen klaren Vorteil bei zusätzlicher NIV:
Als zweiter positiver Effekt neben dem Auswaschen von CO2 wird die Erholung der Atemmuskulatur gesehen, die die nächtliche Beatmungstherapie ermöglicht. Deren positive Wirkung bei stabilen COPD-Patienten wurde bereits 2014 in einer deutsch-österreichischen Studie3 nachgewiesen. Daran beteiligt war mit Prof. Wolfram Windisch, Kliniken der Stadt Köln, der federführende Autor der S2k-Leitlinie zur außerklinischen Beatmung.
In der Pressemitteilung der Atemwegsliga äußerte er sich folgendermaßen: „Vielen Patenten, aber auch vielen niedergelassenen Ärzten, ist die Wirkung der häuslichen nächtlichen Beatmung noch nicht klar. Es wird eine wichtige Aufgabe in den nächsten Jahren sein, Versorgungskonzepte zu entwickeln, die die ambulante und stationäre Betreuung der Beatmungspatienten in Deutschland sicherstellen.“
Das ist sicher richtig, denn mit dem vermehrten Einsatz der NIV steigen auch die damit verbundenen Kosten. Trotzdem sollte neben dem Betreuungsangebot und dessen Qualität auch die Qualität der eingesetzten Gerätschaften sichergestellt werden. Und das unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des individuellen Patienten, um den es ja angeblich immer geht.
Ob in diesem Zusammenhang preisfokussierte Ausschreibungen bei Beatmungsgeräten der richtige Weg sind, darf bezweifelt werden. Solche Zweifel hegt auch Frank Plate, der Präsident des Bundesversicherungsamtes, das nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gegen mehrere große Ersatzkassen ermittelt. Laut FAZ hält Plate u.a. die Ausschreibungen der Barmer für Beatmungsgeräte für "nicht zweckmäßig".
Barmer-Chef Dr. Christoph Straub weist die Dumping-Vorwürfe zurück, wie die Pharmazeutische Zeitung online vor wenigen Tagen berichtete. "Weil wir in unseren Ausschreibungen den Qualitätsaspekt bereits in der Leistungsbeschreibung fixieren, werden unqualifizierte Produktangebote von vornherein ausgesiebt", wird Straub zitiert. Seiner Meinung nach wird dadurch verhindert, dass Patienten minderwertige Geräte erhalten. Das Preis-Leistungs-Verhältnis bei der Barmer-Ausschreibung für Atemtherapiegeräte sei vor kurzem von der 1. Vergabekammer des Bundes für korrekt befunden worden.
Dann ist ja alles in Ordnung. Oder etwa doch nicht? Uns sind da durchaus andere Ansichten von Patienten zu Ohren gekommen …
Referenzen:
1. Windisch W et al. S2k-Leitlinie: Nichtinvasive und invasive Beatmung als Therapie der chronischen respiratorischen Insuffizienz – Revision 2017. Pneumologie 2017;71:722-95
2. Murphy PB et al. Effect of Home Noninvasive Ventilation With Oxygen Therapy vs Oxygen Therapy Alone on Hospital Readmission or Death After an Acute COPD Exacerbation: A Randomized Clinical Trial. JAMA 2017;317:2177-86
3. Köhnlein T et al. Non‐invasive positive pressure ventilation for the treatment of severe stable chronic obstructive pulmonary disease: a prospective, multicentre, randomised, controlled clinical trial. Lancet Respir Med 2014;2:698-705
Abkürzungen:
DGP = Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V.
NIV = nicht-invasive Beatmung