Neuerung in der pulmologischen Diagnostik: Dunkelfeld-Röntgen

Die Technologie wurde vor Kurzem erstmals am Menschen untersucht. Sie könnte bei COPD und möglicherweise auch bei anderen Lungenerkrankungen eine Alternative zur CT mit geringerer Strahlendosis darstellen.

Die Technologie wurde vor Kurzem erstmals am Menschen untersucht. Sie könnte bei COPD und möglicherweise auch bei anderen Lungenerkrankungen eine Alternative zur CT mit geringerer Strahlendosis darstellen. 

Die konventionelle Röntgen-Bildgebung beruht auf der Abschwächung des Röntgenlichts auf seinem Weg durch das Gewebe. Ihre Möglichkeiten sind aber begrenzt. So kommen Strukturen im Weichgewebe, die Röntgenlicht schwach absorbieren, nur ungenau zur Darstellung. Auch gehen Informationen verloren, weil der Anteil des Lichtes, der im Gewebe ganz leicht von seinem Weg abgelenkt (gestreut) wird, nicht analysiert werden kann.1

"Ein schnelles und kostengünstiges Verfahren zur Früherkennung von Atemwegserkrankungen und zur Verlaufskontrolle mit geringer Strahlenbelastung fehlte bislang"

Die gitterbasierte Röntgen-Dunkelfeld-Bildgebung könnte diese Lücke schließen: sie ist eine neuartige Methode, die in den letzten zehn Jahren für biomedizinische Anwendungen verfeinert wurde. Die Technik nutzt das wellenförmige Verhalten von Röntgenstrahlen und verwertet auch die Anteile des Röntgenlichts, die gestreut werden und von konventionellen Röntgengeräten nicht erfasst werden können. Streuung tritt besonders stark an Grenzflächen zwischen Strukturen unterschiedlicher Elektronendichte auf, z. B. an den Grenzflächen zwischen Luft und Gewebe in der Lunge, was die Lunge zu einem Organ von besonderem Interesse für die Röntgen-Dunkelfeld-Bildgebung macht.2 

Der Name lässt den ein oder anderen vielleicht an die Dunkelfeldmikroskopie denken. Auch diese nutzt das physikalische Phänomen der Streuung, allerdings mit sichtbarem Licht. Sie kann so Strukturen weitgehend transparenter Objekte abbilden. Analog dazu lassen sich in einem Dunkelfeldbild der Lunge die feinen Unterschiede zwischen gesunden (luftgefüllten) und geschädigten Lungenbläschen sichtbar machen.
Die neue Technik ermöglicht auf diese Weise die Erkennung früher mikrostruktureller Veränderungen im Lungenparenchym und stellt eine sensitivere Alternative zu herkömmlichen Röntgenaufnahmen des Thorax dar, kommt dabei jedoch mit einem Fünfzigstel der in der CT üblichen Strahlendosis aus (effektive Dosis 0,035 mSv), da die Informationen im Gegensatz zur CT aus nur einer Aufnahme gewonnen werden.1

Daten zum ersten klinischen Einsatz: Präzisere Emphysemdiagnostik bei COPD

Die Technische Universität München (TUM) entwickelte das Verfahren und publizierte vor Kurzem die Ergebnisse einer ersten klinischen Studie im 'Lancet Digital Health'.1,3
Hierfür wurden 77 Patienten mit COPD rekrutiert, die sich einer medizinisch indizierten Thorax-CT sowie einer Lungenfunktionsuntersuchung unterzogen hatten. Patienten mit anderen Erkrankungen, die das Lungenparenchym beeinflussen könnten, wurden ausgeschlossen. Bei allen Patienten erfolgte eine Auswertung der Thorax-CTs und Dunkelfeld-Röntgenaufnahmen durch fünf unabhängige Untersucher.
Die Beurteilung des Emphysems im Dunkelfeld stand in Einklang mit den Ergebnissen der CT. Im Vergleich zu CT-basierten Parametern korrelierte das Dunkelfeldsignal stärker mit der Diffusionskapazität der Lunge. Obwohl das Dunkelfeldsignal mit abnehmender Lungenfunktion nachließ, berichteten die Forscher zudem eine schwache Korrelation mit dem Tiffeneau-Index (FEV1/FVC).

Fazit

Das Dunkelfeld-Röntgen könnte in Zukunft zu einer besseren Früherkennung von COPD und anderen Lungenpathologien beitragen, hofft die Forschungsgruppe, die weitere Studien und die Entwicklung marktfähiger Geräte voranbringen möchte.

Die Technologie muss zunächst an einer großen, repräsentativen Kohorte validiert werden, bevor sie als Screening-Instrument für etablierte Krankheiten in Betracht gezogen werden kann. Es ist erforderlich, die Dunkelfelddaten mit Längsschnittdaten, die beispielsweise auf einen Progress einer Atemwegsobstruktion schließen lassen, abzugleichen, um zu zeigen, ob die so festgestellten Abweichungen klinisch relevant sind, gibt ein begleitender Beitrag im Lancet zu bedenken.2
Doch auch dessen Autoren schließen optimistisch: "Das Dunkelfeld-Röntgen hat gezeigt, dass es ergänzende Bildgebungsinformationen über die Mikrostruktur der Lunge liefert, die über konventionelle Röntgenaufnahmen des Brustkorbs hinausgehen. In Tierstudien hat das Dunkelfeld-Röntgen auch eine bessere diagnostische Leistung als konventionelles Röntgen für den Nachweis von Lungenfibrose und akuter Lungenentzündung demonstriert, was darauf hindeutet, dass einige der größten potenziellen Einsatzmöglichkeiten für diese Technologie noch nicht erforscht sind."2

Referenzen:
1. Neue Röntgentechnologie im Patienteneinsatz. TUM https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/details/36891.
2. Ram, S. & Han, M. K. X-ray dark field imaging: a tool for early diagnosis of emphysema in chronic obstructive pulmonary disease? The Lancet Digital Health 3, e691–e692 (2021).
3. Willer, K. et al. X-ray dark-field chest imaging for detection and quantification of emphysema in patients with chronic obstructive pulmonary disease: a diagnostic accuracy study. The Lancet Digital Health 3, e733–e744 (2021).