Da wir gerade bei der ambulant erworbenen Pneumonie (community acquired pneumonia = CAP) waren: Nicht jeder, der wegen einer Pneumonie stationär aufgenommen wird, hat auch eine. Die Wahrscheinlichkeit entsprechender Fehldiagnosen bzw. Fehlkodierungen steigt mit Alter und Multimorbidität der Patienten. Was die vermeintlichen von den wahren CAP-Patienten klinisch unterscheidet, haben sich Auditoren der British Thoracic Society (BTS) genauer angeschaut.
Britische Fachgesellschaft bietet nationales Audit-Programm an
Die britische Fachgesellschaft bietet ein zehnteiliges klinisches Audit-Programm an, das auf nationaler Ebene sowohl adulte als auch pädiatrische Atemwegserkrankungen abdeckt (u.a. Asthma, COPD, CAP, NIV, Raucherentwöhnung). Die teilnehmenden Institutionen erhalten dadurch die Möglichkeit, Bereiche mit Verbesserungspotenzial zu identifizieren. Die nationalen Audit-Reports werden auf der BTS-Website frei zugänglich veröffentlicht.
Reduzierte Krankenhausmortalität, hohe Rate an Fehlkodierungen
Am 5. Audit zur Pneumonie (PDF-Link), das über 2 Monate (vom 1. Dezember 2014 bis zum 31. Januar 2015) lief, waren 158 Einrichtungen beteiligt. Sie lieferten den Auditoren fast 6.800 Patienten-Datensätze. Damit war diese Untersuchung das bis dahin größte BTS-Audit zur ambulant erworbenen Lungenentzündung. Die wesentlichen Ergebnisse lauten:
Nun hat dieselbe Auditoren-Gruppe Audit-Ergebnisse vom Nottingham University Hospital in der Fachzeitschrift Thorax veröffentlicht1. Bei 6.660 Patienten konnte das Audit-Team die CAP-Diagnose als primäre Entlassungskodierung bestätigen, während 1.251 Patienten eine Fehldiagnose erhalten hatten bzw. die akzeptierten diagnostischen Kriterien einer Pneumonie nicht erfüllten. Als solche galten Symptome einer tiefen Atemwegsinfektion in Kombination mit neu aufgetretenen Infiltraten im Röntgenthorax. Gemäß der Einschlusskriterien waren alle Patienten immunkompetent und nicht innerhalb von 10 Tagen vor der stationären Aufnahme aus dem Krankenhaus entlassen worden.
Ohne CAP etwas bessere Prognose
Ein Schlüsselziel der Untersuchung bestand in der Erfassung der klinischen Charakteristika und Ergebnisse dieser fehldiagnostizierten Patienten. Folgende Unterschiede zu den tatsächlichen CAP-Patienten zeigte das Audit auf:
Ohne wirkliche CAP war die Prognose also etwas günstiger.
Bronchitis statt Pneumonie?
Eine Pneumonie frühzeitig allein anhand des Klinik- und Röntgenthorax-Befundes zu stellen, ist bekanntlich nicht ganz einfach. Die Ergebnisse des britischen Audits bestätigen das, wie seine Autoren anmerken. Sie vermuten, dass es sich bei vielen Patienten mit Symptomen einer akuten Atemwegsinfektion, aber ohne auffälliges Röntgenbild, um eine akute Bronchitis handelte. Zudem dürften in einigen Fällen ganz andere Erkrankungen wie etwa eine Herzinsuffizienz als Pneumonie missgedeutet worden sein.
Die Relevanz des Audit-Befunds ergibt sich vor allem aus dem Umstand, dass bei einer Pneumonie-Fehldiagnose zum einen die Gefahr einer Unterbehandlung der eigentlichen (Haupt-) Erkrankung und zum anderen das Risiko einer unnötigen Antibiotika-Gabe steigt.
Und in Deutschland …?
Und wie sieht die Lage in Deutschland aus? Wir würden die Ergebnisse von der Brexit-Insel ja gerne mit den hiesigen vergleichen, uns ist aber kein deutsches Audit bekannt. Ihnen etwa? Die Idee dazu gibt es immerhin schon mal, jedenfalls in Ansätzen. Schauen Sie mal in die die aktuelle CAP-Leitlinie2. Ganz hinten, im letzten Kapitel "11.0 Qualitätssicherung" heißt es: "Es sollte ein Bündel für die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie formuliert, implementiert und regelmäßig auditiert werden. Moderate Empfehlung, Evidenz B."
Referenzen:
Daniel P et al. Adults miscoded and misdiagnosed as having pneumonia: results from the British Thoracic Society pneumonia audit.Thorax 2017. doi: 10.1136/thoraxjnl-2016-209405. [Epub ahead of print]
Ewig S et al. S3-Leitlinie: Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und Prävention – Update 2016. Pneumologie 2016;70:151–200.