Exzessiver Konsum von Lachgas kann dauerhafte Schäden am zentralen Nervensystem und Lähmungen hervorrufen. Denn N2O verändert die Struktur von Vitamin B12 so, dass es dem Körper nicht mehr zur Verfügung steht. Dies kann in einem Abbau der Myelinscheiden resultieren.2 Ein Ärzteteam der Sorbonne hat allein zwischen August 2020 und April 2021 im Pariser Norden sechs Männer und sechs Frauen im Alter von 19 bis 28 Jahren mit Degenerationen im Rückenmark und peripheren Neuropathien behandelt, die auf den regelmäßigen Abusus von Lachgas zurückzuführen waren.1 Alle Betroffenen präsentierten sich mit einer Ataxie der unteren Extremitäten (fünf davon konnten ohne Hilfe nicht mehr gehen), eine Person hatte Sehstörungen und zwei entwickelten psychotische Symptome. Sieben Patienten wiesen Symptome einer Rückenmarksschädigung auf (T2-Hyperintensitäten, pyramidale Reflexe, Lhermitte-Zeichen, vesiko-sphinkterische Störungen).
Die klinische Entwicklung nach einer Vitamin-B12-Substitution hängt möglicherweise von einer frühzeitigen Behandlung ab. Die Symptome besserten sich, doch einige sensorische und motorische Defizite blieben zurück. Die bei einer Person aufgrund von Wahnvorstellungen nötig gewordene psychiatrische Unterbringung hatte zu einer Verzögerung der B12-Gabe geführt.
Lachgas ist einfach zu bekommen und kostengünstig. Jedes Kind kann Sahnekapseln im Supermarkt kaufen. Einzelne setzen sogar unternehmerisch auf diesen Trend. Schon 2019 eröffnete in den Niederlanden, unweit der Grenze zu Deutschland, der erste Lachgas-Laden, wo sich Kunden für ein paar Euro mit einem gasgefüllten Ballon in alten Kinosesseln berauschen können. Auch in Vergnügungsvierteln werden Ballons auf offener Straße von fliegenden Händlern verkauft – und zwar en masse.3 Bereits in einem Bericht von 2019 wurde geschätzt, dass immer mehr Niederländer bis zu 50 Kartuschen am Tag inhalieren und das über einen längeren Zeitraum.4 Richtigen Auftrieb bekam diese Praxis aber nochmals über die letzten beiden Jahre.
...meint Dr. Michael McCormick, der medizinische Leiter des 'Healthcare Professionals Program' an einer bekannten Entzugsklinik in den USA. Im vergangenen Jahr hat auch er noch einmal einen sprunghaften Anstieg des Lachgasmissbrauchs bei Patienten gesehen, sagte er 2021 gegenüber der New York Times.5 Die meisten griffen zu Lachgas, um eine Dissoziation zu bewirken, so McCormick.
Viele weitere Fallberichte und Übersichtsarbeiten weltweit dokumentieren die steile Zunahme solcher Folgen in den letzten Jahren.6.7 Mindestens 7 der 12 Patienten aus der Pariser Fallserie begannen in 2020 oder 2021 mit dem Konsum, wobei die meisten das Maß eines rein sozialen oder "Partykonsums" überschritten. Einem Bericht der britischen Regierung von Dezember 2020 zufolge war Lachgas die zweithäufigste von Jugendlichen missbrauchte Substanz.8
Aufgrund der irreversiblen Inaktivierung von Vitamin B12 kann Lachgas-Übergebrauch auch zu einer Hyperhomocysteinämie führen, die einen Zustand der Hyperkoagulabilität darstellt. Berichte über arterielle thrombotische Ereignisse im Zusammenhang mit hochdosierter Exposition tauchen daher in jüngster Zeit ebenfalls auf. So beschreibt eine Kasuistik von Anfang 2021 einen ST-Hebungsinfarkt bei einem 27-jährigen Mann nach Inhalation von 3,3 kg (420 Ballons) Lachgas sowie Rauchen von vier Joints (potenziell zusätzlicher vasokonstriktiver Effekt).9 Ein erst dieser Tage publizierter Fall berichtet von einem jungen, vormals gesunden Mann mit ebenfalls erhöhtem Homocysteinspiegel nach chronischem Lachgasgebrauch, der eine beidseitige Lungenarterienembolie entwickelte.10
Weltweit ist der Missbrauch von N2O bereits für etliche Todesfälle verantwortlich.11 Des Weiteren sind Pneumomediastinum und Erfrierungen beschrieben. Problematisch sind auch die Kombination mit Alkohol oder anderen Drogen und Stürze durch plötzlich eintretende Bewusstlosigkeit.
Besser, als die Folgen zu behandeln, wäre eine gute Aufklärung. "Wirksame Botschaften, die sich an die Risikopopulation, aber auch an die beteiligten Angehörigen der Gesundheitsberufe richten, könnten ebenso wichtig zu sein wie ein besserer rechtlicher Rahmen für diese zunehmende Praxis", schließen die Sorbonne-Autoren.1