Was sollte Patienten mit schwerem, unkontrolliertem Asthma auf Therapiestufe 5 zuerst verordnet werden: orale Steroide oder die teuren Biologika?
Dem thematisch wichtigen Symposium zur Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Pneumologie, von dem im letzten Beitrag die Rede war, hätte eine gemeinsame Präsentation durch Kliniker und Niedergelassene gut getan (Tipp für die nächsten Kongressplaner). In anderen Fällen wurde so ein Format beim diesjährigen DGP-Kongress (wie anderswo auch) durchaus praktiziert und damit immerhin programmlich eine Brücke über die Sektorengrenze geschlagen. So auch beim Industrie-Symposium mit dem Titel "Zielgerichtete Therapie von chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen – aus der Praxis für die Praxis".
Donnerstag, 12:30 Uhr: Raum C 1.2.2 im Stuttgarter Messegebäude ist ziemlich groß, aber allem Anschein nach bis auf den letzten Platz gefüllt. Was macht Industrie-Symposien eigentlich so beliebt? Nur an den vor dem Saal gereichten Lunch-Tüten kann es wohl nicht liegen. Eher vielleicht an der Präsenz bekannter Meinungsbildner, von denen hier mit Prof. Claus Vogelmeier (Marburg) und Prof. Roland Buhl (Mainz) zwei medial sehr präsente Exemplare den Vorsitz haben.
Und sicher liegt das große Interesse für solche Symposien am Praxisbezug, auf den seitens der Sponsoren mit Blick auf die Verordner zumeist großer Wert gelegt wird. In diesem Fall ganz besonders, wie ja schon aus dem Titel hervorgeht. Klar, man darf die Zweckorientierung einer solchen Veranstaltung nicht außer Acht lassen. Der Chance auf den ein oder anderen Erkenntnisgewinn tut das aber keinen Abbruch. Zumal, wenn das Panel mit fachlich und rhetorisch beschlagenen Experten besetzt ist und deren Vorträge zugunsten der anschließenden Diskussion zeitlich knapp gehalten werden, wie in diesem Fall.
Die Referenten traten also im Doppelpack auf: der eine aus der Klinik, der andere aus der Niederlassung. Für das Thema „Asthma persönlich nehmen – Zielgerichtete Biologika-Therapien“ sind das Prof. Marek Lommatzsch von der Uni-Pneumologie in Rostock und Dr. Christian Geßner, niedergelassener Pneumologe aus Leipzig.
Lommatzsch weist zu Beginn darauf hin, dass sich im bekannten GINA-Stufenschema Tiotropium ab Stufe 4 als Therapieoption findet. Bleibt das Asthma trotz der bis dahin genutzten Behandlungsmöglichkeiten unkontrolliert, kommen auf der höchsten Stufe 5 Biologika in Betracht, und zwar vor oralen Kortikosteroiden (OCS), bei denen stärkere Nebenwirkungen drohen, allen voran Osteoporose, Katarakt und Mondgesicht.
Der Rostocker Kliniker hat sich Zugang zum KV-Katalog Mecklenburg-Vorpommern verschafft und sieht dort für seine niedergelassenen Kollegen ein Konfliktpotenzial in der Auslegung. Im KV-Katalog wird folgende Einordung vorgenommen:
Ist das nun als Ampelvorschrift zu lesen oder als Katalogauswahl? Lommatzsch appelliert an seine fachärztlichen Kollegen im ambulanten Sektor, sich als Pneumologe nicht der Ampel zu unterwerfen, sondern "Hirn zu zeigen". Wichtig sei es, gut zu dokumentieren, dann gebe es keine größeren Probleme. Wenn man dagegen „der KV zuliebe“ Prednisolon verordne, bestehe die Gefahr, das eigene Fachgebiet abzuschaffen. Denn „das kann auch der Gynäkologe“.
Geßner berichtet, dass er einerseits häufig von Patienten nach dem Stellenwert der Biologika gefragt wird und andererseits mit Kollegen darüber diskutiert, ob man den Einsatz der teuren Arzneimittel wagen sollte. Er empfiehlt einen Blick zu den Rheumatologen, bei denen die Anwendung von Biologika heute Standard ist.
Das Spektrum an Biologika wächst jedenfalls weiter. Im nächsten Jahr werden mit Omalizumab (Anti-IgE), Mepolizumab, Reslizumab (jeweils Anti-IL5), Benralizumab (Anti-IL-5-Rezeptor) und Dupilumab (Anti-IL4/13) fünf verschiedene Substanzen zur Auswahl stehen.
Da stellt sich die Frage: Welches Biologikum für wen? Lommatzsch hat dafür die folgende grobe Orientierung parat:
In der Praxisrealität gibt es eine breite Grauzone, die möglicherweise eher die Mehrheit als eine Minderheit der Patienten umfasst und prinzipiell beide Ansätze in Frage kommen lässt. Da könnte eine Orientierung anhand der Komorbiditäten erfolgen, z.B. Dupilumab bei Neurodermitis, Anti-IgE bei Urtikaria und Anti-IL-5 beim sehr seltenen Churg-Strauss-Syndrom bzw. bei Entitäten mit starker Eosinophilie.
So richtig erforscht sind die genauen Wirkmechanismen ja noch nicht. Hier ist laut Lommatzsch Learning by Doing angesagt: „Wir lernen auch im Nachhinein, wie die Therapie wirkt.“ So ist etwa die Anti-IgE-Therapie ein weites Feld, das neben der antiallergischen, antiviralen und antiautoimmunen noch weitere Wirkungen umfassen könnte.
Mepolizumab hat in der SIRIUS-Studie gezeigt, dass mit der Anti-IL-5-Strategie die Steroid-Dosis gesenkt, die Exazerbationsrate reduziert und die Asthma-Kontrolle gemäß ACQ-5 (Asthma Control Questionnaire) verbessert werden kann. Für Benralizumab ergaben sich sowohl in der CALIMA- als auch in der SIROCCO-Studie für die subkutane Applikation alle 8 Wochen sogar teilweise bessere Ergebnisse als wenn der Antikörper alle 4 Wochen gespritzt wurde.
Insgesamt "müssen wir lernen, das geeignete Biologikum für unsere Patienten zu finden", so Geßner. Klar ist aber, dass orale Steroide eher in den Hintergrund rücken sollten und die neuen Biologika eine bessere zielgerichtete Therapie ermöglichen. Fortsetzung folgt.
Referenz:
Zielgerichtete Therapie von chronisch-obstruktiven Lungenerkrankungen – aus der Praxis für die Praxis. Industriesymposium der AstraZeneca GmbH beim 58. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP). Stuttgart, 23. März 2017.