Eine aktuelle Publikation in Diabetologia1 kommt zu dem Schluss, dass eine supportive Steroidtherapie hospitalisierten CAP-Patienten zur schnelleren klinischen Stabilität verhilft – und zwar auch dann, wenn sie an einem Diabetes leiden.
Bereits 2015 hatte eine Schweizer Autorengruppe um Endokrinologen vom Universitätsspital Basel im Lancet2 eine Studie zur supportiven Steroidtherapie bei 726 CAP-Patienten veröffentlicht. Eine 7-tägige Behandlung mit Prednison (50 mg/d), die innerhalb von 24 Stunden nach stationärer Aufnahme erfolgte, führte demnach gegenüber Placebo zu einer um 1,4 Tage verkürzten Zeit bis zur klinischen Stabilisierung. Eine erhöhte Komplikationsrate wurde dabei nicht beobachtet. Abgesehen von einer höheren Inzidenz an Hyperglykämien, die eine Insulintherapie im Krankenhaus erforderten.
Das Forscherteam legte nun mit einer bereits vorher geplanten Subanalyse nach und untersuchte gezielt die Gruppe von 138 Diabetes-Patienten, die 19% der Studienpopulation ausmachten. Der primäre Endpunkt wurde definiert als Zeit bis zur Stabilisierung der Vitalparameter bei zwei aufeinanderfolgenden Messungen im Abstand von mindestens zwölf Stunden. Sowohl bei Diabetikern als auch bei Nichtdiabetikern verkürzte die Prednison-Behandlung diese Zeit signifikant und in ähnlichem Ausmaß gegenüber Placebo: von 6,8 auf 4,5 bzw. von 5,8 auf 4,6 Tage.
Die Glukose-Werte bzw. Hyperglykämien bei stationärer Aufnahme hatten auf diesen klinischen Effekt keinen Einfluss. Zwar wurden im Prednison-Arm erwartungsgemäß höhere mittlere Blutzuckerspiegel, eine höhere glykämische Variabilität und mehr Hyperglykämien beobachtet. Es wurde aber nicht mehr zusätzliches Insulin als in der Placebogruppe verbraucht und es resultierte auch kein negativer Effekt auf die untersuchten Endpunkte. Die Schweizer Ärzte vermuten, dass Patienten mit Diabetes weniger sensitiv auf akute hyperglykämische Zustände reagieren und dadurch gegenüber den toxischen Effekten hoher Blutzuckerspiegel geschützt sind.
Die Patienten mit Diabetes wiesen gegenüber den Nichtdiabetikern ein höheres Alter, einen höheren Schweregrad der Pneumonie und eine höhere Komorbidität auf. Die Glukokortikoide spielen einerseits beim Abklingen der Entzündung eine Schlüsselrolle und ermöglichen andererseits „eine effektive Antwort auf bakterielle Infektionen und den Gewebeschaden“, so die Autoren. Gerade bei schweren CAP-Verläufen, die bei Diabetikern häufiger vorkommen, erscheint ihnen das besonders wichtig. Die Gefahr der Diabetes-Progression bei nur kurzzeitiger Steroidtherapie halten sie dagegen für vernachlässigbar.
Mit Blick auf die Mortalität schnitten zwar unter Prednison-Behandlung die Pneumonie-Patienten mit Diabetes besser ab als die Nicht-Diabetiker, allerdings nicht auf signifikantem Niveau. Insgesamt zeitigte das zusätzliche Steroid bei den sekundären Endpunkten (30-Tages-Mortalität, Dauer der antibiotischen Behandlung und CAP-Komplikationen) keine Vorteile gegenüber Placebo.
Was ist von der Empfehlung der Autoren für die zusätzliche Kurzzeit-Therapie mit systemischen Steroiden bei diabetischen wie nicht-diabetischen CAP-Patienten zu halten?
Sie bestätigt Hinweise aus früheren Publikationen, überwiegend mit kleinerer Fallzahl, auf eine günstige Beeinflussung des CAP-Verlaufs durch systemische Glukokortikoide. Einer Meta-Analyse3 zufolge fallen die Zahlen allerdings relativ bescheiden aus: Abnahme des Mortalitätsrisikos um 3% und des Bedarfs an Gerätebeatmung um 5%, Verkürzung des Krankenhausaufenthalts um einen Tag.
Andererseits gibt es auch negative Berichte zur Wirkung und zu den Nebenwirkungen der Steroid-Therapie bei CAP-Patienten. Ein routinemäßiger Einsatz wird von der European Respiratory Society bisher nicht befürwortet.
Das sehen auch die Verfasser der deutschen Pneumonie-Leitlinie4 so. In ihr wird die Schweizer Studie als „die erste ausreichend große (…) multizentrische RCT“ zu diesem umstrittenen Thema ausführlich erwähnt, die „Validität und klinische Relevanz der gefundenen Effekte“ allerdings kritisch hinterfragt. Fazit der Leitlinien-Experten: „In den nächsten Jahren werden die Ergebnisse weiterer Studien erwartet, die mehr Informationen zum Nutzen von systemischen Steroiden bei schwerer ambulant erworbener Pneumonie liefern werden.“
Definitiv abgeraten wird von systemischen Steroiden bei Patienten mit Influenza-assoziierter ambulant erworbener Pneumonie. Hier ist die vorhandene Evidenz offenbar recht eindeutig und weist nicht nur auf einen mangelnden Nutzen, sondern sogar auf eine höhere Komplikationsrate und Letalität hin.
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