Wenn die Nerven blank liegen... chronischer Husten

Die Dichte sensorischer Nerven im Atemwegsepithel ist bei Menschen mit chronischem Husten erhöht, was darauf hindeutet, dass Neuroplastizität zur Hustenüberempfindlichkeit beiträgt.

Die Dichte sensorischer Nerven im Atemwegsepithel ist bei Menschen mit chronischem Husten erhöht, was darauf hindeutet, dass Neuroplastizität zur Hustenüberempfindlichkeit beiträgt.

Bis zu 12% der Allgemeinbevölkerung leiden an chronischem Husten. Zumeist liegen Rauchen und chronische Atemwegserkrankungen zugrunde, doch bei einem relevanten Teil der Betroffenen besteht ein therapierefraktärer oder ungeklärter Husten. Dieser ist typischerweise trocken oder minimal produktiv und gekennzeichnet durch häufigen Hustenreiz (zuweilen hunderte Male pro Tag), was die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt. Die Patienten beschreiben oft eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber eingeatmeten Reizstoffen (Parfum, Reinigungsmittel) oder harmlosen Stimuli (wie Temperaturänderungen oder Gebrauch der Stimme). Die zugrundeliegenden Mechanismen sind jedoch bislang unzureichend verstanden.

Sensorische Nerven der Atemwege lösen Husten aus. Forscher der Oregon Health & Science University, Portland, schauten sich diese daher genauer an: sie führten an einer kleinen Stichprobe von Personen mit und ohne chronischem Husten Bronchoskopien und Biopsien durch und maßen die Atemwegsnervendichte (axonale Länge) und -komplexität (Nervenverzweigung, Neuropeptidexpression). 1,2

Sensorische Nervendichte im Atemwegsepithel bei chronischem Husten erhöht

Die Nervenlänge und die Anzahl der Verzweigungspunkte waren im Epithel, aber nicht im Subepithel, bei Menschen mit chronischem Husten signifikant erhöht, was zu übermäßigem und anhaltendem Husten beitragen kann. Die Expression von Substanz P war in beiden Gruppen (chronischer Husten versus gesunde Atemwege) vergleichbar spärlich. Nervenlänge und Verzweigung waren weder mit der eosinophilen Peroxidase noch mit demographischen Merkmalen wie Alter und Geschlecht in beiden Gruppen assoziiert.

Die Studie liefert damit weitere Hinweise dafür, dass Veränderungen der Innervation der Atemwege eine Rolle spielen. In den letzten Jahren hat sich zunehmend die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine Übererregbarkeit der neuronalen Bahnen, die den Husten kontrollieren, eine grundlegende Komponente der Pathophysiologie darstellen könnte.

Ein Henne-Ei-Problem?

Das begleitende Editorial2 zur Studie im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine bewertet das Ergebnis als wichtigen Denkanstoß, auch wenn die vorliegende Studie klein und mit methodischen Limitationen behaftet war.
Die an einer erhöhten Verzweigung von Neuronen beteiligten Faktoren sind am besten am Gehirn untersucht, doch das Editorial führt weitere Beispiele ins Feld: auch in peripheren Geweben findet verstärktes Aussprossen von Nervenzellen statt, unter anderem in erkrankter Haut bei atopischer Dermatitis oder Kolonmukosa beim Reizdarmsyndrom. Auch in Tiermodellen von Zystitis/ Reizblase, schmerzhaften arthritischen Gelenken und brustkrebsinduziertem Knochenschmerz ist eine Erhöhung der Nervendichte vorbeschrieben.
Die Aufzweigung wird von extrazellulären Faktoren (wie Leitmolekülen, neurotrophen Faktoren und adhäsiven Liganden), aber auch durch die Position der intrazellulären Organellen und die Genexpression stimuliert. Die Verzweigung kann aktivitätsabhängig sein, aber auch als kompensatorischer Mechanismus nach einer neuronalen Schädigung auftreten.

Die in der Studie berichtete erhöhte Dichte der Epithelfasern könne daher Folge vieler Prozesse sein, meinen die Autoren des Editorials: "Dazu gehören nicht nur die direkten Auswirkungen der durch Husten erzeugten Scherkräfte und Drücke, sondern auch die daraus resultierende Freisetzung von Entzündungsmediatoren (z. B. ATP)." Die Lage und die morphologischen Merkmale der untersuchten Fasern deuten darauf hin, dass es sich höchstwahrscheinlich um vagale C­‑Fasern handelt, die vorwiegend auf chemische Reize und Temperaturänderungen reagieren. Dies würde mit den von Patienten mit chronischem Husten beschriebenen Empfindlichkeiten zusammenpassen. "Ein Remodeling dieser Fasern bei Patienten mit chronischem Husten kann über eine erhöhte Dichte der Faserendigungen im Epithel und/oder eine Vergrößerung der rezeptiven Felder der Fasern zur erhöhten Empfindlichkeit der Atemwege beitragen."

Referenzen:
1. Shapiro, C. O. et al. Airway Sensory Nerve Density Is Increased in Chronic Cough. Am J Respir Crit Care Med 203, 348–355 (2020).
2. Smith, J. A. & West, P. W. Branching Out in Chronic Cough: Evidence for Increased Airway Nerve Density. Am J Respir Crit Care Med 203, 283–284 (2020).