Ein "guter Draht" zum Patienten kann die Diagnose, die Adhärenz an verordnete Therapien und zuweilen sogar die Outcomes verbessern. Doch viele Zwänge und Faktoren des modernen klinischen Alltags werden ebendiesem zum Hindernis.
"Dies sind schwierige Zeiten für die Patienten-Arzt-Beziehung", begann ein Editorial des JAMA (Journal of the American Medical Association).1 Zeitknappheit, Forderungen der Leistungsträger, neue Technologien und das Dokumentationsvolumen rütteln an ihr.
Patienten beklagen oft, dass sie sich nicht gehört fühlen und einige Erhebungen deuten darauf hin, dass sie zuweilen recht haben. Viel Zeit richtet sich nicht auf den Patienten, sondern das virtuelle Selbst des Patienten, sprich die elektronische Patientenakte.
„Die Versorgung ist unpersönlicher geworden, was eine Umgebung schafft, in der das Verständnis von Patienten und ihren Beschwerden noch schwieriger wird“, meinen auch Ärzte der Stanford University in einer Studie, in der sie fünf einfache Schritte unterbreiten, die insbesondere zu Beginn einer Vorstellung helfen können, einen guten Rapport aufzubauen.2
Zulman et al. haben sich für ihre Studie ausführlich mit Techniken beschäftigt, die Ärzten nicht nur helfen sollen, den Anschein zu erwecken, dass sie sich engagieren, sondern auch tatsächlich engagiert zu sein, um die therapeutische Beziehung zu schaffen, die erforderlich ist, um für beide Seiten die bestmögliche Zufriedenheit zu erreichen.
Neben einer umfangreichen Literaturanalyse evidenzbasierter Praktiken beobachteten sie Kontakte von Patienten mit Ärzten, die in der Kommunikation als herausragend eingeschätzt werden, sie suchten Input von Personen aus anderen Branchen, in denen Kommunikation und Verbindung der Schlüssel zu erfolgreicher Zusammenarbeit sind und sie legten die daraus gezogenen Strategien einem Expertengremium vor, dessen Beurteilung all dies auf fünf Punkte kondensierte.
Die Liste enthält eigentlich keine Überraschungen. Die Autoren empfehlen Ärzten folgendes:
Auch wenn die beiden letzten Punkte vielleicht weniger konkret wirken: auf Geschichte und Gefühle des Patienten einzugehen, kann der Schlüssel für eine Verbesserung des Erlebens der Versorgung für Patienten und Arzt sein. Des Weiteren kann diese Fähigkeit Zeit sparen. Eine Studie zeigte zum Beispiel, dass Visiten/ Vorstellungen kürzer waren, wenn Internisten und Chirurgen empathisch auf die emotionalen Signale ihrer Patienten reagierten.3
Der Nutzen effektiver Kommunikation und einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung sind kaum hoch genug einzuschätzen. Evidenz und Erfahrung sprechen dafür, dass eine gute Verbindung die Weichen für eine bessere Diagnose, bessere Therapieadhärenz und in einigen Fällen sogar bessere Verläufe stellt.4–6
Patientenzentrierte Kommunikation beeinflusst die Gesundheit der Patienten durch die Wahrnehmung, ob ihr Termin patientenzentriert war, und insbesondere durch die Wahrnehmung, ob mit dem Arzt ein gemeinsamer Nenner gefunden wurde. Ein patientenzentriertes Vorgehen kann den Gesundheitszustand und die Effizienz der Versorgung verbessern.4 Gute Kommunikation, insbesondere bei der Anamneseerhebung, ist eine Prophylaxe gegen Umwege oder überflüssige Diagnostik und auch gegen Fehler. Eine Untersuchung von 583 (von Ärzten gemeldeten) Fehlern ergab, dass ein großer Teil übersehener oder verzögerter Diagnosen vom Sprechzimmer ausgingen, und viele davon hatten mit unzureichender Anamnese zu tun.7
Aber auch, wenn kein Fehler passiert, sind viele Patienten unzufrieden. "Dieses Gefühl von Distanzierung, das Patienten spüren, trägt zum Gefühl von Frustration und Entfremdung der Ärzten bei. Tatsächlich führen viele der gleichen Aspekte der Medizin sowohl bei Patienten als auch bei Ärzten zu Unzufriedenheit", bemerkt das Editorial im JAMA.
Zulman et al. haben im Speziellen nach Prinzipien gesucht, die einfach zu merken und in die Medizin, wie sie heute praktiziert wird, zu implementieren wären. Doch: "wie Medizin heute praktiziert wird, ist ein großer Teil des Problems" Ärzte zur Umsetzung dieser Punkte anzuhalten, wird nur einen begrenzten Effekt haben, solange einige fundamentale Barrieren des derzeitigen Systems, wie Zeitmangel und Arbeitsverdichtung, unverändert bleiben.1
Zudem sind die fünf Schritte vielleicht einfacher bei Patienten mit vergleichsweise übersichtlichen Anliegen umzusetzen, doch es gibt komplexe Fälle, die immer schwierig zu navigieren sein werden, egal, was der Arzt in seiner Toolbox hat, bspw. Patienten mit chronischen Schmerzen, Patienten, bei denen ein Behandlungsfehler passiert ist oder Patienten mit Beschwerden ohne organisch fassbare Ursache.
Auch wenn die fünf Techniken eigentlich bekannt sind, ist es nützlich und wichtig, die Ärzte an das, was sie einst gelernt haben und an den Arzt, den sie sich vorgestellt haben zu werden, zu erinnern, schließt das Editorial.
Referenzen:
1. Sanders, L., Fortin, A. H. & Schiff, G. D. Connecting With Patients—The Missing Links. JAMA 323, 33–34 (2020).
2. Zulman, D. M. et al. Practices to Foster Physician Presence and Connection With Patients in the Clinical Encounter. JAMA 323, 70–81 (2020).
3. Levinson, W., Gorawara-Bhat, R. & Lamb, J. A study of patient clues and physician responses in primary care and surgical settings. JAMA 284, 1021–1027 (2000).
4. Stewart, M. et al. The impact of patient-centered care on outcomes. J Fam Pract 49, 796–804 (2000).
5. Stewart, M. A. Effective physician-patient communication and health outcomes: a review. CMAJ 152, 1423–1433 (1995).
6. Harmon, G., Lefante, J. & Krousel-Wood, M. Overcoming barriers: the role of providers in improving patient adherence to antihypertensive medications. Current Opinion in Cardiology 21, 310–315 (2006).
7. Schiff, G. D. et al. Diagnostic error in medicine: analysis of 583 physician-reported errors. Arch Intern Med 169, 1881–1887 (2009).