Ein erheblicher Teil vorzeitiger Todesfälle könnte jährlich durch eine Senkung der Luftverschmutzung verhindert werden. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle europäische Studie.
Luftverschmutzung gehört zu den führenden Ursachen für Morbidität und Mortalität.
Im Rahmen einer aktuell im Lancet Planetary Health erschienenen Studie wurde eine Gesundheitsfolgenabschätzung für das Jahr 2015 durchgeführt, um die Auswirkungen der Exposition gegenüber Feinstaub (PM2·5) und Stickstoffdioxid auf die Sterblichkeit erwachsener Einwohner in 969 Städten und 47 größeren Städten in Europa genauer zu quantifizieren.1
"Städte sind generell Hotspots für Luftverschmutzung und Krankheiten", beginnen die Autoren ihren Artikel. Unter Zuhilfenahme von Daten des 'Urban Audit 2018' analysierten sie die Stadtgebiete in Gitternetzblöcken von 250m und brachten sie anhand der Bevölkerungsdichte, der altersstandardisierten Sterblichkeit und der Luftverschmutzung in eine Rangfolge.
Sie zogen zwei Vergleiche:
Zum einen schätzten sie die jährliche vorzeitige Sterblichkeitslast, die vermeidbar wäre, wenn die von der WHO empfohlenen Grenzwerte (d. h. 10 μg/m3 für PM2.5 und 40 μg/m3 für NO2) eingehalten würden. In die Auswertung gingen selbstverständlich nur natürliche Todesursachen ein. Die Einhaltung der WHO-Luftverschmutzungsrichtlinien könnte ihren Berechnungen nach 51,2 Tsd. Todesfälle pro Jahr für Feinstaub-Exposition und 900 Todesfälle pro Jahr für Stichstoffdioxid-Exposition verhindern.
Doch wie gut sind die Grenzwerte für den Schutz vor gesundheitlichen Folgen geeignet? Jetzt wird es interessant: als Zweites zogen sie den Vergleich heran, wie die Sterblichkeitsrate ausfiele, wenn die Luftverschmutzung auf die niedrigsten Werte reduziert würde, die 2015 in europäischen Städten gemessen wurden (d. h. 3-7 μg/m3 für PM2.5 und 3-5 μg/m3 für NO2).
Die Robustheit der Schätzungen wurde stets über mehrere Unsicherheits- und Sensitivitätsanalysen geprüft.
Die Reduzierung der Luftverschmutzung auf die niedrigsten gemessenen Konzentrationen könnte 124,7 Tsd. Todesfälle pro Jahr für PM2.5-Exposition und 79,4 Tsd. Todesfälle pro Jahr für NO2-Exposition verhindern.
"Die aktuellen Richtlinien sollten überarbeitet und die Luftschadstoffkonzentrationen weiter gesenkt werden, um einen besseren Schutz der Gesundheit in Städten zu gewährleisten", schließen die Autoren.
Dabei war die Streubreite zwischen den Orten sehr groß, der stärkste Zusammenhang zwischen Mortalität und Feinstaubbelastung wurde für Städte in der Poebene (Norditalien), Polen und der Tschechischen Republik geschätzt, im Kontext der Stickstoffdioxid-Belastung waren Groß- und Hauptstädte in West- und Südeuropa vorn.
Hier können Sie sich bei Interesse aktuelle Luftdaten und Jahresdiagramme für Ihren Standort anzeigen lassen.
Wussten Sie, dass schon Leonardo da Vinci die Sichtweise äußerte, dass die Gesundheit der Bevölkerung kontextabhängig sein wird? In seinen Niederschriften im Codex Atlanticus und im Manuscript B nannte er zuvorderst die Ernährungs-, Luft- und Wasserqualität für die Wirksamkeit von Gesundheitsprogrammen.2
Seine Notizen enthalten praktische Hinweise zu Verhaltenswissenschaft, Gesundheit, Ernährung, körperlicher Aktivität und einer Art Proto-Physiatrie.
Weitere Ausführungen beziehen sich auf die Hygiene in Bezug auf die Ernährung, die Kontrolle von Emotionen, das richtige Timing von Nacht- und Mittagsschlaf sowie die richtige Art, Alkohol zu konsumieren, fasste vergangenes Jahr ein Beitrag im Lancet zusammen.2
Er hatte eine visionäre Wahrnehmung von dem, was wir heute als ganzheitliche Medizin bezeichnen und sah die Volksgesundheit als etwas, das nicht nur von der Heilung klassischer Pathologien abhängt, sondern auch von Ökologie, psychischem Stress, Verkehrsorganisation, Umweltverschmutzung und sozialen Ungleichheiten – also von systembedingten Gegebenheiten, die der körperlichen und mentalen Gesundheit im Sinne von Wohlbefinden zugrunde liegen.
Referenzen:
1. Khomenko, S. et al. Premature mortality due to air pollution in European cities: a health impact assessment. The Lancet Planetary Health 0, (2021).
2. Campanozzi, L. L., Benvenuto, D., Guarino, M. P. L., Lauri, G. & Tambone, V. Leonardo da Vinci’s advice on public health. The Lancet 395, e16 (2020).