Die Fastnacht ist um, jetzt beginnt die Fastenzeit. Auch ohne den religiösen Hintergrund erfreut sich das Fasten heute steigender Beliebtheit. Das gilt auch für Menschen mit Diabetes. Hier steckt ein Potenzial, dass man als Arzt nutzen sollte. Damit das gelingt, muss allerdings gewährleistet sein, dass sich die Patienten einem anvertrauen. Sie können das durch proaktives Nachfragen unterstützen.
Fasten ist auch für Diabetes-Patienten nicht nur möglich, sondern kann durchaus nutzbringend sein. Diese Erkenntnis dürfte nicht mehr neu sein, die Evidenz dafür mehrt sich. So zeigte etwa eine vor einem Jahr im Top-Journal Cell publizierte Arbeit1 günstige Auswirkungen einer Ernährungsform mit regelmäßigen Fastenperioden (4-day fasting mimicking diet, FMD) im Mausmodell und an menschlichen Pankreaszellen. Die Reprogrammierung der funktionsuntüchtigen Bauchspeicheldrüsenzellen wurde gefördert, die Insulinsekretion wiederhergestellt und der Blutzuckerspiegel stabilisiert. Der Mäuse-Diabetes konnte dadurch in beiden phänotypischen Ausprägungen (Typ 1 und 2) rückgängig gemacht werden.
Das Fasten ist zwar in Mode, aber keine Modeerscheinung. Tatsächlich gehört das periodische Fasten zur artgerechten menschlichen Haltung, wie es (sinngemäß) Prof. Andreas Michalsen, Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin, formuliert. Unsere Gene dürften sich immer noch an die früheren Verhältnisse erinnern, bei denen sich Mammut-Barbecue-Festtage und Hungerperioden ohne Jagderfolg abwechselten. Die heute ubiquitär verfügbaren und praktizierten Snackereien und Naschereien versetzen unseren Körper und seine Zellen bekanntermaßen unter Stoffwechselstress.
Eine gute Fasten-Möglichkeit ist das Intervall-Fasten, dem wir bereits im vergangenen Jahr einen Beitrag gewidmet haben. Dabei geht es um Essenspausen in Form einzelner Tage (5:2-Schema in der 7-Tage-Woche) oder Tagesabschnitte (16:8 Stunden, also etwa keine Nahrungsaufnahme zwischen 17:00 und 9:00 Uhr). Der Vorteil ist die vergleichsweise geringe Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. Radikale Diätmaßnahmen bergen immer die Gefahr des Jojo-Effekts, die beim Intervall-Fasten laut den Ernährungsexperten nicht gegeben ist. "Im Prinzip lässt sich das ein Leben lang durchhalten", meint Michalsen.
Nach drei Monaten kann bei dieser Methode mit einer Abnahme des Körpergewichts um 6,5% gerechnet werden, so Prof. Annette Schürmann vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrücke. Der Gewichtsverlust steht aber – falls überhaupt wünschenswert – gar nicht im Vordergrund des gesunden Fastens, sondern der körperliche Reinigungsprozess. Dieser macht das Fasten nicht nur zu einer gesundheitserhaltenden Maßnahme für Gesunde, sondern auch zu einer präventivmedizinischen und therapeutischen Option bei chronischer Morbidität. Vor allem mit Blick auf kardiovaskuläre und metabolische Störungen sowie neurologische (MS, Parkinson, Demenz), rheumatische und andere Autoimmunerkrankungen.
Das Stichwort lautet Autophagozytose bzw. Autophagie. Für die Beschreibung ihrer Mechanismen erhielt der Japaner Prof. Yoshinori Ohsumi vom Tokyo Institute of Technology im vorletzten Jahr den Medizin-Nobelpreis. Funktioniert das Zellrecycling nicht wie es soll, können vermutlich Fehlbildungen, Infektionen, Krebs, aber auch Diabetes oder Morbus Parkinson die Folge sein. Es liegt nahe anzunehmen, dass Ruhephasen durch unterlassene Nahrungsaufnahme für die intrazellulären Selbstreinigungsprozesse förderlich sein können, metabolisches Dauerfeuer dagegen eher schädlich.
Während sich die Fasten-Periode im abendländischen Kulturkreis der Karnevalsaison anschließt, findet die religiös motivierte und noch wesentlich drastischere Enthaltsamkeit unter Muslimen im Fastenmonat Ramadan statt. Für Diabetes-Patienten und ihre betreuenden (Haus-)Ärzte kann das zu einer echten Herausforderung werden. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) hatte zu diesem Thema eigens eine Projektgruppe eingerichtet, die ihre Arbeit inzwischen beendet hat. Die Ergebnisse finden sich im geschlossenen Mitgliederbereich, im freien Bereich wird auf einen Artikel des Diabetologen Dr. Mahmoud Sultan (Berlin) verlinkt.
Eine ärztliche Abklärung möglicher Kontraindikationen vor dem Fasten versteht sich von selbst und gerade Diabetes-Patienten sollte auch eine ärztliche Begleitung bei der strukturierten Einführung von essensfreien Intervallen angeboten werden. Hier liegt eine Chance: Gehen Sie proaktiv auf Ihre Patienten zu!
Zum einen signalisieren Sie Ihren am Fasten interessierten Patienten, dass sie mit Ihnen über die Thematik sprechen können und sich nicht (nur) im Internet darüber schlau machen müssen. Zum anderen bietet das Fasten-Angebot eine attraktive, da auch gesellschaftlich gerade gehypte Möglichkeit zum Einstieg in einen gesünderen Lebensstil. Wie positiv sich die ärztliche Beratungskompetenz hier auswirken kann, wenn sie zum Zuge kommt, zeigen die zahlreichen Fragen von Patienten in Internetforen (die sie in der Arztpraxis anscheinend entweder nicht stellen wollten/konnten oder nicht beantwortet bekamen), z. B.:
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Referenz:
Cheng CW et al. Fasting-Mimicking Diet Promotes Ngn3-Driven β-Cell Regeneration to Reverse Diabetes. Cell 2017;168(5):775-88.