Bessere Versorgung dank Ergebnistransparenz: schön wär's …

In jeder politischen Sonntagsrede wird immer gerne betont, dass wir uns in Deutschland über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt freuen dürfen. Woran das festgemacht wird, bleibt dabei allerdings meistens offen. Der Zugang zu hochqualitativen Versorgungsangeboten ist prinzipiell erfreulich niedrigschwellig.

In jeder politischen Sonntagsrede wird immer gerne betont, dass wir uns in Deutschland über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt freuen dürfen. Woran das festgemacht wird, bleibt dabei allerdings meistens offen. Der Zugang zu hochqualitativen Versorgungsangeboten ist prinzipiell erfreulich niedrigschwellig.

Systematischer Mangel an Ergebnistransparenz

Mit der Verfügbarkeit, vor allem im ländlichen Raum, soll es allerdings hie und da Probleme geben. Von einem ungehinderten Zugang zu Innovationen und flächendeckender Versorgung auf höchstem Niveau kann leider auch nicht wirklich die Rede sein. Am gravierendsten wiegt allerdings der systematische Mangel an Ergebnistransparenz. Er verhindert einen positiven Wettbewerb um die besten Versorgungsergebnisse und das "Lernen von den Besten", wie es in anderen Branchen durchaus funktioniert.

Eine große Hilfe wären dabei landesweite Krankheits- und Behandlungsregister mit stringenter Datenerfassung und -auswertung. Wir haben das in diesem Blog öfter mal angesprochen und auf das Vorbild Skandinavien verwiesen. Mittlerweile hat man das auch in Deutschland erkannt: Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit soll am Robert Koch-Institut in Berlin eine Nationale Diabetes-Surveillance aufgebaut werden.

Krankenkassen werten ihre Daten lieber getrennt und alleine aus

Man könnte allerdings auch die bereits vorhandenen Datensammlungen für noch bessere Versorgungsfortschritte nutzen – wenn man wollte. Dazu müssten sie allerdings entsprechend aggregiert, ausgewertet und veröffentlicht werden. Mit den beiden DMP-Programmen zum Diabetes mellitus Typ 1 und 2 etwa steht ein Datenschatz von mittlerweile über vier Millionen teilnehmenden Diabetes-Patienten zur Verfügung.

Darauf wird im Vorwort des Deutschen Gesundheitsberichts Diabetes 2018 (PDF-Link) von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Diabetes-Hilfe (diabetesDE) hingewiesen:

"Möglicherweise könnten wir unsere Patienten heute schon viel besser behandeln, denn ‚eigentlich‘ gibt es Daten, die Aufschluss über den Erfolg oder auch Misserfolg therapeutischer Maßnahmen geben. Doch leider geben die Krankenkassen der Wissenschaft derzeit nicht die Möglichkeit, beispielsweise die Daten aus den Disease-Management-Programmen, in die deutschlandweit viele Menschen mit Diabetes eingeschrieben sind, auszuwerten. Auch an bundesweiten Registern fehlt es: Hier schlummert Potenzial, das bislang zu wenig für eine bessere Versorgung der Patienten genutzt wird."

Krankenkassen werten ihre Daten lieber getrennt und alleine aus

Freilich betreiben die Krankenkassen ihre eigene Versorgungsforschung und Zielerreichungskontrolle. Aber eben nicht kassenübergreifend. Der ambulanten Versorgung würde das sicher gut tun. Sie hat sich zwar insgesamt schon verbessert, nahezu überall scheint aber noch Luft nach oben.

So lautet in einem Versorgungsforschungsbeitrag mit dem Titel "6 Forderungen für eine bessere DFS-Versorgung"1 die zweite Forderung: "Alle Daten zu IV-, Modell- und DMP-Verträgen sowie HzV sollten in einem öffentlichen Register, verbunden mit einer Meldepflicht (ähnlich der früheren BQS-Meldung) der Krankenkassen verfügbar sein."

Im oben erwähnten Diabetes Bericht 2018 mit dem Untertitel "Die Bestandsaufnahme" findet sich eine Analyse2 von Daten aus zwei bereits existierenden deutschlandweiten Diabetes-Registern: der Diabetes-Patienten-Verlaufsdokumentation (DPV) und der Diabetes-Versorgungs-Evaluation (DIVE). Beide zusammen umfassen Informationen von mehr als 500.000 Patienten, davon etwa 80.000 Patienten mit Typ-1-Diabetes.

Diabetes Bericht 2018: starke regionale Versorgungsunterschiede

Manche Erkenntnisse dürften nicht nur für Versorgungsforscher und Kostenträger interessant sein, sondern auch dem praktischen Diabetologen als Anlass zur Reflexion dienen. Es zeigen sich deutliche regionale Unterschiede, sei es bei der Verteilung kardiovaskulärer Risikofaktoren, der Insulin-Therapie oder dem Einsatz innovativer oraler Antidiabetika (auch positiven Ergebnissen der frühen Nutzenbewertung zum Trotz).

In einem Beitrag auf Ärzte Zeitung online3 heißt es dazu: "Die Erfassung der Versorgungsrealität ist deshalb von Bedeutung, um abzuschätzen, ob das 2010 von der WHO aufgestellte Ziel einer möglichst einheitlichen regionalen Versorgung auf hohem Niveau erreicht wird."

Nun ja, ob es jetzt vorrangig darum geht, irgendwelche WHO-Ziele zu erfüllen, lassen wir mal dahingestellt. Aber um die bestmögliche Versorgung der eigenen Patienten will man sich eigentlich schon kümmern. Hier ein paar Ergebnisse aus der Register-Analyse:

Anteil der Patienten mit Typ-2-Diabetes, die eine Insulintherapie mit oder ohne orale Antidiabetika (OADs) erhalten:

Anteil der Patienten mit Typ-2-Diabetes, die neue OADs oder GLP-1-Analoga erhalten:

Anteil der Patienten mit Typ-2-Diabetes mit erhöhten LDL- oder Blutdruck-Werten ohne entsprechende Medikation:

Anteil der Patienten mit Typ-2-Diabetes mit intensivierter Insulintherapie (ICT):

Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.

Abkürzungen:
DMP = Disease-Management-Programm
HzV = Hausarztzentrierte Versorgung
IV = Integrierte Versorgung

Referenzen:
1. Holzgreve A et al. 6 Forderungen für eine bessere DFS-Versorgung. Monitor Versorgungsforschung 2017;4:26-9.
2. Seufert J, Bohn B. Diabetes-Register und  Diabetes-Surveillance als Bausteine einer Nationalen Diabetes-Strategie. Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2018:234-42.
3. www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/versorgungsforschung/article/955873/versorgung-diabetes-register-zeigt-unwucht-zwischen-regionen.html?wt_mc=nl.upd.AEZ_NL_NEWSLETTER.2018-01-22.Diabetes+mellitus.x