Waren Sie beim Diabetes Kongress 2017 in Hamburg dabei? Bei fast 7.000 Teilnehmern ist die Chance ja gar nicht so klein, dass der ein oder andere Blog-Leser bei der wohl größten deutschen Diabetes-Veranstaltung vor Ort war. Zumal der Besuch eines mehrtägigen Kongresses für viele Schwerpunkt-Diabetologen zum Pflichtprogramm gehört. Auch wenn sich die echten fachlichen “Neuigkeiten“ für informierte Kenner der Materie meistens eher in Grenzen halten. Auf den ein oder anderen, zumindest für die eigene Erfahrungswelt neuen Aspekt wird man aber doch immer gestoßen. Trendthemen und Stimmungen im Fachgebiet lassen sich ausmachen und natürlich geht es auch immer um Personalien und persönliche “Updates“ im Austausch mit den Kollegen.
Das war auch am kleinen, aber hochfrequentierten esanum-Stand so. Dort hatten zwei sehr freundliche und fleißige Mitarbeiterinnen alle Hände voll zu tun, die Saftpresse am Laufen zu halten und gleichzeitig die eine oder andere Frage der Besucher zu beantworten. Bilanz: Über 330 kg verflüssigte Orangen und eine rege Beteiligung an unserer Umfrage zum “Fortschritt für unsere Patienten“ – Respekt!
Das allgemein gehaltene Motto lässt natürlich viel Raum für Interpretation und Beliebigkeit. Aus den kurzen Statements der Kolleginnen und Kollegen lassen sich aber schon bestimmte Trends ablesen: Es gibt einerseits zwar (immer noch) den Wunsch nach Rundumversorgung mit schriftlichen Anweisungen und “Wunderheilung“, andererseits aber auch ein gestärktes Bedürfnis nach Eigenverantwortlichkeit und Prävention. Wie das mit dem gleichzeitig bestehenden Anspruch “so wenig wie möglich am Leben zu ändern“ in Einklang gebracht werden kann, gehört zu den besonderen Herausforderungen in der diabetologischen Praxis.
Eine gewisse Ambivalenz zeigt sich auch in puncto Medikamente: Hier steht dem Bedürfnis “möglichst wenig Medikamente einnehmen“ und “Insulintherapie so lange wie möglich vermeiden“ eine “Offenheit für Inkretine und SGLT2-Hemmer“ gegenüber. Letzteres “vor allem zur Gewichtsreduktion“ und für eine “möglichst frühzeitige Minderung von Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse“. Das Bewusstsein für ein gezieltes und frühzeitiges Risikomanagement, gerade im Hinblick auf kardiovaskuläre Erkrankungen, ist offenkundig in den Fokus gerückt.
Daran haben sicher die pharmakotherapeutischen Fortschritte, über die auch in diesem Blog schon ausführlich berichtet wurde, ihren maßgeblichen Anteil. SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten eröffnen neue, unerwartete Perspektiven des kardiovaskulären Risikomanagements in der Diabetes-Therapie.
Gleichwohl bleiben Lebensstil-Interventionen die Grundlage und unverzichtbarer Bestandteil eines erfolgreichen und nachhaltigen (Selbst-) Managements des Typ-2-Diabetes. Hier bietet die Digitalisierung, die in ihren vielfältigen Ausformungen in zahlreichen Kongressbeiträgen thematisiert wurde, tatsächlich neue und große Chancen für die Patienten, ihre behandelnden Ärzte und das gesamte Versorgungssystem. Rehumanisierung statt Dehumanisierung, das ist möglich. Wenn sie denn „richtig“ und verantwortungsbewusst angegangen, umgesetzt und ausgebaut wird.
Es ist nur folgerichtig, dass der neue DDG-Präsident Prof. Dirk Müller-Wieland, der in Hamburg auch Kongresspräsident war, auf die Digitalisierung einen besonderen Fokus in seiner Amtszeit setzen will. Und sie wird auch in diesem Blog ein Fokus-Thema bleiben.
Ihre Kommentare und Meinungen sind wie immer sehr erwünscht.
Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.