Deutsche Diabetes-Daten

Seit 2015 wird am Robert Koch-Institut die Nationale Diabetes-Surveillance aufgebaut. Nach Abschluss der ersten Projektphase wurde Ende 2019 nun erstmals ein Bericht zur deutschen Diabetes-Situation vorgelegt. Da kann man mal reinschauen …

Seit 2015 wird am Robert Koch-Institut die Nationale Diabetes-Surveillance aufgebaut. Nach Abschluss der ersten Projektphase wurde Ende 2019 nun erstmals ein Bericht zur deutschen Diabetes-Situation vorgelegt. Da kann man mal reinschauen …

Im Rahmen unserer Blog-Recherche haben wir, wie immer, auch einen Blick in den esanum Diabetes Journal Club geworfen. Dort widmet sich der aktuelle Beitrag dem allerersten Bericht der Nationalen Diabetes-Surveillance, die gegenwärtig vom Robert Koch-Institut im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums aufgebaut wird. Der Bericht stellt einen wichtigen Meilenstein zum Abschluss der ersten Projektphase (2015– 2019) dar, die zweite Phase geht bis Ende nächsten Jahres.

Diabetes-Surveillance: 4 Handlungsfelder, 40 Indikatoren

Nähere Informationen zum (überfälligen) Surveillance-Vorhaben gibt es auf diabsurv.rki.de. Der "Diabetes in Deutschland – Bericht der Nationalen Diabetes-Surveillance 2019" steht als PDF-Download zur Verfügung und wurde zum Weltdiabetestag im vergangenen November der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Kernstück der Diabetes-Surveillance ist das Indikatorenset (PDF-Link) mit insgesamt 40 Indikatoren bzw. Indikatorengruppen, die sich auf vier Handlungsfelder verteilen:

  1. Diabetes-Risiko senken,
  2. Diabetes-Früherkennung und Behandlung verbessern,
  3. Diabetes-Komplikationen reduzieren,
  4. Krankheitslast und Krankheitskosten senken.

Ziel ist eine differenzierte Darstellung der Indikatoren "nach Alter, Geschlecht, Region und, wenn möglich, Bildung". Trivial ist die Selektion geeigneter und aussagekräftiger Indikatoren keineswegs. Zum einen hängt davon die Brauchbarkeit der Ergebnisse für die praktische Umsetzung etwa in Form von Politikberatung und Public-Health-Maßnahmen ab. Zum anderen spielt die zeitnahe und wiederholte Verfügbarkeit sowie die Qualität und Kompatibilität der Daten(quellen) eine essenzielle Rolle. Ohne ein nationales Gesundheitsregister, wie es etwa in Dänemark existiert, ist das eine besondere Herausforderung.

Ob und wie Synergien mit dem jährlich erscheinenden "Deutschen Gesundheitsbericht Diabetes" (Ausgabe 2019; PDF) von DDG und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe genutzt werden, ist uns bis jetzt nicht ersichtlich.

Wie auch immer: Um den Informationswert der Fakten noch mit ein bisschen Unterhaltungswert anzureichern, haben wir einige Indikatoren und die zugehörige Zahlenwerte voneinander getrennt und vertauscht. Wenn Sie sie in korrekter Abfolge wieder zusammenfügen können (die Lösung finden Sie am Beitragsende), haben Sie den Bericht bzw. den Journal Club-Beitrag möglicherweise schon gelesen …

Die Indikatoren beziehen sich im Regelfall auf die Gruppe der 18- bis 79-Jährigen und die Zahlenwerte stammen teilweise aus unterschiedlichen Jahren bzw. Zeiträumen.

Welche Werte gehören wozu?

1) Diabetes-Inzidenz (jährlich)

a) 7,4 Milliarden Euro

2) Diabetes-Prävalenz (diagnostiziert)

b) 7,2 %

3) Diabetes-Prävalenz (unerkannt)

c) 15,1 %

4) Adipositas-Prävalenz (1999–2010)

d) 60 %

5) Gestationsdiabetes

e) um 50 %

6) Nierenfunktionseinschränkung

f) bis zu 12 Jahre

7) Polyneuropathie

i) 6 %

8) diabetisches Fußsyndrom

 j) 5,9 %

9) Major-Amputationen

k) 2,0 %

10) Diabetes-Krankheitskosten (jährlich)

 l) 21 Milliarden Euro

11) Kosten für Begleit- und Folgeerkrankungen (jährlich)

m) 13,5 %

12) Diabetes-assoziierte Erhöhung der Sterberate

n) über 500.000 Erwachsene

13) Verlust an verbleibender gesunder Lebenszeit

o) 11 pro 100.000  
 Einwohner

Hier beispielhaft die Kurzdarstellung des Indikators "30.0 Diabetesbedingte Amputationen" im Handlungsfeld "Diabetes-Komplikationen reduzieren", der im Indikatorenset (S. 73) noch etwas ausführlicher dargestellt wird:

Definition

Der Indikator diabetesbedingte Amputationen ist definiert als Anzahl an Amputationsfällen der unteren Extremitäten oberhalb des Sprunggelenks (majore Amputationen) bezogen auf 100.000 Einwohner (ab 15 Jahre) in einem Jahr.

Datenquelle

Fallpauschalenbezogene Krankenhausstatistik (DRG-Statistik), die alle stationär behandelten Fälle in Deutschland einschließt.

Datenqualität

Vollerhebung aller Krankenhausfälle, die allerdings nicht auf Personenebene vorliegt. Somit sind mehrere Fälle pro Person möglich. Die Datenqualität hängt von der Kodierpraxis und weiteren Dokumentationseffekten ab.

Wie geht es weiter?

Zur Abstimmung eines Konzepts für die Verknüpfung von regionalisierten Ergebnissen der Diabetes-Surveillance mit der Gesundheitsberichterstattung der Länder ist ein Workshop für 2021 geplant. Auch zur Evaluation des praktischen Nutzens der Berichterstattung soll ein Konzept entwickelt werden. Einfach und schnell wird das wohl nicht gehen, erfordert es doch "eine enge und strukturierte Zusammenarbeit mit Akteurinnen und Akteuren in Gesundheitspolitik und Öffentlichem Gesundheitsdienst auf Bundes- und Landesebene, der BZgA, den medizinischen Fachgesellschaften sowie nationalen und internationalen wissenschaftlichen Kooperationspartnerinnen und -partnern in Public Health."

Was hat der Diabetologe davon?

Die ganze Surveillance-Geschichte erscheint einem als Praktiker erstmal nur mäßig relevant – ist halt ein Public-Health-Ding, mit dem sich die Wissenschaftler sowie ggf. Funktionäre und Politiker beschäftigen. Solange die Sektoren schön getrennt sind und jeder in seinem Bereich vor sich hinwurschtelt, wird das wohl auch so bleiben. Sollte es mal zu einer Outcome-orientierten Finanzierung der Gesundheitsversorgung kommen, könnte sich das allerdings rasch ändern.

Der Aufbau der Surveillance ist sicher ein richtiger Schritt. Ob und wie er dabei helfen kann, die Diabetes-Versorgung zu verbessern, wird am gemeinsamen Umgang der Akteure mit diesem Instrument hängen. Es lohnt sich definitiv reinzuschauen, u. a. wegen manch interessanter Aspekte, die sich nicht alle in einfache Zahlen fassen lassen, und wegen teilweise erstaunlicher regionaler Unterschiede.

(Lösung: 1n, 2b, 3k, 4d, 5j, 6c, 7m, 8i, 9o, 10a, 11l, 12e, 13f)

Abkürzungen:
BZgA = Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
DDG = Deutsche Diabetes Gesellschaft