Am Diabetes stirbt man und frau normalerweise nicht, aber an seinen Folgen. Besonders folgenschwer sind die Auswirkungen, die sich im Herz-Kreislauf-System durch die lange Zeit unauffällige Stoffwechselkrankheit ergeben. Das kardiovaskuläre Risiko steht auf der Liste der Diabetes-Gefahren ganz oben. Aber wie wird es dort von den Betroffenen wahrgenommen und wie leben sie damit?
Um das herauszufinden, hat die International Diabetes Federation (IDF) in Partnerschaft mit der dänischen Firma Novo Nordisk eine globale, webbasierte Umfrage gestartet. Ihr Titel lautet "Taking Diabetes to the Heart". Dabei handelt es sich um "die erste und bislang einzige Umfrage dieser Art, die in mehreren Sprachen zur Verfügung steht", wie ihre Betreiber mitteilen.
Wir haben uns die Umfrage kurz angeschaut. Es handelt sich um insgesamt 27 Fragen, die sich hauptsächlich auf Wissen, Einschätzungen und Informationsverhalten rund um die kardiovaskuläre Problematik beziehen.
Zwischenergebnisse der Umfrage wurden Anfang Dezember beim IDF-Kongress 2017 in Abu Dhabi präsentiert und über Pressemitteilungen verbreitet. Auf der IDF-Website ist auch ein Mitschnitt der Live-Präsentation eingebunden, die im eher bescheidenen Rahmen im Ausstellungsparcours erfolgte. Da erfährt man (wenn man sich die Mühe macht, mal reinzuschauen), dass von den "943 Antworten aus 32 Ländern" etwa 83% aus Dänemark stammen. Deshalb wurden die dänischen Rückmeldungen in der Auswertung eigens berücksichtigt und mit denen der restlichen Welt (ca. 6% USA, 4,5% Belgien, 1,5% Großbritannien und 5% Summe der übrigen Länder) verglichen. Alles in allem überwogen wohl die Ähnlichkeiten im Antwortmuster.
Wenn Sie die kolportierten Umfrageergebnisse nachlesen möchten, können Sie das hier tun. Kurz zusammengefasst heißt die Botschaft: Ein relevanter Teil von Diabetes-Patienten wurde gemäß Selbsteinschätzung nicht, nicht ausreichend oder sehr spät über kardiovaskuläre Krankheiten und über ihr persönliches Risiko informiert.
Ungeachtet dessen, dass sich bei solchen Aktionen im Hinterkopf auch ein leiser Marketing-Verdacht regen mag, taugt die Meldung als Impuls zur Reflexion über das eigene Kommunikationsverhalten. Habe ich meine Patienten im Rahmen der Diagnose-Stellung und im weiteren Verlauf ausführlich, eindringlich und verständlich genug über die Gefahrenlage aufgeklärt? Haben sie das verstanden und habe ich diesbezüglich nachgefragt? Sind sie in der Lage, das vermittelte Wissen und Verständnis zugunsten gemeinsamer Therapieentscheidungen und einer guten Adhärenz anzuwenden?
Mit der Schulung zu gesunder Ernährung, Bewegung und Lebensstilmodifikation ist es ja meistens nicht getan. Die Patienten müssen auch wirklich verstehen, warum und weshalb sie etwas tun sollen oder nicht tun sollen. Und was da schleichend in ihrem Körper passiert, ohne dass sie es spüren können. Das Wahrnehmungsproblem haben wir schon öfter thematisiert (z.B. hier "Das bisschen Zucker"? Tödlich! und hier Diabetes und Herz-Kreislauf-Risiko bei Frauen: die unterschätzte Gefahr).
Es ist sicher ein wertvoller Beitrag zur (Primär-, Sekundär- oder Tertiär-) Prävention, seine Patienten immer wieder dafür zu sensibilisieren. Häufig lassen sich nur im fortgesetzten Dialog geeignete Ansätze für die metabolische und kardiovaskuläre Gesundheit dauerhaft weiterentwickeln. Dafür ist die diabetologisch versierte und (auch) kommunikativ engagierte Arztpraxis immer noch die beste Anlaufstelle – auch in unserer digitalisierten Welt der globalen Umfragen.
Aktuelle Expertenbeiträge zu diesem Thema lesen Sie jede Woche neu im esanum Diabetes Blog.