"Wie kann es angehen, dass ein Antidiabetikum gehyped wird, weil es so wunderbar beim Abnehmen hilft?“, fragt sich ein Leser und plädiert für mehr Sportlichkeit.
"Es kann nicht sein, dass Ärzte dazu angehalten werden, Präparate aus Dänemark zu bestellen, damit die Patienten endlich Gewicht verlieren“, heißt es in einem Kommentar zu unserem letzten Beitrag. Naja, das kann eben schon sein. Denn heutzutage gibt es das Internet, und dort schaut schon mal der ein oder andere Patient rein, was es so Neues bei seiner Krankheit gibt. Und in Patientenforen findet ein reger Austausch und Wissenstransfer statt.
Der Kollege bzw. die Kollegin aus der „Rettungsstelle eines Maximalversorgers“ stört sich an der Präferenz des Pilleneinwerfens gegenüber der "körperlichen Ertüchtigung“, deren Potenzial es auszuschöpfen gilt. Ein berechtigter Einwand. "Von den älteren Herrschaften mit Übergewicht haben ungefähr 75% (oder mehr) Diabetes. Wenn ich mir das Klientel ansehe, sind davon vielleicht 10 % sportlich ambitioniert.“ Tja, eben.
"Diabetes ist definitiv keine Kontraindikation für Sport.“ Auch das stimmt, mit gewissen Einschränkungen. "Ernährungsumstellung und Sport“ – ja, das ist die Traumkombination, mit der viele Patienten nicht nur ihr Übergewicht, sondern sogar ihren Diabetes loswerden könnten. „Simple as that“? Eigentlich schon, nur halt im realen Alltag nicht. Dafür müssten Einstellung und Gewohnheiten geändert werden. Das ist für die Patienten schwer, aber auch für ihre behandelnden Ärzte und für unser Gesundheits- bzw. Krankheitssystem mitsamt seinen diversen Akteuren sowieso.
Das seit bald vier Jahren existierende Präventionsgesetz hat zwar einen Geldfluss seitens der Krankenkassen erzwungen: Im Jahr 2016 wurde fast eine halbe Milliarde Euro für Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten (allen voran Kitas und Grundschulen), betriebliche Gesundheitsförderung und individuelle Präventionsangebote ausgegeben. Trotz Verdreifachung der Krankenkassen-Ausgaben macht das Präventionsgeld nur einen winzigen Bruchteil des GKV-Umsatzes aus. Vielleicht ist das auch besser so.
Mit all den vielen Projekten sollen gesundheitsförderliche Alltagsstrukturen im Bereich der Ernährung und Bewegung, die Eigenverantwortung der Menschen und ihre Motivation zu gesunder Ernährung gestärkt werden. "Zweifel an der Nachhaltigkeit dieser äußerst heterogenen Interventionen“ sind allerdings angebracht, war im vergangenen Jahr im Deutschen Ärzteblatt zu lesen. Schon länger ist klar, dass man sich von der Verhaltensprävention lieber nicht zu viel versprechen sollte. Eine in dem DÄB-Beitrag zitierte "Auswertung von 37 Studien und Datensätzen von 27.946 Kindern“ ergab ein Wirkungspotenzial von 1%, um dass die Prävalenz der Adipositas dadurch gesenkt werden könnte.
Mehr als 200 Projekte mit einem Fördervolumen von 77 Millionen Euro umfasst der 2008 von den Bundesministerien für Gesundheit und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) gestartete Nationale Aktionsplan "IN FORM – Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“. Die zweijährige Laufzeit der beauftragten Evaluation dieses behördlichen Großprojekts ging im März 2019 zu Ende. Nach dem Ergebnis werden wir mal recherchieren und davon berichten.
Mit der hausärztlichen Prävention, der Lebensstil-Intervention (und dem Verweigerungsrecht des Patienten dieser gegenüber) sowie mit der therapeutischen Lifestyle-Beratung haben wir uns in diesem Blog schon auseinandergesetzt.
"Den Ärzten, die Patienten mit Typ-2-Diabetes behandeln, kommt eine Schlüsselrolle bei der Beratung und Motivation zu einem körperlichen Training und aktiven Lebensstil zu.“ So lautet das erste "Merke“ eines Übersichtsbeitrags zum Thema Körperliche Aktivität und Sport bei Typ-2-Diabetes, der 2017 in Diabetologie und Stoffwechsel erschien. Die adäquate Honorierung dieser Form der Sprechenden Medizin dürfte auf Dauer erfolgversprechender sein als die Finanzierung von windigen Präventionsprojekten.
Zu den positiven Effekten des körperlichen Training bei Typ-2-Diabetes zählen die antiinflammatorische Wirkung, eine verbesserte koronare Endothelfunktion und eine verringerte kardiale autonome Dysfunktion.
Konkrete, leitliniengestützten Empfehlungen für Patienten mit Typ-2-Diabetes lauten beispielsweise:
mindestens 150 min pro Woche moderat-intensive aerobe Ausdauerbelastungen (50 – 70% der maximalen Herzfrequenz), Training auf mindestens 3 Tage pro Woche verteilt;
zusätzlich ein Krafttraining mit zumindest 2 Trainingseinheiten pro Woche, sofern keine Kontraindikationen bestehen;