Neue Daten erinnern uns an eine nicht so neue Erkenntnis: Der Diabetes ist eine Erkrankung mit hoher Mortalität. Das trifft nicht nur auf den weiter zunehmenden Typ-2-Diabetes zu, sondern auch auf die autoimmun bedingte Zuckerkrankheit.
Die DDG geht zwar in ihrem neuesten Diabetes-Bericht1 davon aus, „dass die Lebenserwartung bei Typ-1-Diabetes sich auch in Deutschland aufgrund verbesserter Betreuung und Therapie in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert hat.“ Diese frohe Botschaft schöpft sie allerdings vor allem aus skandinavischen Register-Studien, die im entsprechenden Kapitel zitiert werden.
Denn: „Registerdaten aus Europa sind für Deutschland derzeit besonders interessant, da die Versorgung der Patienten mit Typ-1-Diabetes als auch die Sterblichkeit in der Gesamtbevölkerung eher miteinander vergleichbar sein dürften als mit außereuropäischen Ländern.“ Wohl wahr, noch besser wären allerdings eigene nationale Registerdaten. Darauf werden wir beim nächsten Beitrag nochmal kurz zurückkommen.
Wenn es um die Mortalität beim Typ-1-Diabetes geht, könnte es durchaus einen Unterschied machen, in welchem Lebensalter die Diagnose gestellt wird.
So ist es in der Phase der Adoleszenz um die Compliance nicht unbedingt zum Besten bestellt und das Risiko akuter Komplikationen entsprechend hoch. Differenzierte, nach dem Alter zum Zeitpunkt der Diagnose stratifizierte Analysen sind bisher allerdings Mangelware. Eine aktuelle norwegische Untersuchung liefert hier wichtige Hinweise.
Die Ergebnisse der Kohorten-Studie lauten: Bei Typ-1-Diabetikern, die ihre Diagnose im Alter zwischen 15 und 29 Jahren erhalten haben, ist die Sterblichkeitsrate gegenüber der Normalbevölkerung um mehr als das Vierfache erhöht. Über die Hälfte der Todesfälle ist auf akute oder chronische Diabetes-Komplikationen zurückzuführen.
Der Anteil der tödlichen Ereignisse, die mit Alkohol zusammenhängen, ist beachtenswert hoch. Die kumulative Inzidenz des terminalen Nierenversagens fällt dagegen niedrig aus. Dafür wurden die Daten einer nationalen populationsbasierten Kohorte mit 719 T1D-Patienten herangezogen und in Verbindung mit norwegischen Registerdaten über Todesursachen und zur Nierenersatztherapie ausgewertet. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich über 30 Jahre bzw. bis zum Tod der Patienten. Das Sterbealter variierte zwischen 17 und 63 Jahren.
Die Gesamtmortalität der Kohorte lag bei gerundet 21% (n = 148; 106 Männer und 42 Frauen). Nach der Diagnosestellung betrug die kumulative Mortalität nach 10 Jahren 6%, nach 20 Jahren 12% und nach 30 Jahren 18%. Das Mortalitätsrisiko war für Frauen etwa halb so groß wie für Männer. Eine terminale Niereninsuffizienz entwickelten über einen durchschnittlichen Zeitraum von 24 Jahren insgesamt 5% der Patienten.
Als Todesursachen wurden identifiziert:
• chronische Komplikationen (32%): z.B. kardiovaskuläre Komplikationen und Nierenversagen;
• akute Komplikationen (21%): z.B. Ketoazidose und Hypoglykämie;
• gewaltsamer Tod (20%): Unfall, Vergiftung und Selbstmord;
• andere Todesursachen (27%): z.B. Krebserkrankungen und plötzlicher Tod unklarer Genese.
In 39% der Fälle wurde der Diabetes als Todesursache deklariert, bei weiteren 30% als beitragender Faktor. Bei etwa 20% der Verstorbenen wurde ein Alkoholmissbrauch festgestellt, bei 15% enthielt der Totenschein eine alkoholbezogene ICD-10-Kodierung.
Und noch die standardisierten Mortalitätsraten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung:
• für die gesamte T1D-Kohorte: 4,4;
• für kardiovaskuläre Ursachen: 7,3;
• für Alkohol: 6,8;
• für gewaltsamen Tod: 3,6.
Eine interessante Grafik dieser norwegischen Arbeit zeigt, wie sich die Anteile der verschiedenen Todesursachen mit den Jahren nach der Diagnosestellung verschieben. Innerhalb der ersten zehn Jahre machten ein gewaltsamer Tod mit 49% und die akuten Komplikationen mit 28% zusammen über drei Viertel der Sterbegründe aus.
Das könnte mit dem in dieser Altersgruppe zu erwartenden Verhaltensmuster zusammenhängen: weniger adhärent, weniger gefahrenbewusst, mehr risikobereit. Mit der Zeit nimmt diese Gefährdung ab und die chronischen Komplikationen dominieren das Todesursachenspektrum.
Für den behandelnden Arzt bedeutet das, seine jungen insulinpflichtigen Patienten eindringlich über die erhöhten Unfall- und Alkoholgefahren aufzuklären und sogfältig auf eine mögliche Suizidgefährdung zu achten.
Die gute medizinische Betreuung der Patienten mit Typ-1-Diabetes zeigte sich in der norwegischen Studie an einer niedrigen Inzidenz der terminalen Niereninsuffizienz. Das änderte aber nichts an einer deutlich erhöhten Mortalität gegenüber der Gesamtbevölkerung.
Man kann davon ausgehen, dass die Verhältnisse bei uns nicht grundlegend verschieden sind. Es besteht also noch erhebliches Verbesserungspotenzial für unser therapeutisches Bemühen, den T1D-Patienten zu einer möglichst unverkürzten Lebenserwartung zu verhelfen.
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Referenzen:
1. Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe (Herausgeber). Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2017. (PDF-Link)
2. Gagnum V et al. Long-term Mortality and End-Stage Renal Disease in a Type 1 Diabetes Population Diagnosed at Age 15–29 Years in Norway. Diabetes Care 2017;40(1):38-45.