Hatten Sie in letzter Zeit viel Stress oder ein belastendes Lebensereignis?

Ein interessanter Bericht aus Sicht eines Patienten mit einer transienten globalen Amnesie (TGA) dient als Gedächtnisstütze, warum wir als Behandler bestimmte Fragen nicht vergessen sollten...

Ein interessanter Bericht aus Sicht eines Patienten mit einer transienten globalen Amnesie (TGA) dient als Gedächtnisstütze, warum wir als Behandler bestimmte Fragen nicht vergessen sollten...

Ein bis dahin gesunder 51-jähriger Mann hatte eines Morgens gerade ein intensives Workout zu Hause beendet, als plötzlich ein rauschendes Gefühl in seinem Kopf einsetzte. Aus Angst, ohnmächtig zu werden, legte er sich auf den Boden. Von den nachfolgenden Minuten hatte er nur verschwommene Erinnerungen. Der von ihm herbei gerufene Sohn fand ihn auf dem Boden zusammengekauert vor, wach, aber scheinbar verwirrt. Er fragte ihn wiederholt: "Habe ich gerade trainiert?" Als der vom Sohn verständigte Rettungsdienst eintraf, war er noch immer benommen, aber gehfähig und schon wieder soweit bei sich, dass er, selbst Arzt, im Stillen dachte: "Hoffentlich ist es eine TGA und kein Apoplex oder ein Krampfanfall."1

Plötzliches Einsetzen einer Amnesie, die sich innerhalb einer Stunde wieder zurückbildete

Eine transiente globale Amnesie (TGA) ist eine Störung mit einer reversiblen anterograden Beeinträchtigung des expliziten Gedächtnisses, der häufig eine starke körperliche oder psychische Belastung vorausgeht.2 In MRTs sind direkt nach TGA-Episoden kleine hippocampale Läsionen beschrieben. Daher wird eine stressbedingte transiente Hemmung der Gedächtnisbildung im Hippocampus als Ursache vermutet. Diverse Studien haben Effekte von Stress auf explizites und implizites Lernen gezeigt. Eine partielle Einsicht scheint jedoch erhalten zu sein, welches zu den für die TGA typischen, wiederholten, irritierten Fragen führt ("Was habe ich gerade gemacht?").

Der Patient, ein geriatrischer Psychiater, beschreibt Jahre nach dem Ereignis in einem Fallbericht1, wie beängstigend und ernüchternd es war, seine kognitiven Fähigkeiten zu verlieren. Er hoffte, dass sich eine TGA als seine Diagnose herausstellen würde. Episoden von TGA können zwar erneut auftreten, sind aber nicht mit einem höheren Risiko für Apoplex oder Krampanfälle assoziiert. Sein beruflicher Hintergrund ließ ihm jedoch sofort all die anderen Differentialdiagnosen bewusst werden, von denen keine ein beruhigender Gedanke war. Jeder Moment, der verging und jedes normale Untersuchungsergebnis halfen, ihm rückzuversichern, dass er weder auf der Stelle sterben, noch eine bleibende neurologische Behinderung davontragen würde. Doch trotz der Zusicherungen seines Behandlungsteams konnte er den nagenden Verdacht, dass es doch ein ischämisches Ereignis sein könnte, nicht völlig beiseite schieben.

Während er in der Klinik sein Denken über Stunden als verlangsamt empfand, wirkte er auf andere in Konversationen und bei Untersuchungen normal. Über die nächsten Tage ergab eine gründliche Diagnostik keinen Anhalt für eine strukturelle Hirnläsion, eine Emboliequelle oder epileptische Aktivität. Er wurde mit der vorläufigen Diagnose TGA entlassen und bis heute traten keine erneute Amnesie oder andere neurologische Ereignisse auf.

Wie das biopsychosoziale Modell in einer betriebswirtschaftlich organisierten Umgebung umsetzen?

Die persönliche Erfahrung habe ihm zu einem tieferen Verständnis dessen verholfen, was Patienten mit kognitiven Defiziten durchmachen, resümiert er. Außerdem ist ihm ein verstärktes Bewusstsein für die Fragilität seiner kognitiven Fähigkeiten geblieben, die er früher als selbstverständlich betrachtet hatte.

Der Grund, warum er acht Jahre mit der Niederschrift seines Erlebnisses wartete, ist, dass er anderen Kollegen das für ihn an diesem Fall Wichtigste mitgeben wollte, ohne jedoch seinem damaligen Behandlungsteam, mit dem er ansonsten sehr zufrieden war, zu nahe zu treten.

Als Teil der Abklärung einer vermuteten TGA fragten damals mehrere Ärzte und Pflegekräfte in der Notaufnahme und auf Station unabhängig voneinander nach kürzlichen belastenden Ereignissen. Der Patient gab jedes Mal die gleiche Antwort: "Gestern war die Beisetzung meines Schwiegervaters." Jeder Untersucher nickte verständnisvoll und fuhr mit der restlichen Anamnese und Untersuchung fort. Niemand stellte eine offene Frage, die diesen Verlust weiter ergründete.

In seinem Empfinden lag dies hauptsächlich an der Einstellung, dass solche persönlichen Informationen nichts an der Diagnostik oder Therapie geändert hätten. In diesem Kontext würden viele keine Zeit mit der Erhebung scheinbar für das weitere Vorgehen nicht relevanter Details verbringen. Die Realitäten unserer Gesundheitssysteme erschweren solche Bemühungen. "Ohne Zweifel hatte das Team viele andere Patienten in einer kurzen Zeit zu betreuen, von denen die meisten schlimmer krank waren als ich, nebst den zahlreichen anderen Aufgaben, die in ihrer Summe das Wohlbefinden zu vieler überlasteter Ärzte beeinträchtigen", schreibt er. Sein Behandlungsteam bestand aus von ihm sehr geschätzten Mitgliedern des akademischen Zentrums, welches jahrelang seine glückliche Arbeitsstelle war. Er erlebte die Qualität seiner Versorgung als sehr gut und die Interaktionen mit dem Personal eigentlich als freundlich und umsorgend. Seine Position im Dekanat oder die Anwesenheit seiner Frau im Zimmer könnten ebenfalls ein Hemmnis für sehr persönliche Nachfragen dargestellt haben, räumt er ein.

Take-Home-Gedanken

Dennoch, über 40 Jahre, nachdem er zum ersten Mal vom biopsychosozialen Modell hörte (welches postulierte, dass Daten aus biologischen, psychischen und sozialen Ebenen alle wesentlich für die medizinische Praxis sind), ist er überzeugt, dass die richtige Reaktion gewesen wäre, kurz auf seine Aussage bezüglich der Beerdigung einzugehen – wenn nicht beim Erstkontakt, dann im Verlauf. Er nahm wahr, dass die Behandler sich vielleicht nicht sicher waren, ob eine offene Frage wertvolle Informationen liefern oder vom aktuell Notwendigen weg führen würde.

Eine Nachfrage hätte wahrscheinlich nicht klären können, ob sein intensives Workout, die emotionale Belastung oder beides seine TGA ausgelöst haben könnten. Sie hätte aber unter anderem zutage gefördert, dass der kürzliche Tod des schon lange kranken Schwiegervaters ihn an seinen Vater erinnerte, der an Leukämie verstarb, als er sechsjährig war. Seither hat er ein besonderes Verhältnis zu Krankheit und Verlust.

Er drückt aus, dass er sich besser auf seine Betreuungspersonen hätte einlassen können, wenn diese durch eine Nachfrage aktives Interesse gezeigt hätten. Er hält dies für potenziell ausschlaggebend, gerade wenn es vielleicht um eine ernstere Erkrankung mit schwierigen Entscheidungen und Adhärenz an Therapien gegangen wäre. "Und ich hätte mich einfach besser mit meiner Erfahrung der Erkrankung und Behandlung gefühlt. Die mögliche Wirkung einer zwei- oder fünfminütigen Konversation hätte so wichtig sein können wie fast alles andere, was für mich getan wurde".

Er hofft, dass nun genug Zeit vergangen ist, um – ohne dass seine derzeitigen oder zukünftigen Ärzte ihn skeptisch beäugen oder ihn als undankbaren Patienten missverstehen – das Lehrreiche aus seiner Geschichte herauszuziehen: "Meine letztendliche Botschaft ist eine Hoffnungsvolle: kleine Worte und kurze Investitionen von Zeit und Empathie bergen das Potenzial für jeden von uns, Patienten tiefer zu erreichen. Ich kann bezeugen, dass solche Erfahrungen lange im Gedächtnistagebuch von Patienten verbleiben können, selbst von jenen, die von Amnesie betroffen waren

Referenzen:
1. Lyness, J. M. Any Recent Stressors?—A Memoir of Transient Global Amnesia. JAMA Neurol 77, 1205–1206 (2020).
2. Nees, F. et al. Implicit Learning in Transient Global Amnesia and the Role of Stress. Front Behav Neurosci 10, (2016).