Beim virtuellen ASCO-Kongress präsentierte Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Next-generation sequencing (NGS) und Flüssigbiopsien bei vielen CUP-Patienten Alterationen aufdecken, die einer gezielten Therapie zugänglich wären.
Aufgrund der Coronakrise fand auch der diesjährige Kongress der ASCO (American Society of Clinical Oncology) in verkürzter Form vom 29. Mai bis 1. Juni 2020 virtuell statt. Das Programm war auf wissenschaftliche Präsentationen limitiert. Weiterbildungsinhalte werden im Rahmen eines weiteren Online-Events vom 8. bis 10. August angeboten.
Die Resonanz der über 40.000 Teilnehmer reichte von "etwas Besonderes" bis hin zu "unglaublich langweilig". "Fühlt sich an wie Hausaufgaben", twitterte ein Teilnehmer. Viele lobten zwar, dass eine solche Veranstaltung innerhalb von wenigen Monaten vorbereitet wurde, aber aus den Kommentaren war generell das Empfinden herauszuhören, dass es nicht vergleichbar mit einem wirklichen Kongress ist. Viele Onkologen vermissten die persönlichen Begegnungen, die Kollaboration, das Knüpfen von Kontakten und den Austausch mit Bekannten, die sie lange nicht gesehen haben.
Ein Kollege aus Großbritannien schrieb über den virtuellen Kongress: "Nicht zukunftsfähig. Wir müssen uns persönlich treffen. Onkologie ist ein ungewöhnliches Fach. Wir sind täglich (wenn nicht stündlich) menschlichem Disstress ausgesetzt. Sehr wenige Menschen verstehen, was wir tun und noch weniger würden es selbst tun. Es gibt nicht viele Menschen, mit denen wir reden können. Ich liebe es, Dinge mit meinen Kollegen, die enge Freunde sind, wiederzukäuen."
Zahlreiche Teilnehmer erlebten außerdem technische Probleme. Christopher Merlan, ASCOs digitaler Verantwortlicher, sagte, dass die Konferenz mit Infrastruktur und Technik umgesetzt wurde, die "ursprünglich für andere Zwecke konzipiert gewesen sei."1
Nun aber zu einem der Programmpunkte, der bei vielen Klinikern Interesse weckte: ein spezielles Symposium drehte sich mit einer Reihe von Präsentationen und anschließender Diskussionsrunde um das Thema CUP-Syndrom (Cancer of Unknown Primary = Krebserkrankung mit unbekanntem Primärtumor), welches etwa zwei bis vier Prozent aller Krebserkrankungen ausmacht und damit zu den 10 häufigsten Krebserkrankungen gehört.2,3
Die Vorträge stellten dar, dass sich bei vielen Patienten mithilfe von Next-generation sequencing (NGS) von Tumorgewebe und Analyse zellfreier DNA (cfDNA) in Blutproben potenzielle Angriffspunkte für zielgerichtete Therapien auffinden ließen.
So evaluierte die vorgestellte 'NOMINATOR'-Studie die Umsetzbarkeit genomischer Untersuchungen, um Therapie und Tumor aufeinander abzustimmen. Die über 120 Patienten waren an verschiedenen seltenen Krebsarten erkrankt. Bei mehr als der Hälfte von ihnen (56%) war mindestens eine potenziell therapeutisch verfolgbare Aberration nachweisbar.
Die Moderatoren merkten an, dass molekulare Untersuchungen wie NGS und cfDNA bereits Eingang in die Klinik gefunden haben, insbesondere für Patienten, für die keine klassischen immunhistochemischen Marker zur Verfügung stehen. Ob sich diese pathogenen Veränderungen mittels targeted therapies so ausnutzen ließen, dass eine Verbesserung der Outcomes daraus resultiert, ist derzeit allerdings noch nicht ausreichend belegt, warnten die Experten.
Eine weitere Studie untersuchte cfDNA und fand, dass von fast 2.000 Patienten mit CUP nahezu jeder Zweite (46%) genomische Alterationen hatte, die mit Ansprechen oder Resistenz auf Therapien assoziiert sind. Bei einem dieser Patienten, einem 62‑Jährigen mit schlecht differenziertem CUP und zu wenig Gewebe für NGS, offenbarte die cfDNA-Analyse KRAS- und ARID1A-Mutationen. Nach 16 Wochen zielgerichteter Therapie mit Trametinib und Olaparib war sein Tumor fast verschwunden und dem Patienten geht es aktuell weiterhin gut.
Auch wenn randomisierte Daten derzeit noch fehlen, sind solche von individuellen Patienten gewonnenen Erkenntnisse vielversprechend. Einer der Moderatoren sagte, dass er bei seinem nächsten Patienten mit CUP wahrscheinlich NGS einsetzen würde, weil es Targets für Medikamente identifizieren könne, die wir standardmäßig in der Behandlung des CUP‑Syndroms nicht einsetzen würden. Ob wir den Patienten damit wirklich etwas Gutes tun, müsse in randomisierten Studien überprüft werden. Auch in der anschließenden regen Kommentarrunde hieß es: "Bei CUP sollte tumorbasierte genetische Testung obligatorisch zum Upfront-Algorithmus gehören."4,5
Referenzen:
1. A Bumpy Virtual #ASCO20; Returning to Chicago in 2021? Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/931723.
2. CUP-Syndrom - Deutsche Krebsgesellschaft. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/andere-krebsarten/cup-syndrom.html.
3. Wie häufig ist das CUP-Syndrom? - Deutsche Krebsgesellschaft. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/krebsarten/andere-krebsarten/cup-syndrom/definition-und-haeufigkeit.html.
4. Redefining Cancer of Unknown Primary: Is Genomics the Answer? https://meetinglibrary.asco.org/session/12797.
5. New Approaches Lessen Mystery of Cancer of Unknown Primary. Medscape http://www.medscape.com/viewarticle/932161.