EIne kürzlich veröffentlichte Evaluation der IARC (International Agency for Research on Cancer) klassifiziert Nachtschichtarbeit als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen".
Eine Gruppe von 27 Wissenschaftlern aus 16 Ländern hat kürzlich im Namen der IARC die Einschätzung des Krebsrisikos durch Nachtschichtarbeit erneuert, wie die Juli-Ausgabe des Lancet Oncology berichtet.1–3
Die Arbeitsgruppe beschreibt mit Nachtschichtarbeit Tätigkeiten während der regulären Schlafenszeiten der Allgemeinbevölkerung, einschließlich transmeridianem Luftverkehr. Besonders häufig ist dies in Gesundheitswesen, Produktion, Logistik, Einzelhandel und im Dienstleistungsbereich.
Die Zerrüttung der zirkadianen Rhythmen der normalen Physiologie ist der ausgeprägteste Effekt von Nachtarbeit.
Sowohl beim Menschen als auch im Tiermodell gibt es solide Belege dafür, dass Verschiebungen das Hell-Dunkel-Rhythmus die Melatoninspiegel und die Expression zentraler zirkadianer Gene verändern. Hinsichtlich Schlüsseleigenschaften von Karzinogenen gibt es starke mechanistische Nachweise aus experimentellen Systemen, die auf Effekten wie Immunosuppression, chronischer Inflammation und Zell-Proliferation gründen.
2007 hatte die IARC "Schichtarbeit mit Störung der zirkadianen Rhythmen" bereits unter 2A (wahrscheinlich krebserregend für den Menschen) eingestuft. Für die jetzige aktualisierte Evaluation wurde eine große Anzahl neuer (nach 2007 veröffentlichter) epidemiologischer Studien hoher Qualität herangezogen. Jedoch merkte das Gremium beträchtliche Unterschiede hinsichtlich der zur Nachtarbeit verfügbaren Informationen an, bspw. lieferten Fall-Kontroll-Studien detailliertere Angaben zur Exposition als Kohortenstudien.
Die größte Anzahl von Arbeiten untersuchte Brustkrebs, etliche Prostata- und Kolorektalkrebs, und eine geringere Anzahl war anderen Tumorentitäten gewidmet.
Die Evaluation gründete auf umfassender Literaturrecherche, Sichtung der Studien nach etablierten Einschlusskriterien und Beurteilung der Studienqualität, einschließlich standardisierter Expositionsermittlung. Die aussagekräftigsten Arbeiten zu Krebs beim Menschen erhielten größeres Gewicht, gemessen an methodischen Merkmalen, wie Stichprobengröße, möglichen Selektionseffekten, Genauigkeit der Nachtarbeitserfassung und Kontrolle für potentielle Störvariablen.
Die Arbeitsgruppe kam zu dem Ergebnis, dass die limitierte vorhandene Evidenz für ein erhöhtes Risiko für Brust-, Prostata- und Kolorektalkrebs durch Nachtarbeit spricht.
Die jetzige Bewertung basiert auf limitierter Evidenz zu Krebs beim Menschen, hinreichender Evidenz zu Krebs an Versuchstieren und starker mechanistischer Evidenz aus Tiermodellen.
Die aufgrund dieser Datenlage getroffene Einstufung "wahrscheinlich krebserregend" sagt vor allem Eines aus: dass weiterer Abklärungsbedarf besteht. Sie beinhaltet keine quantitative Angabe, um wie viel sich welche genauen Risiken erhöhen und die Definition der Klassifikation "wahrscheinlich krebserregend" lässt es letztendlich offen, wie stark der Zusammenhang besteht.
Menschen, die einem Beruf mit häufigen Nachtschichten nachgehen, unterscheiden sich möglicherweise von anderen Erwerbstätigen hinsichtlich einer Reihe von beruflichen, individuellen, Umwelt- und Lebensstil-Faktoren, die das Krebsrisiko ebenfalls beeinflussen könnten. Auch schwanken Ausmaß, Art und Vorschriften an verschiedenen Orten und über unterschiedliche Beschäftigungssektoren.
Dies stellt zwar eine methodische Herausforderung dar, aber dennoch bleibt die Frage, warum ein Risikofaktor, der so viele Menschen betrifft, noch immer nicht besser untersucht ist. Etwa jeder Fünfte Erwerbstätige weltweit wird in Nachtdiensten eingesetzt.
Referenzen:
1. McConway, K. Cancer and night shift work: what we still do not know and why. The Lancet Oncology 20, 1051–1052 (2019).
2. Ward, E. M. et al. Carcinogenicity of night shift work. The Lancet Oncology 20, 1058–1059 (2019).
3. Night Shift Work Classified as Probably Carcinogenic to Humans. Available at: https://www.esmo.org/Oncology-News/Night-Shift-Work-Classified-as-Probably-Carcinogenic-to-Humans.