HPV-Impfung in Deutschland: Unbegründete Skepsis gefährdet die Gesundheit vieler junger Frauen – und Männer

In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 5.000 Frauen an einem Zervixkarzinom, von denen mindestens ein Drittel auch daran stirbt. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt bei Mitte 40. Mehr als 100.000 weitere müssen sich aufgrund teils hochgradiger Läsionen am Gebärmutterhals einer Konisation unterziehen.

In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 5.000 Frauen an einem Zervixkarzinom, von denen mindestens ein Drittel auch daran stirbt. Der Altersgipfel der Erkrankung liegt bei Mitte 40. Mehr als 100.000 weitere müssen sich aufgrund teils hochgradiger Läsionen am Gebärmutterhals einer Konisation unterziehen.

Der deutsche Prof. Harald zur Hausen war es, der bereits in den 1970ern erstmals einen Zusammenhang zwischen einer persistierenden Infektion mit bestimmten Humanen Papillomaviren (HPV) und einer nachfolgenden Entartungsgefahr beschrieb – eine nicht nur für die gynäkologische Onkologie bahnbrechende Erkenntnis, für die er 2008 auch den Medizin-Nobelpreis erhielt.

Nach der experimentellen Bestätigung dieser Kausalität wurde auch eine Beteiligung von HPV Typ 16 und 18 an diversen anderen, vor allem anogenitalen Tumoren – explizit auch bei Männern – festgestellt.

Bei Frauen sind allein diese beiden Hochrisiko-Typen für bis zu 70 % aller Zervixkarzinome verantwortlich, der Rest höchstwahrscheinlich durch weitere, großteils bereits identifizierte Subtypen.

Umgekehrt gilt darüber hinaus: Rund 80 % der sexuell aktiven Frauen sind mit HPV infiziert  – laut verschiedenen Studien aus Deutschland und den USA über ein Fünftel mit potenziell krebserregenden Hochrisiko-Varianten.

Bevor die Sexualität erwacht

Seit 2006 existiert nun ein Impfstoff gegen HPV – zunächst mit Cervarix als bivalente Form gegen Typ 16 und 18, später mit Gardasil auch als tetravalentes Präparat, welches zusätzlich gegen HPV 6 und 11 wirkt und damit auch Niedrig-Risiko-Typen einschließt, die maßgeblich für die Entstehung von Genitalwarzen verantwortlich sind. Seit 2015 gibt es für die Vierfach-Vakzine ein Nachfolge-Produkt: Gardasil 9, eine Neunfach-Impfung, welche mit den Subtypen 31, 33, 45, 52 und 58 fünf weitere, für die Entstehung von Gebärmutterhalskrebs relevante HPV-Typen abdeckt.

Alle Impfvarianten gelten als gut verträglich, sicher und wirksam. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Impfung von Mädchen zwischen 9 und 14 Jahren mit dem Ziel, die Krankheitslast durch das Zervixkarzinom und seine Vorstufen zu verringern. Wird die HPV-Impfung in diesem Alter versäumt, kann sie bis zum 18. Geburtstag nachgeholt werden, was wie bei den jüngeren Jahrgängen auch von den Kassen bezahlt wird. Bei ganz jungen Mädchen reichen zwei Impftermine im Abstand von 6 Monaten, bei älteren werden drei Gaben empfohlen. Diese können unter anderem durch Haus-, Frauen- oder Kinderärzte vorgenommen werden.

Das frühe Alter wird bewusst gewählt, um rechtzeitig vor den ersten sexuellen Kontakten und damit vor einer möglichen Infizierung eine effektive Immunisierung sicherzustellen.

Auch Jungs impfen

Klinische Studien zeigen, dass durch den Impfstoff Infektion, Manifestationen hochgradiger Vorstufen des Zervixkarzinoms sowie Feigwarzen größtenteils verhindert werden können. Gardasil ist auch für Jungen zugelassen und schützt sie sowie ihre späteren Partnerinnen vor diesem, durch Intimkontakt übertragbaren Virus. Viele Urologen und auch deren Berufsverband sprechen sich daher ausdrücklich für eine parallele Immunisierung männlicher Jugendlicher aus.

Eine HPV-Infektion durch die Impfung ist ausgeschlossen, da nur einzelne Bestandteile des Virus verwendet werden. Forscher gehen zudem davon aus, dass die Impfung gegen die Typen 16 und 18 im Sinne einer Kreuzimmunität sogar noch vor anderen, seltenen high-risk-Papillomaviren schützt.

Die Wahrscheinlichkeit von Gebärmutterhalskrebs kann durch die HPV-Impfung nach Meinung von Fachkreisen um 70 % reduziert werden – mit der neunfachen Impfung wahrscheinlich sogar um 90 %. Und auch die Rate von Anal- oder Peniskarzinomen und deren Vorstufen scheint durch die HPV-Impfung abzunehmen.

Ein endgültiger Beleg kann naturgemäß erst mit Verzögerung erfolgen, da die Entwicklung eines Karzinoms aus dem viral veränderten Gewebe in der Regel mindestens 15 Jahre dauert und die Impfung noch nicht ganz so lange auf dem Markt ist. Allerdings ist auch hinreichend bekannt: Wo keine Dysplasie, da meist auch kein Zervixkarzinom!

Durchweg überzeugende Studienlage

In Ländern, in denen die Impfung schon länger verfügbar ist, zeigte sich bereits, dass die Rate von OP-bedürftigen  Zellveränderungen am Gebärmutterhals um zwei Drittel zurückging. Auch mehrere weltweit durchgeführte Studien belegten einen Rückgang der zervikalen Präkanzerosen und auch deutsche Erhebungen wiesen klar eine Reduktion von Hochrisiko-HPV-Infektionen sowie Genitalwarzen nach.

Umso unverständlicher, dass trotz Vorhandenseins dieser offensichtlich hocheffektiven Präventivmaßnahme, die allgemeine Akzeptanz in Deutschland noch recht gering ist. Während bei den "Kinderkrankheiten" Durchimpfungsraten von über 90 % erreicht werden, sind gegen HPV nur maximal 40 % der anspruchsberechtigten Mädchen immunisiert.

Man könnte etwas polemisch fragen, warum man die Tochter selbstverständlich vor Mumps und Windpocken schützt, die mögliche Prävention eines Zervixkarzinoms hingegen unterlässt?

Ein Grund ist sicher, dass die eh engmaschige medizinische Betreuung im Säuglingsalter die Impfwahrscheinlichkeit vergrößert, während man viele Teenager erst aktiv von einem, rein prophylaktisch motivierten Arztbesuch überzeugen muss. Hier könnten Schulimpfprogramme helfen, wie sie beispielsweise in Australien durchgeführt werden, wo mittlerweile über 90 % der Mädchen geimpft sind.

Zwischen Hype und Hexenjagd

Es scheint hierzulande aber tiefer reichende Gründe zu geben, denn auch ohne flächendeckende Programme liegt in vielen anderen europäischen Ländern die HPV-Impfrate bei 80 % und in den USA – trotz oftmals fehlender staatlicher Krankenversicherung – bei immerhin noch 60 %. Auch die WHO empfiehlt, die HPV-Impfung in die nationalen Immunisierungsprogramme aufzunehmen.

Nach den ersten Begeisterungsstürmen bei Einführung der Impfung – mit zugegebenermaßen teilweise auch fragwürdigen Marketing-Maßnahmen – nahm hierzulande die Skepsis schnell überhand. Ein paar Meinungsbildner äußerten öffentlich Zweifel bezüglich der Wirksamkeitsabschätzung und einige kurzzeitige Ohnmachtsanfälle nach Impfgabe fanden schnell den Weg in die Medien. Als dann noch zwei angebliche Todesfälle dazu kamen, war – zumindest bei den hiesigen Impfkritikern das Urteil gefällt: lebensgefährlich, skandalös...

Mittlerweile wurden in großen internationalen Studien die bisher evaluierbaren klinischen Erwartungen an eine solche Impfung allesamt erfüllt – oft noch weit übertroffen. Unter anderem konnte nachweislich die Zahl auffälliger und behandlungsbedürftiger Zellveränderungen am Gebärmutterhals gesenkt werden. Und auch in puncto Sicherheit gilt die HPV-Impfung – mit der Erfahrung von weit über 150 Millionen Verabreichungen – als ebenso sicher wie jede andere Standard-Vakzinierung. Kein einziger der wenigen Todesfälle konnte zweifelsfrei mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden.  

Vernünftige Aufklärung tut not

Zwischenzeitlich findet man auch bei manchen Kritikern eine Kehrtwende nach dem Motto "offensichtlich doch deutlich besser als befürchtet".

Aber wie das halt so ist: Ist der Ruf erst ruiniert... ist es nicht so leicht, einmal manifestierte Befürchtungen wieder gänzlich abzustreifen – und seien die untermauernden Fakten noch so schlüssig.

Ich selbst nehme mich da gar nicht aus: Eigentlich nie wirklich mit dem Thema beschäftigt, hatte ich diesbezüglich auch eher nur ein paar der damaligen Negativ-Schlagzeilen im Gedächtnis. Nachdem ich mich im Zuge dieses Artikels mal ernsthaft mit der Datenlage befasst habe, steht für mich fest, dass unsere kleine Tochter beizeiten natürlich auch durch diese Impfung geschützt werden soll.

Quellen: 
Schulte Strathaus R. Dtsch Arztebl 2013; 110(23-24): A-1207 HPV-Impfung: Effektivität wird statistisch evident
Klug S., Garbe Y. Aktueller Stand der HPV-Impfung in Deutschland. Der Onkologe. June 2017, Volume 23, Issue 6, pp 409–414
Robert-Koch-Institut & Zentrum für Krebsregisterdaten (Hg.): Bericht zum Krebsgeschehen in Deutschland 2016
Schwarz TF et al. Four-year follow-up of the immunogenicity and safety of the HPV-16/18 AS04-adjuvanted vaccine when administered to adolescent girls aged 10-14 years. Journal of Adolescent Health 2012; 50:187-94
Brotherton J et al. Early effect of the HPV vaccination programme on cervical abnormalities in Victoria, Australia: an ecological study. Lancet 2011; 377(9738): 2085-2092 
Hillemanns, P. HPV-Impfung: Was gibt es Neues? ÄP Gynäkologie 2_2014
Poethko-Müller, C. et al. Impfstatus und Determinanten der Impfung gegen humane Papillomviren (HPV) bei Mädchen in Deutschland. Ergebnisse der KiGGS-Studie. Bundesgesundheitsblatt 2014 57:869-877