Immuncheckpoint-Inhibitoren: endokrine Nebenwirkungen (Teil III)

Unser Dreiteiler schließt diese Woche: mit den selteneren ICI-induzierten Endokrinopathien.

Unser Dreiteiler schließt diese Woche: mit den selteneren ICI-induzierten Endokrinopathien.

Aufgrund der wachsenden Zahl mit Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs) behandelter Patienten ist eine multidisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Onkologen, Endokrinologen und Immunologen erforderlich und die Patienten sollten eine langfristige Nachsorge erhalten. In Teil I hatten wir bereits Schilddrüsenfunktionsstörungen unter Immuntherapien und in Teil II Hypophysitiden thematisiert.
Angesichts der hohen Inzidenz und des potenziell lebensbedrohlichen Charakters immunvermittelter Nebenwirkungen (irAEs), wenn sie nicht sofort erkannt und angemessen behandelt werden, wird die Überwachung der TSH- und fT4-Werte vor jeder ICI-Infusion für mindestens die ersten fünf Therapiezyklen empfohlen.

Wenngleich seltener, können auch die Nebenniere, die Bauchspeicheldrüse und die Nebenschilddrüsen betroffen sein, was sich in primärer Nebenniereninsuffizienz, Autoimmundiabetes und Hypoparathyreoidismus äußern kann.1 Darum geht es in diesem Beitrag. Patienten sollten vorab über die Symptome von Nebenniereninsuffizienz und Hyperglykämie aufgeklärt werden.2

Autoimmunadrenalitis (primäre NNR-Insuffizienz)

Ein seltene, aber ernste Komplikation ist eine Entzündung der Nebennieren, die vor allem unter Kombinationstherapien auftreten kann (Inzidenz 4,2 % versus 0,7 % unter Monotherapie).2,3

Klinische Zeichen wie Fatigue, Hypovolämie, Hypotonie, Hyponatriämie, Hyperkaliämie, Hypoglykämie, Fieber, abdominelle Schmerzen, Veränderungen der Hautpigmentierung und Gewichtsverlust sollten an eine Nebenniereninsuffizienz denken lassen.
Neben den Vitalzeichen kommt der Bestimmung des morgendlichen, nüchternen Cortisols und ACTHs größte Bedeutung zu, zudem sollten Blutzucker und Elektrolyte überwacht werden. Bei erniedrigten Cortisol- und erhöhten ACTH-Spiegeln kann die Diagnose einer primären NNR-Insuffizienz gestellt werden. Sind beide erniedrigt, handelt es sich um eine sekundäre NNR-Insuffizienz (s. Teil II). Cave: auch Hypophysitis und primäre NNR-Insuffzienz zugleich sind möglich. Sofern das Serumcortisol nicht sehr niedrig ist (<3 μg/dL) kann bei Verdacht auf eine primäre NNR-Insuffizienz ein ACTH-Stimulationstest zur Bestätigung herangezogen werden.

Klinische Leitlinien empfehlen abhängig von der Klinik folgendes Vorgehen:2,3

Da eine Nebenniereninsuffizienz selten reversibel ist, benötigen die Patienten in der Regel eine langfristige Hormonersatz-Therapie sowie eine Schulung zum Umgang mit Situationen, in denen der Glukokortikoid-Bedarf erhöht ist (z. B. zwei- bis dreifache Dosis unter Stress).

Autoimmundiabetes

Aufgrund der hohen Morbidität im Zusammenhang mit Diabetes ist ein ICI-vermittelter Insulinmangeldiabetes trotz seiner Seltenheit von klinischer Relevanz, gibt ein Review zu bedenken, welches die Häufigkeit mit 0,2 bis 1,4 % aller mit ICIs behandelten Patienten beziffert. "Da ICIs zunehmend bei Krebserkrankungen in niedrigeren Stadien, auch in der adjuvanten Therapie und in komplexen therapeutischen Kombinationen, eingesetzt werden, ist es unbedingt erforderlich, sich über das Risiko einer unerwünschten Wirkung mit so großen Auswirkungen auf die Lebensqualität im Klaren zu sein."4

Die Zeit bis zum Auftreten kann wenige Wochen bis zu 12 Monate nach ICI-Therapie betragen – wenn sich diese Komplikation entwickelt, dann allerdings rascher als bei T1DM. Antikörper sind nur bei der Hälfte der Patienten nachweisbar.4

Steroide scheinen das Ausfallen der β-Zellen nicht umzukehren, aber die Insulinresistenz zu verschlimmern.4 Die Immuntherapie sollte sofort und bis zum Erreichen einer guten Blutzuckerkontrolle ausgesetzt und schnellstens eine Insulintherapie eingeleitet werden.
In einer Fallserie mit 24 Betroffenen präsentierten sich 75% initial mit einer Ketoazidose.5 Bei dieser schwerwiegenden Stoffwechselentgleisung sind Rehydrierung, kontinuierliche Insulininfusion und Überwachung der arteriellen Blutgase, des pH-Wertes und der Elektrolyt-Verschiebungen angezeigt. 

Hypoparathyreodismus

Eine Nebenschilddrüsen-Unterfunktion ist eine Rarität, zu der nur eine handvoll Berichte vorliegen.6–9 Kennzeichnend sind eine akute Hypokalzämie und erniedrigte Parathormon-Spiegel, die sich einen Monat bis zu ein Jahr nach Therapie entwickeln können.
Bei dem ersten, in 2017 beschriebenen Fall9, einem Melanompatienten unter Kombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab, entwickelten sich zusätzlich zu einem schwerst erniedrigten Serum-Kalzium (5 mg/dL) eine Hyperphosphatämie und eine Thyreotoxikose, welcher eine primäre Schilddrüsenunterfunktion folgte. Nach mehreren Monaten hatten sich weder Schilddrüsen- noch Nebenschilddrüsenfunktion erholt. Selbst in dem Bericht mit der längsten Nachbeobachtungszeit (über drei Jahre) war weiterhin eine Substitution mit Kalzium und Kalzitriol notwendig.10

Es wird angenommen, dass die Mechanismen von irAEs heterogen sind und Gewebezerstörung durch T-Zellen (Myokarditis, Vitiligo), entzündliche Zytokine (Colitis), Komplementaktivierung (Hypophysitis) und Autoantikörper (Thyreoiditis, Hypoparathyreodismus) ein Rolle spielen könnten.4
Weitere Studien sind dringend vonnöten, um die Pathogenese der ICI-induzierten endokrinen Dysfunktion und die Prädiktoren für unerwünschte Reaktionen besser zu verstehen. 

Fazit 

Die häufigsten mit einer Anti-PD-1-MAb-Behandlung assoziierten endokrinen irAEs sind Schilddrüsenfunktionsstörungen, während Hypophysitiden unter Anti-CTLA-4-Behandlung häufiger sind. Typ-1-Diabetes mellitus und Adrenalitis sind seltene irAEs. Kombinationstherapien (Anti-CTLA-4 plus Anti-PD-1/PD-L1) gehen mit einer erhöhten Prävalenz endokriner Nebenwirkungen einher. Sie treten meist mit einer gewissen Latenz auf, im Median neun Wochen nach Therapiebeginn (5–36 Wochen).3

Die Autoren einer klinischen Leitlinie zur ICI-induzierten endokrinen Dysfunktion schließen:
"Kliniker und Patienten müssen verstehen, dass die meisten endokrinen Dysfunktionen nicht wiederhergestellt werden können. [...] Einige endokrine Notfälle, wie die Nebennierenkrise, können – wenn sie nicht frühzeitig erkannt und adäquat behandelt werden – das Leben des Patienten gefährden. Daher sollte der Beurteilung der endokrinen Funktion angemessene Aufmerksamkeit gewidmet werden und Endokrinologen müssen an der Diagnose und Nachsorge der Patienten mitwirken."3

Referenzen:
1. Rubino, R. et al. Endocrine-related adverse events in a large series of cancer patients treated with anti-PD1 therapy. Endocrine (2021) doi:10.1007/s12020-021-02750-w.
2. Barroso-Sousa, R. et al. Endocrine dysfunction induced by immune checkpoint inhibitors: Practical recommendations for diagnosis and clinical management. Cancer 124, 1111–1121 (2018).
3. Duan, L. et al. Clinical diagnosis and treatment of immune checkpoint inhibitors-related endocrine dysfunction. Thoracic Cancer 11, 1099–1104 (2020).
4. Quandt, Z., Young, A. & Anderson, M. Immune checkpoint inhibitor diabetes mellitus: a novel form of autoimmune diabetes. Clin Exp Immunol 200, 131–140 (2020).
5. Gauci, M.-L. et al. Autoimmune diabetes induced by PD-1 inhibitor-retrospective analysis and pathogenesis: a case report and literature review. Cancer Immunol Immunother 66, 1399–1410 (2017).
6. El Kawkgi, O. M., Li, D., Kotwal, A. & Wermers, R. A. Hypoparathyroidism: An Uncommon Complication Associated With Immune Checkpoint Inhibitor Therapy. Mayo Clinic Proceedings: Innovations, Quality & Outcomes 4, 821–825 (2020).
7. Lupi, I. et al. Activating Antibodies to The Calcium-sensing Receptor in Immunotherapy-induced Hypoparathyroidism. J Clin Endocrinol Metab 105, dgaa092 (2020).
8. Trinh, B., Sanchez, G. O., Herzig, P. & Läubli, H. Inflammation-induced hypoparathyroidism triggered by combination immune checkpoint blockade for melanoma. J Immunother Cancer 7, 52 (2019).
9. Win, M. A., Thein, K. Z., Qdaisat, A. & Yeung, S.-C. J. Acute symptomatic hypocalcemia from immune checkpoint therapy-induced hypoparathyroidism. The American Journal of Emergency Medicine 35, 1039.e5-1039.e7 (2017).
10. Deligiannis, N. G., Sosa, S., Danilowicz, K. & Rizzo, L. F. L. Endocrine dysfunction induced by immune checkpoint inhibitors. Medicina (B Aires) 81, 269–278 (2021).