Wir können nicht davon ausgehen, dass Patienten alles therapeutisch Denkbare in Anspruch nehmen wollen. Wenn Patienten dazu in der Lage sind, sollte die Entscheidung bei ihnen liegen. Die Möglichkeit, die Therapien einzustellen, sollte so viel besprochen werden wie andere Optionen auch.
In der Weiterbildungs-Sektion des British Medical Journal gibt es einen Themenkomplex, genannt "Was Ihr Patient denkt", in dem Patienten ihre Erfahrungen mit Krankheiten und Therapien schildern und uns einen Einblick geben, was Ihnen besonders geholfen hat (oder was ihnen gefehlt hat).
In einem aktuellen Artikel schilderte eine onkologische Patientin, wie schwierig es für sie war, ihren Wunsch nach keiner weiteren Therapie – vor allem an ihre Behandler – zu kommunizieren.1
Molly Bartlett erhielt vor 20 Jahren die Diagnose eines Nierenzellkarzinoms und unterzog sich einer Nephrektomie. Als 2013 drei weitere Tumore entdeckt wurden, entschied sie sich, aus der (in ihren eigenen Worten) "medizinischen Tretmühle" auszusteigen und keine weitere Behandlung, OP oder Dialyse anzustreben. Sie wusste, dass die zur Auswahl stehenden Behandlungsoptionen keine Heilung darstellten und wollte ihre verbleibende Zeit bestmöglich genießen.
Eine Formulierung ihrer Geschichte konnte ich gut nachvollziehen: sie fühlte sich unter Druck, weiter zu kämpfen und nicht frühzeitig die weiße Flagge zu schwenken. Oft bringen Familie und Freunde denjenigen in eine solche Situation, selbst wenn die verfügbaren Therapien nur mit einer geringen Hoffnung auf "mehr Zeit" einhergehen. Sie hatte das Glück, einen verständnisvollen und unterstützenden Partner zu haben, der ihre Entscheidung respektierte. In ihrem Fall waren es eher die Behandler, die davon ausgingen, dass sie weitere Behandlungen wünschte und ihr zuweilen das Gefühl gaben, dass es gar keinen Raum gäbe, anders zu denken.
Da sie sich nicht sicher war, die Entscheidung Angesicht zu Angesicht erklären oder dabei bleiben zu können, schrieb sie einen Brief an alle an ihrer Behandlung beteiligten, der ihr half, ihre Wünsche zu sammeln und auszudrücken. Von den Behandlern wollte sie Offenheit und Ehrlichkeit bezüglich dessen, was vor ihr lag und Unterstützung bei vorsorglichen Planungen.
Zu hören, dass keine weitere Diagnostik nötig oder Therapien verfügbar sind, kann sich anfühlen, als bliebe nichts mehr übrig – ein Gefühl, verlassen oder ohne Hoffnung aussortiert zu sein. Doch für Molly Bartlett bedeutete "nichts", ihre verbleibenden Tage ihren Wünschen entsprechend und bedeutungsvoll leben zu können.
"In der Lage zu sein, diese Entscheidung selbst für mich zutreffen, gab mir das Gefühl, wieder die Kontrolle zu haben. [...] Meine Zeit ist mir kostbar und es gibt immer noch Vieles, was ich gern tue – im Garten sein, den Vögeln zuhören und Zeit mit meinem Partner, Freunden, Familie und Haustieren verbringen. Ich habe außerdem mit Sternenbeobachtung angefangen. Ich habe Hoffnung darin gefunden, mich selbst und meine Angehörigen darauf vorzubereiten, meine Wünsche zu erfüllen." Auch sie selbst hatte noch das Gefühl, etwas zu Beziehungen mit Nahestehenden und der Gesellschaft beitragen zu können.
Es ließ sie über ihr Leben reflektieren und darüber, wie sie diesen Teil anders leben wollte. Vor allem wollte sie sich in dieser wichtigen Zeit wie sie selbst fühlen, was weitere Behandlungen hätten vereiteln können. Ihre Priorität lag darauf, positiv zu bleiben und die restliche Zeit zu genießen. Sie wünscht sich ein zufriedenes Lebensende und dabei unterstützt zu werden, es auf ihre Weise zu gestalten. Für sie ist es dabei vor allem wichtig zu wissen, dass diejenigen um sie herum die Hilfe bekommen, die sie brauchen.
Sie hofft, dass das Weitergeben ihrer Erfahrungen zu einer Änderung der Ansichten über Patientenentscheidungen und den Entschluss, die Therapie zu beenden, beitragen kann.
Referenzen:
1. Bartlett, M. Finding hope in dying. BMJ 366, l2416 (2019).