Im ersten Teil dieses Beitrages hatten wir auch die zentrale Rolle der Gewebehypoxie für die Begünstigung des Wachstums von Tumorzellen versus gesunder Zellen skizziert. Einer der Pioniere, der dies bereits vor vielen Jahrzehnten erkannte, war Dr. Otto Warburg, der den Stoffwechsel von Tumoren und die Atmung von Zellen, insbesondere Krebszellen, untersuchte und 1931 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielt. Er schrieb bereits 1966: "Krebs hat, mehr als alle anderen Krankheiten, unzählige sekundäre Ursachen. Fast alles kann Krebs verursachen. Aber selbst für Krebs gibt es nur eine Hauptursache. Die Hauptursache von Krebs ist der Ersatz der Sauerstoffatmung (Oxidation von Zucker) in normalen Körperzellen durch die Gärung von Zucker [...] In jedem Fall geht während der Krebsentwicklung die Sauerstoffatmung immer zurück, Gärung tritt ein und die hochdifferenzierten Zellen verwandeln sich in gärende Anaerobier, die alle ihre Körperfunktionen verloren haben und nur noch die nun nutzlose Eigenschaft des Wachstums und der Replikation behalten."1
Seither hat sich viel getan. Einer der wichtigsten Atemforscher, der Arzt Dr. Konstantin P. Buteyko (1923–2003), hinterließ die Buteyko-Methode, eine Technik, die inzwischen bei tausenden von Menschen mit chronischer Hyperventilation, Luftnot, Schlafapnoe, Atemwegsproblemen und vielen weiteren Störungen erfolgreich eingesetzt wird. Unter anderem erkannte die 'British Medical Thoracic Society' die Buteyko-Methode als Standardbehandlungsoption bei Asthma an, nachdem in klinischen Studien erhebliche Verbesserungen der Krankheitskontrolle sowie eine Reduktion des Bedarfs für Notfall-Inhalativa und Steroide nachgewiesen wurden.2 Mithilfe der Daten zahlreicher solcher Studien wurde Buteykos Methode von seinen Schülern zu einer umfassenden Ergänzungstherapie auch für andere Erkrankungen weiterentwickelt. Die im Folgenden beschriebene Studie ist ein solches Produkt der Nachfolger Buteykos. Heute bestehen mehrere Fachgesellschaften, die stetig wachsen und über die zertifizierte Atemtrainer ausgebildet und gefunden werden können, die größte unter ihnen ist die 'Buteyko Clinic International' (BCI).
Im Rahmen einer kontrollierten klinischen Studie3,4 an 120 Patientinnen mit metastatischem Brustkrebs (T1–2,N1,M0) erhielten 53 Patienten die Standardtherapie (u. a. chirurgische Tumorresektion), die anderen 67 Patienten praktizierten zusätzlich tägliche Atemübungen. Die 3-Jahres-Mortalität betrug in der Interventionsgruppe 4,5 % und in der Kontrollgruppe 24,5%. Alle Patienten, die ihre Atmung normalisierten, überlebten.
Neben der geringeren Sterblichkeit und Verbesserungen von Parametern der Lebensqualität fällt die gute Compliance ins Auge: die Teilnehmerinnen praktizierten über einen Zeitraum von drei Jahren täglich ihre Übungen. Eine Atemsitzung dauerte im Schnitt 20 bis 30 Minuten, wie es auch bei Meditationstechniken üblich wäre und dies wiederholten die Frauen mehrmals täglich. Die Patienten waren in der Lage, ihre vor der Intervention abnorm erhöhte Atemfrequenz zu normalisieren (im Schnitt zu halbieren) und auch weitere überwachte Parameter wie das exspiratorische CO2 und die CO2-Toleranz normalisierten sich. Wenn die Erkrankung fortschritt (Metastasierung), entfernten sich die ausgeatmete CO2-Konzentration und Atemtoleranz wieder von den gesunden Werten.
Dr. Artour Rakhimov, ein anderer Schüler Buteykos und selbst Autor von Büchern über Techniken zur Atemoptimierung, ergänzt, dass es für die Untersuchung noch spannend gewesen wäre, die exspiratorische CO2-Konzentration in den letzten Stunden des Schlafes zu messen.4 Zahlreiche epidemiologische Studien konnten zeigen, dass sich Exazerbationen sowie die höchsten Sterblichkeitsraten für kardiale Erkrankungen, Asthma, COPD, Apoplex, Diabetes, Epilepsie und viele andere Erkrankungen in den frühen Morgenstunden häufen (von etwa 4 bis 7 Uhr), wenn die Atmung am schwersten und schnellsten ist (morning hyperventilation effect).
Eine neuere Studie5 an 122 Patienten mit Malignomen von Lunge oder Nasopharynx kam diesbezüglich zu folgendem Fazit: morgendliche Atemübungen verlängern die Lebensspanne durch Verbesserung der Hyperventilation bei Menschen, die an Krebs leiden. Sie dokumentierten ebenfalls Verbesserungen der Blutgase und weiterer atembezogener Parameter. Die 5-Jahres-Überlebensrate betrug in der Ateminterventionsgruppe 56,6% (n = 76), in der Gruppe ohne Atemübungen dagegen 19,6% (p < 0,001). Die Überlebenswahrscheinlichkeit der Atemschulungsteilnehmer entfernte sich in den Folgejahren noch weiter von der Kontrollgruppe und betrug nach 10 Jahren das 17,9-fache der Kontrollpatienten. Teilnehmer der Kontrollgruppe entwickelten insgesamt beinahe doppelt so häufig Metastasen (74,1% versus 40,9%).
Die hier untersuchten Techniken für eine geregelte und gesundheitsförderliche Atmung im Einzelnen zu beschreiben, würde den Rahmen des Beitrages sprengen, aber dem interessierten Arzt, Patienten oder auch einfach Personen, die Schnarchen und ihre Schlafqualität verbessern möchten oder Personen, die viel Stress haben und ihre Gesundheit und Belastbarkeit unterstützen möchten, seien exemplarisch zwei lesenswerte Handbücher zur Buteyko-Methode mit heutigen Erkenntnissen aus verschiedensten medizinischen Bereichen ans Herz gelegt:
Referenzen:
1. Cell Hypoxia: the Prime Cause of Cancer on Cell Level. https://www.normalbreathing.com/rare-diseases-cancer-1-hypoxia/ (2019).
2. About Us. Buteyko Breathing Educators Association https://buteykoeducators.org/about-us/.
3. Paschenko, S. Study of application of the shallow breathing method in a combined treatment of breast cancer. Ukrainian National Journal of Oncology (Kiev, 2001, v. 3, No.1, p. 77-78 (2001).
4. Best Breast Cancer Trial Ever Known: 6 Times Less Mortality. https://www.normalbreathing.com/rare-diseases-cancer-breast-clinical-trial/ (2019).
5. Wu, W.-J. et al. Morning breathing exercises prolong lifespan by improving hyperventilation in people living with respiratory cancer. Medicine (Baltimore) 96, e5838 (2017).