Nanopartikel in der Immuntherapie – ein schnell wachsendes Feld

Trotz Weiterentwicklungen in der Krebstherapie sind echte langfristige Heilungen selten und metastasierte Stadien schwer behandelbar. Daher setzen Ärzte und Patienten große Hoffnungen in neue Immuntherapien. Doch sie wirken nur bei einem Teil der Patienten und bringen zuweilen heftige Nebenwirkungen mit sich. Nanocarrier-Systeme könnten spezifischer auf den Patienten zugeschnittene Therapien ermöglichen.

Trotz Weiterentwicklungen in der Krebstherapie sind echte langfristige Heilungen selten und metastasierte Stadien schwer behandelbar. Daher setzen Ärzte und Patienten große Hoffnungen in neue Immuntherapien. Doch sie wirken nur bei einem Teil der Patienten und bringen zuweilen heftige Nebenwirkungen mit sich. Nanocarrier-Systeme könnten spezifischer auf den Patienten zugeschnittene Therapien ermöglichen.

Ein großes Potential der Immuntherapien besteht in der Blockade zentraler Signalwege, die Tumore ausnutzen, um sich der Zerstörung durch das Immunsystem zu entziehen. Doch wie kann das eigene Immunsystem dazu angestellt werden, Tumorzellen zu bekämpfen, ohne den Rest des Systems wesentlich zu beeinträchtigen?

Nanopartikel als Wirkstoffträger

Nanostrukturierte Trägersysteme erhöhen die Löslichkeit und Bioverfügbarkeit biotechnologischer Therapeutika und können diese vor dem Abbau schützen. Die Oberfläche solcher Träger kann mit biologisch aktiven Funktionsmolekülen (wie Antikörpern, Lektinen, Kohlenhydraten oder Peptiden) versehen werden, um Adhäsion und Interaktion mit biologischen Barrieren, wie der Blut-Hirn-Schranke oder der Darm- oder Lungenschleimhaut , zu verbessern und deren Überwindung zu ermöglichen. Auf diese Weise kann man Arzneistoffe an Wirkorte bringen, die bisher kaum erreichbar waren und ihre Halbwertszeit verlängern.1 Dabei wünscht man sich eine hohe Aktivität des Wirkstoffes am Zielort, oder idealerweise einen selektiv am Wirkort bindenden Wirkstoff, um die systemische Toxizität zu senken.

Verschiedene nanostrukturierte Drug-Delivery-Systeme sind bereits für den klinischen Einsatz zugelassen, so etwa Liposomen, Emulsionen, Polymere, Virosomen, Antikörper-Wirkstoff-Konjugate oder solide Mikropartikel.

Systemische Therapie

Ein großes Problem bei der systemischen Verabreichung bestand seit Jahren in der zu geringen Halbwertzszeit der Nanopartikel, da sie sofort bei Injektion opsonisiert und damit für den Abbau durch mononukleäre Phagozyten (MPS) markiert werden.2 Außerdem können sie der Filtration durch Milz, Leber oder Nieren zum Opfer fallen. Eine Beschichtung mit Substanzen wie Polyethylenglykol (PEG) wirkt hier wie eine "Tarnkappe".

Beispielsweise beim triple-negativen Mammacarcinom (TNBC), für das es bisher keine spezifische Therapie gab, könnten PEG-ylierte Liposomen eine neuen Angriffspunkt eröffnen: die EGFR-Rezeptoren (diese sind bei 50% der TNBCs überexprimiert). Ein sog. "PEG engager", der gleichzeitig an PEG und EGFRs binden kann, hält sich an der Oberfläche der Tumorzellen auf und löst bei Kontakt mit den PEG-ylierten Nanocarriern deren rasche Internalisation in die Zelle aus.3 Untersuchungen in vitro und in vivo (im Mausmodell) lassen eine Steigerung der anti-proliferativen Aktivität von PEG-liposomalem Doxorubicin durch solche "PEG engager" um das bis zu 100-fache erkennen.

Wird ein Nanotherapeutikum durch solch eine Beschichtung geschützt, kommt überdies der sog. "EPR-Effekt" (enhanced permeability and retention) zum Tragen.2 Darunter versteht man eine passive Anreicherung von Makromolekülen, Liposomen oder Nanopartikeln im Tumorgewebe aufgrund der Durchlässigkeit der Tumorgefäße (für Partikel <100nm). Die Nanopartikel gelangen so ins Tumorgewebe hinein und nur schwer wieder heraus (durch den mangelnden lymphatischen Abfluss und erhöhten interstitiellen Flüssigkeitsdruck in Tumoren). Idealerweise sollte das Vehikel erst dort seinen Wirkstoff freisetzen. Hierzu werden spezifisch freisetzende Nanocarrier, die auf Licht, Ultraschall, Magnetfelder, pH-Gradienten, Temperatur, Redox-Potential oder Hypoxie im kranken Gewebe ansprechen, intensiv erforscht.4

Häufig ist auch das Timing ein Problem – die meisten Chemotherapie-Protokolle bestehen aus mehreren Substanzen, die den Tumor aber nicht zeitgleich erreichen. Erodierbaren, das heißt sich im Körper auflösenden Nanopartikeln, gilt daher besonderes Interesse. Vor einer Woche wurde in der Nature über einen Nanocarrier berichtet, der zwei epigenetische Modulatoren für das Adeno-Carcinom des Pankreas "transportiert" und sich aufgrund der im Tumor vorhandenen Enzyme vor Ort auflöst.5

Regulatoren in der Tumormikroumgebung bringen das Immunsystem dazu, gegen uns und für den Tumor zu arbeiten

In der Mikroumgebung von Tumoren tragen verschiedene Prozesse zu deren Fähigkeit bei, sich der Kontrolle durch das Immunsystem zu entziehen. Die Anti-Tumor-Immunität kann durch immunsuppressive Mediatoren unterdrückt werden, die sowohl von den Krebszellen als auch von Bindegewebs- oder Immunzellen sezerniert werden. Zu letzteren gehören MDSCs (Myeloide Suppressorzellen = unreife Zellen, die in der Lage sind, T-Zell-vermittelte Immunantworten zu unterdrücken), TAMs (Tumor-assoziierte Makrophagen) und Tregs (regulatorische T-Zellen), die als mögliche targets erforscht werden.

Krebs-bekämpfende Immunzellen könnten unterstützt werden durch siRNA und kleinmolekulare Inhibitoren, die zur Depletion von MDSCs, TAMs und regulatorischen T-Zellen führen oder durch Hemmung von immunsuppressiven Mediatoren in der Tumormikroumgebung (TGF-β, IDO, Arginase, Prostaglandin E2), viele präklinische Studien hierzu laufen derzeit.2

Der Einsatz epigenetischer Modulatoren war bisher durch deren raschen Abbau und ihre unspezifische Toxizität limitiert. Doch mithilfe spezifischer Nanocarrier könnten sich die Anwendungsmöglichkeiten erweitern. Beispielsweise konnte die Löslichkeit und Effektivität von Vorinostat (Histon-Deacetylase-Inhibitor) durch einen Micellen-Carrier verbessert werden.2

"Immune checkpoint therapies"

Therapien mit Immunsystem-modulierenden Substanzen (monoklonalen Antikörpern, Cytokinen, Wachstumsfaktoren, TLR-Agonisten etc.), die eine effektive und langanhaltende Immunantwort gegen Krebszellen generieren sollen, stellen eine attraktive Strategie dar. Beispiele für Checkpoint Therapien sind Ipilimumab, Pembrolizumab und Nivolumap, die bereits für die Therapie fortgeschrittener Melanome zugelassen sind. Zu schweren Nebenwirkungen gehören jedoch Angriffe gesunder Gewebe durch eigene T-Zellen.

In einem Artikel in ACS Nano wurde vor wenigen Monaten der erste "dual-cell targeting" Nanopartikel vorgestellt. Durch Beschichtung mit 2 verschiedenen Antikörpern schalten "immunoswitch" Partikel einen Signalweg ab, der die Tumorzellen sonst befähigen würde, sich vor dem Immunsystem unsichtbar zu machen – gleichzeitig schalten sie einen Signalweg ein, der die eigenen T-Zellen zum effektiven Angriff gegen den Tumor rekrutiert.6,7 Durch die Nanopartikel-basierte Plattform entstand ein synergistischer Effekt, der im Mausmodell in bis zu 50% der Fälle zu Remissionen führte und die Senkung der Behandlungsdosen zuließ – dies könnte helfen, die sonst bei dualer Immuntherapie schweren Nebenwirkungen zu reduzieren.

Tumor-spezifische T-Zellen, die so selten sind wie eine Nadel im Heuhaufen, könnten außerdem mithilfe paramagnetischer, nanostrukturierter künstlicher APCs (Antigen-präsentierender Zellen) schneller aktiviert und vermehrt werden.8

Ein anderer Ansatz besteht in der Zusammenführung zytotoxischer T-Zellen (CTL) und Tumorzellen durch sog. Umlenker (redirectors). Dies sind Nanopartikel, die sowohl tumorzellbindende Strukturen als auch Moleküle, die spezifisch für CTL sind, auf ihrer Oberfläche tragen.9

Diese Auswahl hat hoffentlich ein kleines Bild des bewegten Feldes der Nanopartikel-gestützten Immuntherapien vermittelt. Wir dürfen auf weitere Entwicklungen gespannt sein...

Referenzen:
1. Pharmazeutische Zeitung online: Nanopartikel als Wirkstoffträger. Available at: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=26089. (Accessed: 11th January 2018)
2. Kapadia, C. H., Perry, J. L., Tian, S., Luft, J. C. & DeSimone, J. M. Nanoparticulate immunotherapy for cancer. J Control Release 219, 167–180 (2015).
3. Su, Y.-C. et al. Conditional internalization of PEGylated nanomedicines by PEG engagers for triple negative breast cancer therapy. Nature Communications 8, 15507 (2017).
4. Ganta, S., Devalapally, H., Shahiwala, A. & Amiji, M. A review of stimuli-responsive nanocarriers for drug and gene delivery. J Control Release 126, 187–204 (2008).
5. Gibori, H. et al. Amphiphilic nanocarrier-induced modulation of PLK1 and miR-34a leads to improved therapeutic response in pancreatic cancer. Nat Commun 9, 16 (2018).
6. Kosmides, A. K., Sidhom, J.-W., Fraser, A., Bessell, C. A. & Schneck, J. P. Dual Targeting Nanoparticle Stimulates the Immune System To Inhibit Tumor Growth. ACS Nano 11, 5417–5429 (2017).
7. First dual-targeting nanoparticles lower cancer’s defenses and attack tumors. ScienceDaily Available at: https://www.sciencedaily.com/releases/2017/06/170607085525.htm. (Accessed: 12th January 2018)
8. Perica, K. et al. Enrichment and Expansion with Nanoscale Artificial Antigen Presenting Cells for Adoptive Immunotherapy. ACS Nano 9, 6861–6871 (2015).
9. Schütz, C. et al. Antigen-specific T cell Redirectors: a nanoparticle based approach for redirecting T cells. Oncotarget 7, 68503–68512 (2016).