Eine neue Studie zeigt auf, dass Krebskranke unter PARP-Inhibitoren ein substanziell erhöhtes Risiko für eine Panzytopenie haben und empfiehlt monatliche Blutbildkontrollen.
Poly-ADP-Ribose-Polymerase (PARP)-Inhibitoren haben die Erhaltungstherapie nach einer Chemotherapie revolutioniert. Sie unterbinden, dass Krebszellen einen durch Zytostatika induzierten DNA-Schaden reparieren.
Prä- und Post-Marketing-Berichte deuteten darauf hin, dass diese Wirkstoffe Panzytopenien auslösen, doch bis vor Kurzem gab es keine detaillierte Studie zu einer möglichen Assoziation.
Dies hat sich nun geändert, nachdem ein Autorenteam der Universitätsklinik Caen Sicherheitsberichte der Pharmakovigilanz-Datenbank der WHO, VigiBase, aus über 20 Jahren ausgewertet hat. Die praxisrelevanten Ergebnisse erschienen im 'JAMA Oncology'.1,2
In den 23.000 Nebenwirkungsberichten der fünf untersuchten PARP-Inhibitoren fanden die Autoren einen signifikanten Zusammenhang mit Panzytopenien. Von den 201 berichteten Ereignissen waren fast alle (194 oder 97%) als schwerwiegend einzustufen.
Bei der Hälfte dieser Patienten entwickelte sich die Panzytopenie frühzeitig – innerhalb der ersten zwei Monate nach Therapiebeginn mit PARP-Hemmern (die mediane Latenz bis zum Onset betrug 1,6 Monate).
Von den 117 Patienten, bei denen der Verlauf dokumentiert war, erholten sich 59 % von der Panzytopenie. Unter den 26%, die sich nicht erholten, traten acht Fälle von sekundärem myelodysplastischen Syndrom (MDS) oder akuter myeloischer Leukämie (AML) auf und weitere 15% der Patienten starben, darunter zwei Todesfälle aufgrund einer Progression der Grunderkrankung, zwei aufgrund von AML und einzelne Fälle von Sepsis, Blutungen und Multiorganversagen.
Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei Patienten mit Panzytopenie gehörten Müdigkeit (29%), Übelkeit (20%), Verstopfung (12%), MDS oder AML (12%) und Erbrechen (10%).3
Daher empfiehlt sich ein sorgfältiges Monitoring der Laborwerte – insbesondere von Hämoglobin, Thrombozyten- und Neutrophilenzahlen. Dieses sollte so bald wie möglich von einer Dosisunterbrechung gefolgt sein, um eine dauerhafte Einstellung der Therapie zu vermeiden, welche das Rezidivrisiko erhöhen könnte, so die Autoren.
Weitere Untersuchungen wären hilfreich. Denn neben der Tatsache, dass die Studie nur RORs (reporting odds ratios) und keine Inzidenz einer PARP-bedingten Panzytopenie berechnen konnte, besteht eine weitere Limitation darin, dass keine anderen Ausgangsfaktoren berücksichtigt wurden, die die Anfälligkeit für eine Panzytopenie unter PARP-Inhibitoren erhöhen könnten (vorangegangene zytotoxische Therapien, Tumorlast und -lokalisation sowie Ausgangslaborwerte).
Doch die Erkenntnisse sind potenziell klinisch bedeutsam, denn die Auswertung verdeutlicht, dass eine Untergruppe von Patienten Panzytopenien entwickelt.1
Das zugehörige Editorial im JAMA nimmt zusätzlich Bezug auf ein besser bekanntes Risiko unter PARP-Therapie: nämlich auf das für hämatologische Toxizitäten, die bei 1% bis 3% der Behandelten mit Ovarialkarzinom auftreten.4 Diese Sekundärmalignome zeichnen sich durch komplexe Karyotypen, häufige Aberrationen in TP53 und eine schlechte Prognose aus, heißt es im Editorial.
In der oben genannten Auswertung gehörten das myelodysplastische Syndrom und eine akute myeloische Leukämie zu den häufig berichteten Nebenwirkungen. Unter Bezugnahme auf eine ihrer Vorarbeiten, die einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von PARP-Inhibitoren und MDS oder AML zeigte, stellen die französischen Wissenschaftler die Hypothese auf, dass eine Panzytopenie ein relevantes Sicherheitssignal für die frühzeitige Erkennung potenzieller PARP-assoziierter MDS oder AML sein könnte.3
Zu hoffen bleibt, dass die Entwicklung von PARP1-selektiven Inhibitoren der nächsten Generation die Toxizitätsprofile verbessern könnte.1
Bislang besteht in der Literatur kein Konsens darüber, welche Patienten für solche seltenen, aber meist unheilbaren Zweitmalignome besonders vulnerabel sein könnten. So fand auch eine aktuelle Metaanalyse keine Assoziation zu zuvor beschriebenen Risikofaktoren (wie etwa BRCA-Mutationen, prolongierte Exposition gegenüber bestimmten Chemotherapeutika und rezidivierte Erkrankung).4
Eine ebenfalls aktuell im Journal publizierte genetische Assoziationsstudie fand jedoch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen therapiebedingten myeloischen Neoplasien und dem Vorkommen von klonalen Zellen mit Variantenallelen für TP53. Diese wiederum sind häufiger nach Exposition gegenüber platinhaltigen Chemotherapien zu finden, die oft vor einer Erhaltungstherapie mit PARP-Inhibitoren zum Einsatz kommen.5
Referenzen:
1. Cancer patients treated with PARP inhibitors need monitoring for pancytopenia. Medical Conferences https://conferences.medicom-publishers.com/specialisation/oncology/cancer-patients-treated-with-parp-inhibitors-need-monitoring-for-pancytopenia/ (2021).
2. Morice, P.-M., Chrétien, B., Da Silva, A., Dolladille, C. & Alexandre, J. Occurrence of Pancytopenia Among Patients With Cancer Treated With Poly(Adenosine Diphosphate–Ribose) Polymerase Inhibitors: A Pharmacoepidemiologic Study. JAMA Oncology (2021) doi:10.1001/jamaoncol.2021.4672.
3. Pancytopenia risk demonstrated for PARP inhibitor use. medwirenews.com https://www.medwirenews.com/oncology/breast-cancer/pancytopenia-risk-breast-ovarian-cancer/19784164 (2021).
4. Walsh, C. & Cass, I. Poly(ADP-Ribose) Polymerase Inhibitors and Myeloid Neoplasm Risk—Clues to a Mechanistic Connection? JAMA Oncology (2021) doi:10.1001/jamaoncol.2021.4639.
5. Kwan, T. T. et al. Preexisting TP53-Variant Clonal Hematopoiesis and Risk of Secondary Myeloid Neoplasms in Patients With High-grade Ovarian Cancer Treated With Rucaparib. JAMA Oncology (2021) doi:10.1001/jamaoncol.2021.4664.