Radiosensitizer: Begleitmedikation macht Hirnmetastasen strahlensensibler

Ein preiswertes orales Medikament, Arginin, konnte in einer kontrollierten Studie die Wirkung einer Radiatio augmentieren. Es führte zu metabolischen Anpassungen, die die Tumorzellen vulnerabler machten.

Forscher der Cornell Universität, New York City, und des Angel H. Roffo Cancer Institute, Buenos Aires, berichten über eine erstaunliche Wirkung der proteinogenen Aminosäure Arginin als Wirkstoffkandidat in der Tumortherapie.1,2

Im Rahmen einer randomisierten klinischen Studie erhielten 63 Patienten mit inoperablen Hirnmetastasen vor jeder standardmäßigem Strahlentherapie-Einheit entweder hochdosiertes Arginin (10 g, oral) oder Placebo. Insgesamt wiesen die in die Studie aufgenommenen Patienten ein hohes Risiko auf, die meisten von ihnen hatten einen unkontrollierten Primärtumor, mehrere metastatische Herde und multiple Hirnmetastasen.

Sechs Monate nach ihrer Strahlentherapie verzeichneten 82% der Patienten aus der Arginin-Gruppe eine Verbesserung oder zumindest keine Verschlechterung ihrer neurologischen Symptome, verglichen mit 20% in der Placebo-Gruppe, berichteten die Forscher kürzlich in der Zeitschrift "Science Advances". Das Ergebnis nach einer Nachbeobachtungszeit von bis zu vier Jahren: bei fast 78% der Patienten in der Arginin-Kohorte kam es zu einem vollständigen oder teilweisen Ansprechen (ORR) ihrer Tumoren, während es unter Placebo nur 22% waren.

Nutzbarmachung der Arginin-NO-Achse zur Radiosensibilisierung

Viele Tumoren, auch Hirnmetastasen, zeichnen sich durch einen laktatogenen Stoffwechsel aus, welcher mit Strahlenresistenz in Verbindung gebracht wird. Wie die Wissenschaftler nachwiesen, exprimieren Hirnmetastasen die Stickstoffoxidsynthase 2 (NOS2). Die Verabreichung ihres Substrates, L-Arginin, senkte das Tumorlaktat der Patienten.

Vorangehende präklinische Arbeiten dokumentierten bereits, dass die Radiosensibilisierung durch Arginin auf einen NO-vermittelten Mechanismus zurückzuführen ist, der einen metabolischen Shift in den Krebszellen auslöst.

Warum trifft dies Krebszellen an einem besonders wunden Punkt? Oft findet in ihnen ein archaischerer, verkürzter Weg zur Energiegewinnung statt: die Glykolyse. Während in gesunden Zellen in Anwesenheit von Sauerstoff anschließend der Citratzyklus abläuft, der Zucker also in den Mitochondrien verbrannt wird, endet der Stoffwechselweg in vielen entarteten Zellen schon nach diesem ersten Schritt. Das bei der Spaltung der Glukose entstandene Pyruvat wird als Milchsäure ausgeschieden. Dies ist eigentlich verschwenderisch, da die ATP-Ausbeute pro Glukosemolekül geringer ausfällt, dafür verbrauchen Krebszellen einfach mehr Zucker. Gesunde Zellen greifen dagegen nur bei Sauerstoffmangel auf die Milchsäuregärung zurück. Das Phänomen bei Tumorzellen ist daher als Warburg-Effekt oder "aerobe Glykolyse" bekannt.

Der in der aktuellen Studie beobachtete Rückgang des Tumorlaktats war eine Folge einer reduzierten Glykolyse, was sich auch auf den ATP- und NAD+-Spiegel auswirkte. Diese Stoffwechselveränderungen erschwerten letztlich die Reparatur von durch Strahlung induzierten DNA-Schäden in Krebszellen, während tumorinfiltrierende Lymphozyten in hohem Maße geschont wurden. Die Effekte waren mit einer NO-abhängigen Hemmung von GAPDH (einem Enzym der Glykolyse) und einer Überaktivierung von PARP bei nitrosativen DNA-Schäden verbunden.1,2

Vielversprechende Ergebnisse stoßen weitere Studien zu Arginin an

Die Prognose von Patienten, wie sie in die Studie eingeschlossen waren, ist in der Regel schlecht. Das progressionsfreie Gesamtüberleben (PFS) betrug im Placebo-Arm 2 Monate und im Arginin-Arm 5 Monate (p = 0,0007). Dennoch gab es unter den mit Arginin Behandelten einige, deren Tumoren verschwanden, was auf die Möglichkeit einer dauerhaften Remission schließen lässt.

"Im Prinzip wäre jeder Tumor, der NO-produzierende Enzyme übermäßig exprimiert, für eine Argininbehandlung sensibel – und solche Tumoren sind sehr häufig", erklärt der leitende Wissenschaftler, Prof. Leandro Cerchietti vom Weill Cornell Medical College. L-Arginin ist preiswert und breit verfügbar, gilt allgemein als sicher und kann die Blut-Hirn-Schrank relativ leicht passieren. Auch in dieser Studie wurde es gut vertragen und führte nicht zu einer Zunahme kurz- oder langfristiger (nach 6 Monaten) unerwünschter Ereignisse. Es traten keine Arginin-bedingten Toxizitäten des Grades 3 oder 4 oder Todesfälle auf.

"Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollten wir Arginin in Kombination mit einer Strahlentherapie, aber auch in Kombination mit einer Chemo- oder Immuntherapie und sogar Arginin allein weiter untersuchen", schließt Cerchietti.1

Referenzen:
1. Arginine, an Inexpensive Oral Drug, Could Enhance Radiation Therapy for Cancer. WCM Newsroom.
2. Marullo, R. et al. The metabolic adaptation evoked by arginine enhances the effect of radiation in brain metastases. Science Advances 7, eabg1964.