Nach Berichten von early-onset Infektionen unter Ibrutinib, v.a. invasiven Aspergillosen und Kryptokokkosen, tragen wir hier einige neue Berichte zur Thematik zusammen.
Seit seiner Zulassung (Ende 2014 in Europa) findet der Tyrosinkinase-Inhibitor Ibrutinib zunehmenden Einsatz in der Therapie von CLL und B-Zell-Non-Hodgkin-Lymphomen. Obwohl es im Vergleich zu konventionellen Immunchemotherapien als weniger immunsuppressiv gilt, gaben Berichte schwerer Infektionen unter Ibrutinib – darunter Pneumocystis-Pneumonien, Kryptokokkosen und invasive Schimmelinfektionen – Anlass zu einer kleinen und einer größeren Studie, die im Februar und März veröffentlicht wurden.2, 5
In zwei randomisierten, kontrollierten Studien war zuvor eine unerwartete Anzahl invasiver Aspergillosen bei Patienten mit primären ZNS-Lymphomen unter Ibrutinib-Monotherapie beobachtet worden.3, 4
Im Auftrag der FILO (French Innovative Leukemia Organization) untersuchten Forscher mehrerer Zentren die Fälle von 33 Patienten mit invasiven Pilzinfektionen.2 Zugrunde liegende Neoplasie war zumeist eine CLL (30 Patienten), seltener M. Waldenström (2) und Mantelzell-Lymphom (1). Bei vielen Patienten war eine Immunchemotherapie voraus gegangen (im Median 2 Vortherapien), aber bei keinem eine Stammzell-Transplantation.5
27 der Patienten waren von einer Aspergillose betroffen, darunter erstaunliche 40 % mit Beteiligung des ZNS. Eine disseminierte Kryptokokkose trat bei 4 Patienten auf, eine Mukormykose und Pneumocystis-Pneumonie bei jeweils einem Patienten. Fast alle Fälle (28) ereigneten sich innerhalb der ersten 6 Monate der Ibrutinib-Therapie, die Mehrheit (20) sogar innerhalb der ersten 3 Monate. 9 Patienten verstarben durch die Pilzinfektionen.5
In etwa der Hälfte der Fälle (18/33) lagen gleichzeitig weitere Risikofaktoren für eine herabgesetzte Immunantwort auf Pilzinfektionen vor, wie Kortikosteroide, Neutropenie oder kombinierte Immunchemotherapie.
Eine davon unabhängige Forschungsgruppe am Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York, versuchte, das Risiko für opportunistische Infektionen genauer zu beziffern, indem sie die elektronischen Krankenakten aller Patienten mit lymphatischen Neoplasien nachprüften, die zwischen 2011 und 2016 an dieser Klinik mit Ibrutinib behandelt worden waren.[8]
Von 378 untersuchten Patienten (die meisten mit CLL und MCL) entwickelten 43 (11,4 %) schwere Infektionen, vorrangig innerhalb des ersten Jahres der Ibrutinib-Therapie. Davon waren 23 (53,5 %) von invasiven bakteriellen und 16 (37,2 %) von invasiven fungalen Infektionen betroffen.
Der vielleicht auffälligste Unterschied zu den eingangs vorgestellten Ergebnissen aus Frankreich ist, dass hier bei der Mehrheit (62,5 %) der Patienten mit invasiven fungalen Infektionen weitere klassische Risikofaktoren für Pilzinfektionen (wie Lymphopenie, Neutropenie, Kortikosteroide) fehlten und 84 % eine Monotherapie mit Ibrutinib erhalten hatten. Die Infektionen verliefen in 6 der 43 Fälle (14 %) letal.
Zum Vergleich: die Rate invasiver Pilzinfektionen und invasiver Aspergillosen ist bei CLL-Patienten ohne Ibrutinib laut einer monozentrischen Studie "normalerweise" deutlich niedriger (1,3 % respektive 0,3 %).7
Auch in einer CLL-Kohorte von 96 Patienten kam es unter Ibrutinib-Monotherapie zu 5 Pneumocystis jirovecii-Pneumonien. 4 dieser Patienten waren nicht vorbehandelt, was ebenfalls suggeriert, dass Ibrutinib per se einen Risikofaktor für opportunistische Infektionen darstellt.1
Ein ähnliches Muster (early onset, Abwesenheit weiterer Risikofaktoren, 80 % invasive Aspergillosen, atypische Lokalisationen für Aspergillus und Mukormykosen, 50 % zerebrale Beteiligungen) wurde für eine weitere Kohorte von (größtenteils CLL-) Patienten beschrieben.6
Ein Blick in häufig angelaufene Internetforen für Patienten erweckt den Eindruck, dass – neben der Prognose der malignen Grunderkrankung – die Therapien und die Frage, wie diese vertragen werden, die Patienten besonders beschäftigen. Oftmals scheinen unkonkrete Vorstellungen von möglichen UAWs zu bestehen bzw. die Patienten bewerten die UAWs nicht entsprechend ihrer klinischen Relevanz, d. h. sie können diese hinsichtlich Häufigkeit und Schwere zuweilen nicht korrekt einordnen. Hier könnten Unsicherheiten reduziert werden, indem in der Aufklärung deutlich gemacht wird, welche UAWs relevant sind (weil häufig oder gefährlich) und welche eher Einzelfall-Berichte sind.
Immunkompromittierte Patienten haben unter Ibrutinib-Therapie ein erhöhtes Risiko für schwere Infektionen, insbesondere für invasive Pilzinfektionen.
Der Mechanismus ist noch unklar, aber könnte u. a. mit off-target-Effekten von Ibrutinib auf T-Zellen oder Monozyten-/ Makrophagen-Funktion zu tun haben. Patienten sollten über dieses Risiko aufgeklärt und sorgfältigst überwacht werden, um ggf. eine frühzeitige Intervention einleiten zu können.5
Referenzen:
1. Ahn IE, Jerussi T, Farooqui M et al (2016) Atypical Pneumocystis jirovecii pneumonia in previously untreated patients with CLL on single-agent ibrutinib. Blood 128:1940–1943. doi: 10.1182/blood-2016-06-722991
2. Ghez D, Calleja A, Protin C et al (2018) Early-onset invasive aspergillosis and other fungal infections in patients treated with ibrutinib. Blood blood-2017-11-818286. doi: 10.1182/blood-2017-11-818286
3. Grommes C, Pastore A, Palaskas N et al (2017) Ibrutinib Unmasks Critical Role of Bruton Tyrosine Kinase in Primary CNS Lymphoma. Cancer Discov 7:1018–1029. doi: 10.1158/2159-8290.CD-17-0613
4. Lionakis MS, Dunleavy K, Roschewski M et al (2017) Inhibition of B Cell Receptor Signaling by Ibrutinib in Primary CNS Lymphoma. Cancer Cell 31:833-843.e5. doi: 10.1016/j.ccell.2017.04.012
5. Michael E. Williams MD (2018) Invasive Fungal Infections with Ibrutinib Therapy. NEJM Journal Watch. doi: 10.1056/nejm-jw.NA46193
6. Ruchlemer R, Ami RB, Bar-Meir M et al (2017) Ibrutinib: A Risk Factor for Invasive Fungal Infections? Blood 130:4323–4323.
7.Tisi MC, Hohaus S, Cuccaro A et al (2017) Invasive fungal infections in chronic lymphoproliferative disorders: a monocentric retrospective study. Haematologica 102:e108–e111. doi: 10.3324/haematol.2016.151837
8. Varughese T, Taur Y, Cohen N et al (2018) Serious Infections in Patients Receiving Ibrutinib for Treatment of Lymphoid Malignancies. Clin Infect Dis. doi: 10.1093/cid/ciy175