Wie viele Patienten sehen keinen anderen Ausweg? Eine aktuell in der 'Nature' erschienene retrospektive Studie an 8,7 Mio. Krebspatienten gibt Antworten.
Krebs ist in den Vereinigten Staaten die führende und weltweit die dritthäufigste Todesursache. Im letzten Jahrhundert wurde Überleben als das primäre Therapieziel angesehen – zuweilen unter Inkaufnahme körperlicher, emotionaler und finanzieller Belastung.
Die meisten Tumorpatienten sterben heutzutage nicht an unmittelbar tumorbedingten Ursachen.1 Die Ergebnisse einer großen amerikanischen Studie unterstreichen, dass das Monitoring psychischer Belastung und Suizidprävention immens wichtig sind, insbesondere bei Patienten über 50 Jahren mit Neoplasien von Prostata, Lunge, Kolorektum und Blase, ebenso bei Leukämien, Lymphomen und Keimzelltumoren.2
Auch wenn wir in der Onkologie nicht so oft davon hören: Patienten, die sich das Leben nehmen, sind viel zu häufig.3
Zwischen 1973 und 2014 begingen 13.311 von 8.651.569 onkologischen Patienten Selbstmord, was einer Suizidrate von 28,6/ 100.000 Personenjahren entspricht.2 Hierbei sind die Raten seit den 70er Jahren drastisch angestiegen.
Da die Studie aus den USA stammt, wollen wir dem auch amerikanische Zahlen gegenüberstellen:
In den USA steht Selbstmord an Platz 10 der häufigsten Todesursachen und forderte allein im Jahr in den USA 45.000 Todesopfer.4 Damit waren Suizide etwa doppelt so häufig wie Homizide. Laut Zahlen des National Institute of Mental Health liegt die Suizidrate in der Allgemeinbevölkerung bei 13,4/ 100.000 Personenjahren.4
Höheres Alter und männliches Geschlecht sind mit einem höheren Risiko assoziiert. Dennoch sind Suizide bei Personen zwischen 10 und 34 Jahren die zweithäufigste Todesursache und bei 35-54‑Jährigen die vierthäufigste. Bei Männern war die Rate viermal höher als bei Frauen (21,3 versus 6/ 100.000).
Statistisch gesehen gehen Neoplasien von Lunge, Kopf-Hals-Bereich, Hoden, Blase sowie das Hodgkin-Lymphom mit dem höchsten Risiko einher. Darüber hinaus ist die absolute Mehrheit der Krebs-Suizidenten männlich (83%) und weiß (92%).2
Auch wenn man dies intuitiv vielleicht anders vermuten würde, sind die Patienten, die tatsächlich Suizid begehen, nicht unbedingt diejenigen, bei denen die Therapie erfolglos war. Im Vergleich zu allen anderen Krebspatienten war die Suizidrate bei älteren, unverheirateten, weißen Männern mit lokalisierter Erkrankung am höchsten.
Für viele Krebsarten besteht besonders in den ersten Monaten nach Diagnosestellung eine bis zu 13-fach erhöhte Gefahr gegenüber Personen aus der Normalbevölkerung.3 Jedoch fanden die Studienautoren durchaus Tumorentitäten, bei denen das Risiko auch anschließend über Jahre erhöht blieb.
Bei den unter 50‑Jährigen lagen am häufigsten hämatologische Neoplasien und Hodenkrebs zugrunde, bei den über 50‑Jährigen waren es in erster Linie Prostata-, Lungen- und kolorektale Tumore.
Die Bedeutung einer potentiell tödlichen Diagnose und die Aussicht auf lange Behandlung und Rehabilitation sind in ihrer Auswirkung auf Patienten und deren Angehörige nicht zu unterschätzen. Suizid ist oft die Kulmination von überhand nehmendem Disstress. Während die Überlebensraten von Krebspatienten weiter ansteigen, wird es entscheidend sein, gefährdete Patienten zu erkennen.2
Referenzen:
1. Zaorsky, N. G. et al. Causes of death among cancer patients. Ann. Oncol. 28, 400–407 (2017).
2. Zaorsky, N. G. et al. Suicide among cancer patients. Nature Communications 10, 207 (2019).
3. Hughes, G. & MD. The Risk of Suicide in People With Cancer. Verywell Health Available at: https://www.verywellhealth.com/the-risk-of-suicide-in-cancer-patients-2248817. (Accessed: 17th January 2019)
4. NIMH » Suicide. Available at: https://www.nimh.nih.gov/health/statistics/suicide.shtml. (Accessed: 16th January 2019)