Die Risiken für Spätmortalität und Langzeitfolgen nach Krebserkrankungen in der Adoleszenz waren bislang wenig untersucht. Eine neue Auswertung von Daten der Childhood Cancer Survivor Study (CCSS) liefert Zahlen.
Im Blog-Beitrag vergangener Woche Rückblick auf den 34. Deutschen Krebskongress ging es unter anderem um angepasste Konzepte zur Versorgung besonders junger und besonders alter Patienten. Daran wollen wir in diesem Beitrag anknüpfen und mit einigen aktuellen Daten unterstreichen, dass Nachüberwachung und Langzeitfolgen bei Überlebenden von Tumorerkrankungen in Adoleszenz und jungem Erwachsenenalter besondere Aufmerksamkeit verdienen.
Dem Zentrum für Krebsregisterdaten (ZfKD) zufolge entfielen von 476 Tsd. Krebsneuerkrankungen in 2014 etwa 2.339 auf unter 20‑Jährige und weitere 4.457 auf junge Erwachsene zwischen 21 und 29 Jahren.1 Somit sind Neoplasien in dieser Altersgruppe insgesamt selten.
Vielleicht ist dies der Grund, dass die Risiken für späte chronische Erkrankungen und vorzeitigen Tod in dieser spezifischen Altersgruppe bislang in der Literatur kaum beschrieben oder beziffert sind. Ausnahmen waren einige Untersuchungen von Daten aus Gesundheitsregistern.
Die Childhood Cancer Survivor Study (CCSS) ist eine retrospektive Kohortenstudie mit Langzeit-Follow-Up 5‑Jahres-Überlebender von Krebserkrankungen, die vor dem 21. Lebensjahr diagnostiziert wurden. Die Erstdiagnosen stammten aus 27 akademischen Krankenhäusern aus den USA und Kanada, wurden zwischen 1970 und 1999 gestellt und bis ins Erwachsenenalter nachverfolgt.
Aus der CCSS‑Kohorte entstanden bereits diverse Publikationen, doch eine aktuell im Lancet Oncology veröffentlichte Studie ist die erste, die die Langzeit-Morbidität und -Mortalität von fast sechstausend Kindern und Jugendlichen mit Tumoranamnese untersuchte und dabei eine Abgrenzung zwischen den Charakteristika Überlebender von Krebs im Kindesalter (bis 15 Jahre) und im Jugendalter (15–20 Jahre) vornahm.2,3
Im Alter von 45 Jahren lagen bei 39% der jugendlichen und 56% der Kinderkrebs-Überlebenden schwere Erkrankungen vor, während es bei gleichaltrigen Geschwistern nur 12% waren. Anders ausgedrückt hatten Überlebende von Krebserkrankungen in der Adoleszenz ein 4,2‑fach und von Krebserkrankungen im Kindesalter gegenüber Geschwisterkindern ein 5,6‑fach erhöhtes Risiko, schwere, behindernde, lebensbedrohliche oder tödliche Erkrankungen (Grad 3–5) zu entwickeln.
In der aktuellen Auswertung ging es vor allem um die langfristigen Outcomes Überlebender von Neoplasien im Jugendalter, da die Datenlage für dieses Kollektiv noch immer nicht sehr stark ist. Obwohl die Risiken für einige Spätfolgen bei diesen Patienten geringer sind als bei Überlebenden von Tumorerkrankungen des Kindesalters, zeigte die Studie, dass auch diese Gruppe im Vergleich zu Geschwistern ein bedeutendes Risiko für späte chronische Erkrankungen aufweist, weshalb eine entsprechende Nachüberwachung mehrerer Organsysteme angezeigt scheint.
So hatte die Kohorte Überlebender von Krebs im Jugendalter ein 4,3‑fach erhöhtes Risiko für kardiale, ein 3,9‑fach erhöhtes Risiko für endokrine und ein 6,5‑fach erhöhtes Risiko für muskuloskelettale Erkrankungen. Patienten nach Strahlentherapie im Hals- oder Thoraxbereich hatten im Vergleich zu nicht exponierten Patienten ein 3,9‑fach höheres Risiko für schwere endokrine Störungen. Des Weiteren ging eine Strahlendosis ab 35gy aufwärts mit einem um das 3,3‑Fache gesteigerten Risiko für spätere kardiale Erkrankungen einher. Radiatio jeglicher Form, sowie auch bestimmte Chemotherapien, erhöhten das Risiko für Sekundärmalignome. Wie aus Registerdaten vorbekannt, war das Hodgkin-Lymphom mit den höchsten Raten von Sekundärmalignomen sowie endokrinen und kardiovaskulären Morbiditäten assoziiert.2 Zu bedenken ist bei dieser Arbeit natürlich, dass sich die Therapien seit Beginn der Datenerhebung stark verändert haben.
Diese Auswertung der CCSS-Studie unterstreicht, dass Überlebende nach onkologischen Erkrankungen im Jugendalter ein relevantes Risiko haben, späte chronische Komplikationen zu entwickeln. Dies zeigte sich über 20 Jahre nach der ursprünglichen Erkrankung um deutlichsten. Die Gesamtmortalität im Vergleich zur Normalbevölkerung war um das 5,9‑Fache erhöht. Eine weitere wichtige Botschaft der Publikation ist, dass das Risiko, an einem Progress oder Rezidiv des Primärtumors zu versterben, bei adoleszenten Patienten im Vergleich zu Kindern doppelt so hoch liegt. Daher ist es entscheidend, besondere Risikopatienten zu identifizieren, die von individuell angepassten Nachsorge- und Screening-Programmen profitieren könnten.
Referenzen:
1. Krebsdiagnosen im Lebensverlauf. https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Kurzbeitraege/Archiv2018/2018_4_Thema_des_Monats_lebensverlauf.html.
2. Lähteenmäki, P. Late morbidity and mortality in young survivors of cancer. The Lancet Oncology 21, 327–329 (2020).
3. Suh, E. et al. Late mortality and chronic health conditions in long-term survivors of early-adolescent and young adult cancers: a retrospective cohort analysis from the Childhood Cancer Survivor Study. The Lancet Oncology 21, 421–435 (2020).