Prädisponierende Erkrankungen für das Neovaskularisationsglaukom

Das okuläre Ischämiesyndrom ist eine seltene, schwer therapierbare Erkrankung, die im Krankheitsverlauf zur Erblindung führen kann. Trotz intensiver Therapie sind die Visusergebnisse meist frustierend. In diesem Beitrag diskutieren wir das okuläre Ischämiesyndrom im Detail.

Im vergangenen Monat haben wir einige der wichtigsten prädisponierenden Erkrankungen für ein Neovaskularisationsglaukom (NVG) sowie geeignete Prüfmethoden für die Differenzierung zwischen ischämischen und nicht-ischämischen venösen Verschlüssen der Retina kennengelernt. In diesem Beitrag wird das okuläre Ischämiesyndrom intensiv diskutiert.

Das okuläre Ischämiesyndrom

Das okuläre Ischämiesyndrom ist eine seltene, schwer therapierbare Erkrankung, die im Krankheitsverlauf zur Erblindung führen kann. Trotz intensiver Therapie sind die Visusergebnisse meist frustierend. Die Ursache ist eine Reduktion des Blutflusses in Richtung Auge. Die meisten Patienten, die an einem okulären Ischämiesyndrom erkranken, leiden bereits an einer hämodynamisch wirksamen (>70%) Karotisarterienstenose. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. Die verschiedenen pathologischen Veränderungen des Auges, die aus dieser chronischen arteriellen Minderversorgung resultieren können, werden als okuläres Ischämiesyndrom zusammengefasst.1

Auf der Suche nach den Stenosen

Verschiedene okklusive Gefäßerkrankungen können ursächlich an der Entstehung eines okulären Ischämiesyndroms beteiligt sein. Diese können im Bereich des Aortenbogens, der Arteria ophthalmica, der Arteria centralis retinae sowie der Arterieae ciliares anzutreffen sein. Mittels Karotisdoppler können Stenosen in Höhe des Genicks dargestellt werden. Stenosen, die sich darüber oder darunter befinden sind auf diese Weise nicht detektierbar. Möglich ist auch eine Stenose der Arterie ophthalmica ohne Karotisstenose. In solchen Fällen sollte eine Magnetresonanztomographie erfolgen.1,2

Die chronische arterielle Minderversorgung führt eine Ischämie des anterioren zusammen mit/oder dem posterioren Segment mit sich. Durch Ausschüttung von VEGF kommt es zu Neovaskularisationen im Bereich der Iris des Kammerwinkels. Das Ganze kann im weiteren Verlauf in einem Neovaskularisationsglaukom resultieren.1

Ein Blick in die Tiefe verrät so einiges

Funduskopisch zeigt sich am betroffenen Auge dilatierte und dezente Tortuositas der Venen, verengte retinale Arterien, perifoveale Teleangiektasien, Mikroaneurysmen, fokale Neovaskularisationen, Blutungen in der mittleren Peripherie der Netzhaut. Auch können Cotton-Wool-Herde auftreten. Das betroffene Auge ist oft rot und tut weh. Biomikroskopisch kann dem Untersucher eine Iridozyklitis, eine Katarakt und eine Irisatrophie mit träger Lichtreaktion auffallen. Das Durschnittsalter der Patienten liegt bei 65 Jahren. Das okuläre Ischämiesyndrom kommt selten bei Patienten unter 50 Jahren vor. Männer sind in etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Bei 20% der Patienten zeigt sich ein bilateraler Verlauf.3

Die Arteriosklerose legt das Fundament

Die Arteriosklerose mit ihren Folgen ist der Hauptgrund für die Entstehung eines okulären Ischämiesyndroms. Selten können auch die Riesenzellarteriitis, die Takayasu-Arteriitis, das Aortenbogensyndrom, die fibrovaskuläre Dysplasie, der Morbus Behçet sowie ein Trauma zum okulären Ischämiesyndrom führen. Interessanterweise kann auch eine kompliziert verlaufene Anti-VEGF-Injektion oder eine Bestrahlung von nasopharyngealen Tumoren in einem okulären Ischämiesyndrom resultieren. 73% der Patienten leiden unter einer arteriellen Hypertonie und über die Hälfte an einem Diabetes mellitus. Die Mortalitätsrate liegt bei 40% für den Zeitraum von 5 Jahren.1,2,

Täuschung im klinischen Alltag

Die Diagnostik ist dadurch erschwert, dass das okuläre Ischämiesyndrom andere ophthalmologische Krankheitsbilder vortäuschen kann. Die anfänglich subtile klinische Präsentation führt oft zu Fehldiagnosen. Die Symptomatik und der Krankheitsverlauf kann von Patient zu Patient stark variieren.1,2

So wird das okuläre Ischämiesyndrom oft mit einem länger zurückliegenden Zentralvenenverschluss oder einer diabetischen Retinopathie verwechselt. Im Beitrag von letzter Woche haben wir ja erfahren, dass sowohl ein ischämischer Zentralvenenverschluss als auch eine proliferative diabetische Retinopathie zu einem Neovaskularisationsglaukom führen kann. Wichtig ist es die Risikofaktoren rechtzeitig zu erkennen und soweit es möglich ist zu beheben.1

Diabetes mellius geht Hand in Hand mit dem okulärem Ischämiesyndrom

Dass die verschiedenen Erkrankungen miteinander vergesellschaftet sein können, zeigt eine Studie von Mizener et al.. Die Forschungsgruppe konnte bei Patienten mit okulärem Ischämiesyndrom eine erhöhte Prävalenz für die Stoffwechselkrankheit Diabetes mellitus beobachten.1,2

Beim okulären Ischämiesyndrom ist aus ophthalmologischer Sicht nur eine Therapie bei neovaskulären Komplikationen möglich. Liegt eine klinisch relevante Karotisstenose vor, so ist diese zuerst zu beheben. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit (Innere Medizin, Gefäßchirurgie und Neurologie) kann beim okulären Ischämiesyndrom für den Patienten lebensrettend sein. Wichtig ist es daher in der Anamnese Symptome einer koronaren Herzkrankheit, eines Schlaganfalls sowie einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit zu erfragen, falls diese Krankheitsbilder dem Pateinten noch nicht widerfahren sind. Immerhin ¼ der Patienten mit okulärem Ischämiesyndrom hatte bereits einen Apoplex. In einigen Fällen kann auch das Auge von einer Carotis-Endarteriektomie profitieren.1-4

Therapeutisches Vorgehen beim okulärem Ischämiesyndrom

Liegen avaskuläre Netzhautareale vor, so sollte eine Behandlung dieser mittels panretinaler Laserkoagulation oder mittels Kryokoagulation - falls es keinen adäquaten Funduseinblick gibt - erfolgen. Auch Anti-VEGF-Präparate und Kortikosteroide finden Anwendung in der Therapie des okulären Ischämiesyndroms. Die panretinale Laserkoagulation führt nur bei 36% der Patienten zum gewünschten Therapieerfolg. Der Grund dafür ist, dass durch eine choroidale Ischämie weiterhin vaskuläre Wachstumssignale gesendet werden.3,4

CAVE bei der medikamentösen antiglaukomatösen Therapie

Bei der medikamentösen antiglaukomatösen Therapie eines Neovaskularisationsglaukoms bei okulärem Ischämiesyndrom dürfen keine Prostaglandine und kein Pilocarpin verabreicht werden. Die beiden letzteren können sonst zu einer Exazerbation des Neovaskularisationsglaukoms führen.1-4

Im nächsten Beitrag befassen wir uns mit Erkrankungen, die in seltenen Fällen zum NVG führen können. Besonderer Fokus liegt auch auf den molekularen Grundlagen der Pathogenese des Neovaskularisationsglaukoms.

Referenzen:
1. Hayreh S. S. et al. (2007). NEOVASCULAR GLAUCOMA. Prog Retin Eye Res. 2007 Sep; 26(5): 470–485.
2. Mizener J. B. et al. (1997). Ocular ischemic syndrome. Ophthalmology. 1997;104:859–864.
3. Terelak-Borys B. et al. (2012). Ocular ischemic syndrome – a systematic review. Med Sci Monit. 2012; 18(8): RA138–RA144.
4. Dzierwa K. P. et al. (2011).Treatment startegies in severe symptomatic carotid and coronary artery disease. Med Sci Monit. 2011;17(8):RA191–97.