Berufsunfähigkeit: Den Worst Case durchdenken

Selbst wenn das Risiko gering ist, sollten sich Ärzte fragen, wie sie im Falle einer Berufsunfähigkeit ihren Lebensunterhalt sichern können. Das Versorgungswerk zahlt erst, wenn keine ärztliche Tätigkeit mehr ausgeübt werden kann, gleich ob in der Praxis oder im Büro.

Selbst wenn das Risiko gering ist, sollten sich Ärzte fragen, wie sie im Falle einer Berufsunfähigkeit ihren Lebensunterhalt sichern können. Das Versorgungswerk zahlt erst, wenn keine ärztliche Tätigkeit mehr ausgeübt werden kann, gleich ob in der Praxis oder im Büro.

Gemeinhin zählt eine Berufsunfähigkeitsversicherung neben der Privathaftpflicht, der Kranken- und Pflegeversicherung und der Vorsorge für das Alter zu den wichtigsten Absicherungen der privaten Lebensführung. Sie federt das finanzielle Risiko ab, wenn der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen in seinem bisherigen Beruf nicht mehr arbeiten kann, z.B. ein Chirurg im OP. Das Risiko für Ärzte stufen die Versicherungen gering ein. Sie gehören in der Regel der Risikoklasse 1 an, Chirurgen der Klasse 2.

Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) wurden 2016 knapp 7.700 Euro je BU-Rente ausgezahlt. Bei neuen Verträgen beträgt das Absicherungsniveau im Schnitt 12.600 Euro im Jahr. Die Beiträge bemessen sich nach der Risikoklasse, der Gesundheitsprüfung und gewünschten Auszahlungshöhe. Ein Versicherungsvergleich lohnt. Die Verbraucherzentrale hat für einen 30-jährigen kaufmännischen Angestellten Monatsbeiträge zwischen 44 Euro und 115 Euro ermittelt, wenn die Austragssumme 1.000 Euro pro Monat bis zum 67. Lebensjahr betragen soll.

Die Absicherung über das Versorgungswerk bezieht sich im weiteren Sinne ebenfalls auf den Beruf und unterscheidet sich damit von der Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung, wonach die Betroffen aufgrund von Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage sind, ganz oder bis zu sechs Stunden täglich einer Erwerbsarbeit nachzukommen – unabhängig von Alter, Qualifikation und Sprachkenntnissen. Im Unterschied zur privaten BU-Versicherung ist jedoch nicht der bisher ausgeübte Beruf maßgeblich, sondern eine ärztliche Tätigkeit generell.

Ärzte haben Anspruch auf die Leistung des Versorgungswerks, wenn sie weder ihre originär ärztliche noch eine andere Tätigkeit ausüben können, die ein Medizinstudium ganz oder teilweise voraussetzt (z.B. Gutachter, Dozent), unabhängig ob ein Arbeitsvertrag vorliegt oder nicht. In der Praxis ist dies selten. Etwa drei Prozent der Leistungsempfänger (einschließlich Witwen- und Waisenrente) erhalten eine Berufsunfähigkeitsrente über das Versorgungswerk. Zum Vergleich: Eine Erwerbsminderungsrente der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten rund sieben Prozent der Rentenbezieher.

Nach den Daten des Versorgungswerks Westfalen-Lippe ist fast jede zweite Berufsunfähigkeitsrente  der Ärzte auf psychische Störungen und Suchterkrankungen zurückzuführen. 2017 waren es 233 von 483 BU-Renten. An zweiter und dritter Stelle stehen Tumorerkrankungen (23 Prozent) und Erkrankungen des Nervensystems (19 Prozent). Auch bei der gesetzlichen Erwerbsminderung dominieren psychische Erkrankungen, sind aber mit 43 Prozent der EM-Neuzugänge weniger stark ausgeprägt. Es folgen bösartige Neuerkrankungen und Muskel-Skelett-Erkrankungen mit je etwa 13 Prozent. Neurologische Erkrankungen machen etwa sieben Prozent der EM-Neuzugänge aus.

Ob, in welcher Höhe und über welchen Zeitraum der Abschluss einer BU-Versicherung sinnvoll ist, lässt sich nur individuell klären. Hierzu gehört die selbstkritische Frage, inwieweit Bereitschaft besteht, sich beruflich neu zu orientieren und / oder finanzielle Einbußen in Kauf zu nehmen. Bei Vertragsabschluss sollten klinisch tätige Ärzte darauf achten, dass ihr Infektionsrisiko mit abgesichert ist. Der Vorteil einer privaten Versicherung ist, dass sie in Leistungspflicht tritt, bevor die Regelungen des Versorgungswerks greifen.

78 Prozent der beantragten Versicherungsleistungen werden laut GDV unmittelbar beglichen [2016]. Im Falle einer Ablehnung führt der Verband unterschiedliche Gründe an wie eine zwischenzeitliche Verbesserung des Gesundheitszustands und das Nicht-Erreichen des vereinbarten BU-Grads von in der Regel 50 Prozent. Bei jeder zehnten Ablehnung war eine "Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht" ausschlaggebend, d.h. Vorerkrankungen wurden nicht im notwendigen Umfang angegeben.

Knapp 4,5 Millionen eigenständige Invaliditätsversicherungsverträge existieren bundesweit [2017], von denen – so informiert der GDV weiter - die BU-Versicherung mit Abstand die häufigste sei.  Hinzu kommen über 12 Millionen Zusatzversicherungen, die die Versicherten ergänzend zu einer Lebens- oder privaten Rentenversicherung abschließen. Als Alternative nennen Verbraucherinformationen  unter anderem eine Dread-Disease-Versicherung und eine Multi-Risik-Versicherung. Beide schließen jedoch psychische Krankheiten aus ihrem Leistungskatalog aus. Denkbar ist auch eine Unfallversicherung, wobei diese auf dauerhafte Gesundheitsschäden nach Unfällen begrenzt ist.

Andernfalls können die monatlich "eingesparten" Versicherungsbeiträge genutzt werden, um Vermögen aufzubauen, das im Ernstfall zur Sicherung des Lebensunterhalts im Ruhestand herangezogen werden kann.