TIN: Vieles spricht für eine frühe Glukokortikoid-Therapie

Eine verhältnismäßig seltene Erkrankung bringt zwei Probleme mit sich: Sie wird nicht so leicht entdeckt, und sie lässt sich oft schwerer erforschen. Prof. Dr. Frank Strutz vom KfH-Nierenzentrum in Wiesbaden hat beim DGfN 2019 den Blick auf die akute Nierenschädigung gelenkt.

Update zur tubulo-interstitiellen Nephritis

Eine verhältnismäßig seltene Erkrankung bringt zwei Probleme mit sich: Sie wird nicht so leicht entdeckt, und sie lässt sich oft schwerer erforschen. Prof. Dr. Frank Strutz vom KfH-Nierenzentrum in Wiesbaden hat beim DGfN 2019 den Blick auf die akute Nierenschädigung gelenkt.

Forschende stellt die tubulo-interstitielle Nephritis (TIN) vor ein praktisches Problem. Denn die geringen Fallzahlen führen dazu, dass es randomisierte Studien mit einer großen Kohorte schlicht und einfach nicht gibt.

Gleichzeitig nimmt die TIN tendenziell zu, vor allem bei älteren Patientinnen und Patienten. "Vielleicht wird sie auch nur häufiger entdeckt, weil die Zahl der Nierenbiopsien gestiegen ist", vermutet Strutz. Außerdem seien in der Vergangenheit vermehrt Antibiotika verschrieben worden, die eine TIN besonders häufig auslösen. Diese Entwicklung sei erst seit Kurzem wieder rückläufig.

Antibiotika, Checkpoint-Inhibitoren und Protonenpumpenhemmer als TIN-Auslöser

Tatsächlich sind es zu etwa 75 Prozent Medikamente, die zu einer Hypersensitivitätsreaktion (Typ IV) und damit zur tubulo-interstitiellen Nephritis führen. Allen voran Antibiotika und Protonenpumpenhemmer. "Eine neue Entwicklung sind Checkpoint-Inhibitoren, die bei Krebserkrankungen eingesetzt werden und in bis zu fünf Prozent der Fälle eine Nierenschädigung nach sich ziehen", sagt Strutz.

Genau bekannt sind die Zahlen nicht, denn die TIN bringt eine hohe Dunkelziffer mit sich, da "die klassische Trias der Symptome – Exanthem, Fieber und Eosinophilie – nur in etwa zehn Prozent der Fälle auftritt", erklärt Strutz. Weitere mögliche Ursachen der TIN sind Infektionserkrankungen, Systemerkrankungen wie Sarkoidose und Autoimmunerkrankungen sowie die tubulo-interstitielle Nephritis mit Uveitis.

Umfangreiche Diagnostik erforderlich

Die TIN rechtzeitig zu entdecken, ist also oftmals eine schwere Aufgabe, aber unverzichtbar, um eine Chronifizierung der akuten Entzündung zu verhindern. Dabei hilft das klinische Bild:

Die Diagnostik ist entsprechend umfangreich, angefangen beim Differenzialblutbild, über Retentionswerte, bis hin zur Immun- und Urindiagnostik. Die medikamentöse Form zeigt sich übrigens meistens sieben bis zehn Tage nach Einnahme. Die potenzielle Spanne liegt allerdings zwischen einem Tag und 18 Monaten, was die Spurensuche natürlich erheblich erschwert.

Wenig Neuigkeiten bei der Therapie

Nephrologinnen und Nephrologen stellt sich bei gesicherter Diagnose vor allem eine Frage: Glukokortikoide verabreichen oder nicht? "Seit 40 Jahren wird diese Frage diskutiert", sagt Strutz. Eine klare Antwort kann er jedoch nach wie vor nicht liefern, die Lage sei widersprüchlich. Während eine spanische Studie in zehn Madrider Kliniken retrospektiv (1975 bis 2006) Hinweise auf einen Nutzen von Glukokortikoiden lieferte, konnten weitere Untersuchungen diese Ergebnisse nicht bestätigen. Hier zeige sich wieder das Grundproblem: "Die Kohorten sind klein. Meistens handelt es sich nur um wenige Patienten."

Aber Strutz hat auch eine gute Nachricht: "Die Ergebnisse sind eindeutig, was den Therapiebeginn betrifft. Wenn Glukokortikoide gegeben werden, muss das innerhalb der ersten zwei Wochen erfolgen." Selbstverständlich müsse zudem das auslösende Medikament identifiziert und nach Möglichkeit abgesetzt werden.

Quellen: Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie 2019, 12. Oktober 2019, Symposium "Chronische Niereninsuffizienz I"