Heute bestimmen zahlreiche Faktoren – von Präferenzen der Patientinnen über Vorbehandlungen bis hin zu genetischen Faktoren – die Therapie rezidivierender Ovarialkarzinome. Die Länge Platin-freier Therapieintervalle spielt anders als zu früheren Zeiten nur noch eine untergeordnete Rolle.
"Der Kalender war bei der Charakterisierung von Patientinnen mit rezidivierendem Ovarialkarzinom früher unser wichtigstes Instrument", erklärte Prof. Dr. Andreas du Bois bei der der 11th International Charité Mayo Conference. Er ist Direktor der Klinik für Gynäkologie & Gynäkologische Onkologie am Evangelischen Klinikum Essen-Mitte. "Heute sehen wir das differenzierter: Die Entscheidung für oder gegen eine Platin-basierte Therapie ist wesentlich komplexer als der Blick in den Kalender."
Zum Hintergrund: In den 1990er-Jahren orientierte sich die Behandlung stark an der Zeitschiene. Entsprechende Hinweise finden sich noch heute, wenn auch wesentlich stärker differenziert, in der Leitlinie. Molekulare Biomarker, die ein Ansprechen auf Platin prognostizieren, gebe es bislang nicht, so der Referent.
Die Einteilung:
Viele Patientinnen haben bereits Erfahrungen mit Therapien gesammelt. Vor jeder neuen Behandlung sollten sie nach ihren Wünschen gefragt werden.
Patientinnen mit platinsensitivem Ovarialkarzinomrezidiv sollen, wenn eine Indikation zur Chemotherapie besteht, Platin-haltige Agenzien erhalten. Ist Platin aufgrund einer Resistenz ungeeignet, bieten weder Kombinationstherapien noch endokrine Therapien Vorteile gegenüber der Monotherapie. OnkologInnen stehen heute zahlreiche Einzelsubstanzen zur Verfügung. Kombinationen mit Angiogenesehemmern sind ebenfalls möglich.
In seinem Vortrag ging du Bois ebenfalls auf die Bedeutung der Rezidivchirurgie beim Ovarialkarzinom ein. "Patientinnen profitieren von der vollständigen Entfernung des Tumors", erklärt der Referent. Ziel sollte deshalb immer eine makroskopische Komplettresektion sein.
Derzeit gibt es keine prospektive Studiendaten mit hohem Evidenzniveau. Allerdings sprechen retrospektive Daten für einen Nutzen. Von der DESKTOP-III-Studie erhofft sich du Bois weitere Erkenntnisse.
Mit PARP-Inhibitoren gebe es eine neue Therapieoption, sagt du Bois. Haben Patientinnen ein High-grade-Ovarialkarzinom mit Rezidiv und sprechen sie auf Platin an, sollten sie PARP-Inhibitoren erhalten. Etwas anders ist die Sachlage bei Patientinnen mit Platin-sensitivem Rezidiv eines BRCA-mutierten high-grade-Ovarialkarzinoms aus, falls sie schon zwei oder mehr Platin-Therapien in der Vorgeschichte erhalten haben. Sie profitieren möglicherweise von einem PARP-Inhibitor als Monotherapie.
Wie Patientinnen mit rezidivierendem Ovarialkarzinom an der Berliner Charité behandelt werden, fasste Prof. Dr. Elena Ioana Braicu in ihrem Vortrag zusammen.
Bei Frauen, die mit PARP-Inhibitoren vorbehandelt worden sind, die Rezidive mit BRCA-Mutation haben und die aller Wahrscheinlichkeit nach Platin-sensitiv sind, gibt es mehrere Möglichkeiten. Hier kommen Platin-basierte Protokolle zum Einsatz, eventuell in Kombination mit Angiogenesehemmern oder mit PARP-Inhibitoren als Folgetherapie. Bei Rückmutationen bleibt nur die Sequenzierung, um geeignete Protokolle auszuwählen.
Haben Patientinnen zuvor bereits Angiogenesehemmer und PARP-Inhibitoren erhalten, sind Platin-haltige Chemotherapien plus PARP-Inhibitoren eine Möglichkeit, falls es keine Rückmutationen gibt. Ansonsten bleiben noch verschiedene Platin-freie Monotherapien als Ausweg.
Dr. Matthew S. Block und Prof. Dr. William A. Cliby stellten therapeutische Algorithmen der Mayo Clinic vor. Angiogenesehemmer spielen bei Platin-resistenten Tumoren eine zentrale Rolle; ihr Einsatz sollte aber auch bei Platin-sensitiven Formen in Erwägung gezogen werden. Haben Patientinnen bereits PARP-Inhibitoren erhalten, verabreichen OnkologInnen keine weiteren Wirkstoffe dieser Klasse. Ansonsten sind PARP-Inhibitoren zur Erhaltungstherapie nach Platin-basierten Agenzien die Wahl. Ob Frauen von einer chirurgischen Intervention profitieren, ist eine Einzelfall-Entscheidung.
Quelle: 11th International Charité Mayo Conference, Presidential Lecture, 07.05.2021