Wie schneiden die PCSK9-Hemmer Alirocumab und Evolocumab im Hinblick auf ihre Wirksamkeit, Sicherheit und kardiovaskuläre Ereignisse in einem Real World Follow up ab? Dr. Madan Raj Poudel, Klinik für Allgemeine und Interventionelle Kardiologie/Angiologie der Ruhr-Universität Bochum stellte auf der 85. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) neue Daten dazu vor.
Atherosklerotische Herz-Kreislauf-Erkrankungen (ASCVD) sind mit einer hohen Mortalität und Morbidität verbunden. Erhöhte LDL-C-Werte im Plasma spielen eine wichtige Rolle in der Pathophysiologie der ASCVD. In Studien zeigten PCSK9-Hemmer robuste LDL-C-reduzierende Effekte von bis zu 50-60%, eine Reduzierung der Mortalität und ein günstiges Sicherheitsprofil.
In das Real World Follow up wurden 42 Patienten eingeschlossen, das Durchschnittsalter lag bei 61,96 +- 9,72 (33-77) Jahren; darunter 45,23% Männer mit dokumentierter Atherosklerose-Progression und familiärer Hypercholesterinämie. Alle Patienten erfüllten die aktuellen Indikationen der PCSK9-Hemmertherapie (G BA-Standards): unzureichende LDL-Reduktion durch Statin- und Ezetimib-Therapie oder Statin oder Ezetimib-Intoleranz. Das Follow-up lief über ein Jahr mit wiederholten Lipidanalysen im Abstand von 2 Wochen. Dokumentiert wurden Herz-Kreislauf-Ereignisse, Koronarangiographien und die Nebenwirkungen der Medikamente.
34 Patienten hatten eine schwere koronare Herzkrankheit (CSD), 4 Patienten hatten eine periphere Arterienerkrankung und 7 weitere Patienten wiesen extrakranielle Carotisstenosen auf. Zwei Patienten litten an familiärer Hypercholesterinämie, die ohne manifeste Atherosklerose auftrat. Alle diese 34 Patienten hatten sich kürzlich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterzogen, 25 von ihnen sogar mehrgefäßig, und 13 Patienten brauchten eine koronare Bypassoperation. 10 Patienten (23,8%) wurden zu Beginn der Studie mit Statin behandelt, konnten aber die LDL-Zielwerte nicht erreichen, während die übrigen Patienten eine Statin-Intoleranz aufwiesen.
31 Patienten wurden mit Alirocumab behandelt und 11 erhielten Evolocumab. Das LDL sank innerhalb von 4 Wochen auf 80,6 +- 45,3 mg/dl (p < 0,0001) und in 52 Wochen auf 76,3 +- 41,0 mg/dl (p=0,32); das entspricht einer LDL-Reduktion von 45,5%. Dadurch konnten 57,1% (n=24) der Patienten die LDL-Zielwerte von < 70 mg/dl erreichen. 45,2% (n=19) aller Patienten berichteten über Nebenwirkungen, insgesamt 67 Ereignisse (also 3,5 pro Patient). Die häufigsten Nebenwirkungen waren Müdigkeit, Myalgie, Arthralgie, Gedächtnis- und kognitive Beeinträchtigungen, Unruhe, Schwindel und Übelkeit. Weitere berichtete Nebenwirkungen waren grippeähnliche Symptome, verzögerte Reaktionen, Hautreizungen auf der Injektionsseite. Aufgrund erheblicher Nebenwirkungen wie schwere Depressionen, fulminante Dermatitis, Haarausfall und Myalgie musste die PCSK9-Hemmertherapie bei 4 Patienten unterbrochen werden. Während der Therapie mit PCSK9-Hemmern hatten nur 3 (7,14%) Patienten eine rezidivierende PCI und ein Patient litt unter einem NSTEMI.
Die PCSK9-Hemmertherapie ermöglicht eine signifikante LDL-Reduktion von 48,0% innerhalb von 4 Wochen nach der Therapiebeginn. Doch der , Effekt war nach einem Jahr nicht mehr statistisch signifikant (p=0,32). Poudel betonte, dass 42,8% der Hochrisikopatienten nicht die in den aktuellen ESC-Richtlinien empfohlenen LDL-Zielwerte (<70 mg/dl) erreichten. Darüber hinaus konnte die PCSK9-Hemmertherapie auch das Lipoprotein a (Lp (a) nicht signifikant senken.
Zur Wirksamkeit der lipidsenkenden Therapie in der Prävention von kardiovaskulären Ereignissen stellte Dr. Iryna Dykun, Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Essen, die Ergebnisse einer Metaanalyse vor.
Die Lipidsenkung ist ein wichtiger Baustein in der Sekundärprävention von Patienten mit koronarer Herzkrankheit. Allerdings erreicht nur eine Minderheit der Patienten unter Statin-Therapie die LDL-Zielwerte. Ezetimib- und PCSK9-Hemmer kommen alternativ zur LDL-Senkung infrage.
Dykun und Kollegen führten eine systematische Literaturrecherche in PubMed, Cochrane, SCOPUS und wissenschaftlichen Datenbanken durch und schlossen in ihre Metaanalyse insgesamt 92 070 Patienten aus 5 randomisierten kontrollierten Studien (IMPROVE-IT, FOURIER, ODYSSEY Outcomes, SPIRE I und SPIRE II) ein.
Die Behandlung mit Ezetimib oder einem PCSK9-Hemmer war mit einer 13%igen Risikoreduktion bei kardiovaskulären Ereignissen verbunden (OR 95% KI 0,87, 0,83-0,92). Die Effektgrößen waren ausgeprägter bei Myokardinfarkt (0,83; 0,75-0,93) und ischämischem Schlaganfall (0,75; 0,67-0,83). Im Gegensatz dazu wurde die allgemeine Mortalität durch die intensivierte Lipidsenkung (0,97; 0,89-1,05) nicht verbessert. In allen Analysen war keine relevante Heterogenität und Inkonsistenz zwischen den Gruppen vorhanden. Zwischen der Wirksamkeit der LDL-Reduktion und der relativen Risikoreduktion von kardiovaskulären Ereignissen wurde ein linearer Zusammenhang beobachtet.
Die verstärkte LDL-Senkung durch Ezetimib- oder PCSK9-Hemmer reduziert das Infarktrisiko und das Schlaganfallrisiko, hat aber keinen Einfluss auf die Gesamtmortalität. Es besteht ein linearer Zusammenhang zwischen LDL-Reduktion und kardiovaskulärer Risikoreduktion, der die positiven Auswirkungen der LDL-reduzierenden Therapie über Statine hinaus in der Sekundärprävention bestätigt.
Wie die gegenwärtige Lipidtherapie aussieht und wie sie künftig aussehen könnte, skizzierte Prof. Dr. Ulrich Laufs, Leipzig, an HDL, Triglyzeriden, Lipoprotein (a) und LDL.
HDL:
Beim HDL zeigt neue Evidenz, dass der Cholesterintransport nicht exklusiv durch HDL getrieben wird. Gezeigt werden konnte auch eine Heterogenität von HDL: So erhöhen pathologische HDL-Phänotypen das Risiko für ASCVD. Ein niedriges HDL-Cholesterin ist ein Risikomarker, aber der DHL/LDL-Quotient ist überholt. Eine Lebensstil-assoziierte HDL-Erhöhung ist positiv (Nicht Rauchen, Sport, Alkoholgenuss reduzieren). HDL ist kein Therapieziel für Medikamente.
Triglyzeride:
Offen ist nach wie vor die genaue Beziehung zwischen Trigylzeriden und KHK-Risiko. Eine Studie im JAMA (Ference BA et al. JAMA, 2019) hat untersucht, wie viel Risiko-Reduktion eine Senkung der Triglyzeride im Vergleich zur LDL-Senkung bringt. Im Ergebnis zeigt sich eine ähnliche KHK-Risiko-Reduktion pro 10 mg/dl ApoB-Senkung (ApoB ist Apolipoprotein B, ein wichtiger Bestanddteil des LDL). Der klinische Vorteil einer Senkung von Triglyzeriden und LDL korreliert mit der ApoB-Reduktion.
Nüchtern-Triglyzeride > 1,7 mM/L (150 mg/dl) sind ein unabhängiger Risikomarker
Das Risiko korreliert mit ApoB
Therapie: Im Vordergrund stehen Lebensstil-Maßnahmen: Alkohol-Verzicht, körperliche Aktivität, Gewichtsnormalisierung
Medikamente: Statine sind zur Risiko-Reduktion ohne große Wirkung; neue Ansätze in Studien: 4g EPA, Pemafibrat, Volanesorsen
Lipoprotein(a):
Dazu konnte die Studie von Tsimikas S et al. (JACC, 2017) zeigen, dass Lp(a) nicht normalverteilt ist. Die-Plasma-Konzentration ist genetisch (autosomal dominant) determiniert, kaum Umwelteinflüssen unterlegen. Sie verursacht atherogene und prothrombische Eigenschaften und ist ein
unabhängiger Risikomarker für Herzinfarkt und Herzklappen-Verkalkung.
Die Lp(a) Bestimmung ist bei Therapiekonsequenz sinnvoll bei jüngeren Patienten und im Rahmen eines Familienscreenings.
Aktuell gibt es keine Medikamente zur Lp(a)-Senkung, notwendig ist deshalb eineoptimale Behandlung aller Risikofaktoren und eine optimale LDL-Senkung (Senkung durch PCSK9-Hemmer, Lipoprotein-Apherese).
LDL:
Die Behandlung des LDL-C setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen:
Eine Chance zur Senkung des LDL könnte Bempedoic Acid bieten. Eine Studie von Laufs et al. (J Am Heart Assoc. 2019) zeigt eine deutliche Senkung des LDL, eineSenkung des Non-HDL, der Triglyzeride und des ApoB. Auch der neue PCSK9-Inhibitor Inclisiran senkt LDL langfristig (Fitzgerald et al. NEJM, 2017 u. Ray et al. NEJM, 2017).
Hypothetisch könnte die Zukunft der Lipidtherapie so aussehen:
Referenzen:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Kongresszentrum Rosengarten 2019