Bei einem Herz-Kreislaufstillstand ist, neben der schnellen Wiederbelebung vor Ort, auch die Weiterbehandlung in einer spezialisierten Klinik wesentlich für die Überlebenschancen. Sind Cardiac Arrest Zentren (CAC) deshalb der Weg in die Zukunft? Aus Sicht von Prof. Dr. Hans-Jörg Busch, Leiter des Universitäts-Notfallzentrums in Freiburg, sind sie eine sinnvolle Option.
Bei außerhalb von Krankenhäusern erfolgreich reanimierten Patienten ist die weitere Prognose aufgrund der Schwere der Erkrankung äußerst ernst und im Verlauf ganz wesentlich von der Fachkompetenz und der Ausstattung der weiterbehandelnden Klinik abhängig.
Das Problem: Der Behandlungserfolg nimmt schon nach wenigen Tagen ab. Er sinkt auf 44%. Über 40% aller in Deutschland reanimierten Patienten sterben im Krankenhaus. Über 70% der im Krankenhaus aufgenommenen Patienten versterben dort während der Post-Reanimationsphase.
Busch macht am Beispiel der Traumaversorgung eines Patienten eines Verkehrsunfalls deutlich, weshalb CAC eine sinnvolle Lösung wären.
Verkehrsunfall Rad vs. PKW:
-Eintreffen Notarzt 17.21 Uhr
-Patienten A-B-C ohne Befund.
-Patient C. initial GCS 13 bei Eintreffen Notarzt 15
-Patient E: Prellmarken, sonst o.B.
-Übergabe Schockraum, 17.59 Uhr
-Freie Flüssigkeit im FAST 18.04 Uhr
-OP-Beginn bei Milzruptur 18.44 Uhr
Im Weißbuch Schwerstverletztenversorgung (DGU 2012) heißt es: Eine regionale und überregionale strukturierte klinische Versorgung mit abgestufter Aufgabenteilung und die enge interdisziplinäre Vernetzung der unterschiedlich ausgestatteten Versorgungseinrichtungen – auch unter Nutzung telemedizinischer Konsultationseinrichtungen – sollen zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität der medizinischen Versorgung und zum optimalen Einsatz vorhandener Ressourcen führen.
Die Versorgung nach Reanimation ist aber eine andere. Denn die Reanimationsursachen, betont Busch, sind vielfältig. Nach Riesen et al., 2017, setzen sie sich wie folgt zusammen:
50% koronare Herzerkrankung
10% Herzrhythmusstörungen
10% intrazerebrale Pathologien
10% Elektrolytstörungen
10% Hypoxämie
5% Intoxikationen
5% Lungenembolie
Hinzu kommt: Die zur Reanimation führende Ursachen verändern sich über die Zeit und zunehmend handelt es sich um nicht-kardiale Ursachen.
Spezifische Ursachen erfordern spezifische Therapien:
Spezifische Ursache |
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Thrombolyse |
Akuter Myokardinfarkt Lungenarterienembolie |
Akut-PCI |
Ausgleich |
Sepsis Elektrolytentgleisung |
Antibiose |
Intervention |
Intoxinationen ICB/Stroke |
Entgiftung |
Herzkreislaufstillstand |
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Spezifische Therapie |
Die Herausforderungen nach erreichtem Return of spontaneous circulation(ROSC):
-Oft zeigt sich ein heterogenes Bild
-Ursachen sind vielfältig
-es kommt zu einer Postreanimationserkrankung (benötigt Expertise)
-zugrundeliegende Erkrankung sollte so rasch wie möglich erkannt und therapiert werden
-es kommt zu reanimationsbedingten Verletzungen
-das Überleben ist von zeitkritischen Maßnahmen abhängig
-Kühlungsbehandlung über alle Schnittstellen hinweg
Der Unterschied zwischen dem traumatologischen Patienten (Verkehrsunfall) und dem Reanimationspatienten ist:
Eine Studie hat 2016 gezeigt, dass das Überleben im Gesamtkollektiv höher ist (Schober et al. Rescucitation, 2016)
-bei Patienten unter 65 Jahre
-Schockbarem Herzrhythmus
-Initialer Laienreanimation
Der direkte Transport zu einem Cardiac Arrest Center war mit einem verbesserten Gesamtüberleben und verbesserten neurologischem Überleben assoziiert, auch unter Reanimationsmaßnahmen. Ziel ist es, möglichst flächendeckend solche qualifizierten Reanimationszentren in Deutschland einzurichten:
Prof. Dr. Bernd W. Böttiger, Uniklinik Köln, zeigte an einem Fallbeispiel auf, wie Temperaturmanagement nach Kreislaufstillstand funktioniert:
Auf einer vereisten Wasseroberfläche war ein 6 Jahre altes Kind im Eis eingebrochen.
20 min später ist die Feuerwehr da, 5 min später ist das Kind gerettet. Die Zeit, die das Kind unter Wasser verbracht hat, wird mit 25 bis 35 min angegeben.
Ankunft in der Klinik 1 Stunde nach Einbrechen im Eis. Der kleine Patient zeigt GCS 3, dilatierte Pupillen, Apnoe, die Körpertemperatur liegt bei 23,1 Grad C, Asystole.
In Frage kommt die milde Kühlung nach Herzstillstand (HACA Study Group, NEJM, 2002). Doch wie weit soll gekühlt werden?
33 oder 36 Grad? Eine Studie aus 2013 (Nielsen N et al, NEJM, 2013) zeigt, dass bei bewusstlosen Überlebenden eines Herzstillstands die Hypothermie bei 33°C keinen Nutzen im Vergleich zu einer Zieltemperatur von 36°C brachte.
Temperaturmanagement ERC/GRC 2015:
-Eine konstante Zieltemperatur zwischen 32 und 36 Grad C. soll für jeden Patienten eingehalten werden, bei denen eine Temperaturkontrolle angewendet wird (starke Empfehlung, mäßige Evidenz)
-Ob bestimmte Subpopulationen von Patienten nach Kreislaufstillstand von niedrigeren (32-34 Grad C) oder höheren (36 Grad C) Temperaturen des TTM profitieren, bleibt unbekannt und weitere Studien sind notwendig.
-TTM wird für erwachsene Patienten nach prähospitalem Kreislaufstillstand mit defillierbarem Rhythmus empfohlen, wenn der Patienten nach ROSC weiterhin "nicht reagiert" (starke Empfehlung, geringe Evidenz)
-Wenn ein zielgerichtetes Temperaturmanagement verwendet wird, wird vorgeschlagen, dass die TTM-Dauer mindestens 24 Stunden beträgt (entsprechend der beiden größten bisherigen randomisierten klinischen Studien) (schwache Empfehlung, sehr geringe Evidenz)
Böttiger hebt hervor, dass in der Gruppe, in der die Hypothermie 48 Stunden durchgeführt wurde, die Überlebensrate höher war – um 7%. In Köln werde die Hypothermie deshalb im Zweifel immer für >- 24 Stunden und immer so schnell wie möglich begonnen. Der kleine Junge überstand den Unfall ohne Folgen. Nach dem Aufwachen habe er nach Nutella gefragt.
Referenzen:
Kongress der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Kongresszentrum Rosengarten 2019